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Trauerfeier nach Germanwings-Absturz "Ich will nicht schweigen, doch reden kann ich nicht"

"Die Welt bleibt in Moll", twitterte NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann nach dem Germanwings-Absturz. Wie sie drückten Tausende ihr Mitgefühl in den sozialen Netzwerken aus. Heute findet eine Trauerfeier im Kölner Dom statt. "Kollektives Trauern tut gut", sagt Psychologe Pieper.

"Am ersten Tag war es der Schock, am zweiten Tag die Trauer, am dritten Tag die Wut und am vierten Tag die Leere." Der Tweet eines Nutzers unter dem Hashtag #indeepsorrow (in tiefer Trauer) fasst das in Worte, was wohl viele Menschen in den Tagen nach dem Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen gefühlt haben. Unzählige Menschen nutzten die sozialen Netzwerke, um ihre Trauer, ihr Mitgefühl auszudrücken. Ob bei Facebook, Twitter oder Instagram - eine Flut von Tweets und Posts, Likes und Kommentaren schwappte durch das Netz.

Graue Logos und schwarze Schleife

Trauerfeier für Opfer im Kölner Dom

Im Kölner Dom findet heute um 12 Uhr eine Trauerfeier für die Opfer des Germanwings-Absturzes statt. Den Gottesdienst leiten der Kölner Kardinal Rainer Woelki und die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus. Außer Woelki spricht unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck. Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt ebenfalls an der Trauerfeier teil. Frankreich wird vertreten von Außenminister Laurent Fabius, Spanien von Innenminister Jorge Fernández Díaz. Erwartet werden außerdem etwa 50 Helfer aus Deutschland und Frankreich, die am Absturzort im Einsatz waren. Auch Bürger haben die Möglichkeit, die Trauerfeier vor Ort mitzuerleben. So wird das Geschehen auf Großbildschirmen übertragen. Auch auf heute.de können Sie die Trauerfeier im Livestream verfolgen. Um 19.20 Uhr fasst ein ZDFspezial den Tag der Trauer zusammen.

Immer wieder drückten Nutzer ihre fehlenden Worte in Bildern aus. Eine junge Frau postete ein Bild mit einem grauen Himmel und dem Schriftzug "One Sky - one family". Andere formulierten ihre Sprachlosigkeit direkt: "Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich will nicht schweigen, doch reden kann ich auch nicht", twitterte eine Frau.

Nachdem Germanwings und Lufthansa ihre Logos schwarz-weiß gefärbt hatten, folgten andere Airlines ihrem Beispiel. Statt Bunt dominierte Grau die sozialen Netzwerke. Auch dem Aufruf, eine schwarze Aidsschleife als Zeichen der Trauer für 24 Stunden als Facebook-Profilbild zu verwenden, folgten Tausende Nutzer. Ein Zeichen setzen, ganz ohne Worte.

Traueranzeige der Lufthansa Quelle: Lufthansa

"Ein Gefühl, das den Menschen trägt"

Kollektives Trauern - der Traumaexperte Dr. Georg Pieper hält diese Art der Verarbeitung im Falle des Flugzeugunglücks für wichtig: "Wenn heute eine länderübergreifende Gedenkfeier für die Opfer stattfindet und auch Politiker hinzukommen, dann wird deutlich, dass eine ganze Gesellschaft trauert." Das nehme den Betroffenen zwar nichts von dem immensen Leid ab, "aber es ist eine Stütze, es entsteht ein Gefühl, das den Menschen in seiner Trauer trägt", sagt Pieper.

Die Entwicklungen in den sozialen Netzwerken dagegen sieht er kritisch. Aus vielen Posts spreche sicherlich echte Anteilnahme, aber vielfach "wird auch einfach Unsinn verbreitet". Manch einer versuche sich dort als Hobbypsychologe, der die Psyche anderer Menschen analysiere, "und das ist nicht gut". Von Familien anderer Katastrophenopfer wisse er, dass sie sich die Beiträge nicht durchgelesen hätten. "Ich glaube, es hilft eher den Verfassern selbst bei ihrer Trauerbewältigung", so Pieper.

Als Ort zusammenwachsen

Von einer besonderen kollektiven Trauer ist der Ort Haltern im Münsterland betroffen. 16 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen kamen bei dem Germanwings-Absturz ums Leben. Psychologe Pieper hat Erfahrung mit Unglücken, die eine ganze Stadt betreffen: Er betreute die Angehörigen des Grubenunglücks von Borken und der ICE-Katastrophe von Eschede. "Für eine so kleine Gemeinde wie Haltern kann ein solches Unglück eine Chance sein, durch Gespräche und Aktionen zusammenzuwachsen", sagt er. Es bestehe aber auch die Gefahr, als Ort daran zu zerbrechen, wenn die Trauer zum Beispiel "totgeschwiegen" werde.

Die sozialen Netzwerke wurden als Plattform genutzt, um die Trauer mit anderen Menschen zu teilen - in Gruppen, auf Seiten oder mit Veranstaltungen. So forderte eine Frau auf ihrem Facebook-Account "als sichtbares Zeichen unser aller Anteilnahme" dazu auf, zwei Tage nach dem Absturz eine Kerze vor oder in Wohnungen und Häusern aufzustellen. 1.500 Nutzer erklärten ihre Teilnahme. "Wir haben uns in den letzten Jahren so häufig solidarisch bei freudigen Großereignissen gezeigt", schreibt die Initiatorin. "Nun sollten wir das auch in diesem dunklen Teil unserer Geschichte tun."


17.04.2015
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