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Sharing Economy: Herausforderung für die Hotellerie.

Soziale Bewegung? Von "privat" für "privat"? Alternative zum Kapitalismus? Von wegen! Die sogenannte "Sharing Economy" à la Airbnb & Co. ist knallhartes Business. Doch statt sich zu beklagen oder sie zu bekämpfen, sollte die Hotellerie von ihr lernen - und ihre eigenen Stärken ausspielen.

Wenn Markus Luthe morgens ins Büro fährt, dann mit dem Ziel, die Welt zu retten. Mal vor den Ignoranten, die auf Kosten der Hotellerie an der Bettensteuer festhalten. Mal vor Befürwortern einer Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer auf Übernachtungsleistungen. Derzeit heißen die Gegner des IHA-Chefs Airbnb, Wimdu & Co: Anbieter privater Unterkünfte, die der Hotellerie mit ungeprüften, teils illegalen Methoden Konkurrenz machen. "Shadow Economy" nennt er diese Art des modernen Tauschgeschäfts. Und in der Tat wirft der globale Erfolg der entsprechenden Unternehmen - werfen allein 145 Millionen "Privat"-Übernachtungen in Deutschland im Jahr 2014 - die Frage auf, ob der Kampf der Hotelverbände, Städte und Empörten weltweit nichts weiter ist als genau das: der Kampf gegen einen Schatten, der sich nicht fassen lässt. Schattenboxen mithin.

Alles teilen - in jedem Lebensbereich

Denn so überaus berechtigt die Vorwürfe und Befürchtungen auch sein mögen, so berechtigt es ist, die sogenannte Sharing Economy als Ganzes, gewiss aber ihre Auswüchse zu hinterfragen: Millionen von Menschen lieben und nutzen das Teilen. Und dies nicht nur in der Übernachtungsbranche. Ob Ride-Sharing à la Uber, Car-Sharing à la Drive now und Car2go: Längst existieren sogar Portale für den Tausch und das Teilen von Werkzeugen, Parkplätzen und "Dining Experience". "In Zukunft wird alles geshart werden", prophezeite daher der Netz-Stratege Jeremiah Owyang auf der größten Internet-Konferenz Europas, der LeWeb im vergangenen November in Paris. Alles und in jedem Lebensbereich. Dabei fing das, was vielen der Old Economy als Horror gilt, einst so harmlos an: Mitfahr- und Mitwohn-Zentralen existieren seit Jahrzehnten. Und auch dass Backpacker auf ihren Reisen um die Welt privat unterkommen, ist keine Entwicklung der Neuzeit. Die große Welle der Kommerzialisierung des "von privat für privat" startete erst, als der Nachwuchs des Silicon Valley übernahm und das Teilen mithilfe neuester Internet-Technologien und Big Data in ein weltumspannendes Milliarden-Geschäft verwandelte. Der Begriff Sharing Economy war geboren.

Sharing-Ökonomie - ein Paradoxon

Wobei allein schon der Begriff irreführend ist, wie Web-Guru Sascha Lobo in seinem Spiegel-Online-Blog aufzeigt: "›Sharing-Ökonomie‹ ist ein verschleierndes Paradoxon", kritisiert er. "Das ursprüngliche Verständnis des Wortes ›Teilen‹ hat gerade nichts mit Geld zu tun." Mit welchen Kapital-brachialen Methoden so manches Unternehmen der Sharing Economy denn auch tatsächlich arbeitet, demonstrierte nicht zuletzt der umstrittene Fahrdienst Uber während der Geiselnahme in Sydney Mitte Dezember. Nachdem der Nahverkehr zum Erliegen gekommen und auch kein Taxi mehr zu bekommen war, verlangten örtliche Uber-Fahrer ein Minimum von 100 Dollar pro Fahrt. Erst ein weltweiter Aufschrei bewegte Uber-Gründer Travis Kalanick zur kurzfristigen Ausnahme von seinem sonst ehernen Geschäftsprinzip: "Die Höhe der Nachfrage bestimmt den Preis."

Ich bin ganz sicher, dass all diese Übernachtungen der Hotellerie flöten gehen.

Übersetzung der Sharing Economy in die klassische Hotellerie

Die Mär, die Sharing Economy sei eine Alternative zum Kapitalismus, hatte sich spätestens an diesem Tag erledigt. Bleibt die Frage nach ihrem enormen Erfolg - insbesondere im Beherbergungsbereich. Susanne Weiss ist nicht nur Geschäftsführender Vorstand von 130 Ringhotels ins Deutschland. Überdies ist die 52-Jährige selbst leidenschaftliche Backpackerin und war jahrelang in Familien und Hütten unterwegs, "um Land und Leute kennenzulernen". Das, so glaubt sie, "kriegst du im Hotel eher nicht". Doch nicht zuletzt aufgrund ihrer Erfahrung mit dieser Art von Reisen will die Hotel-Chefin künftig einiges davon übernehmen. So werden die Ringhotels ihren Markenkern im Jahr 2015 nicht nur "repositionieren". Als eine der ersten Neuerungen werde eine Art abendlicher Stammtisch eingeführt. Etwas, "wo Gäste die Gelegenheit bekommen, sich miteinander zu unterhalten". Wie das en détail aussehen wird, daran arbeitet sie noch. Das Ziel hat Susanne Weiss jedoch fest im Blick: Sie will die Hotellerie wieder zu dem machen, was sie seit jeher war: "ein Ort der Begegnung". "Wenn wir das schaffen, dann wäre das für mich die Sharing Economy in klassische Hotellerie übersetzt." Stephan Gerhard sucht dagegen alles andere als "die große Community", wie er es nennt. Couchsurfing beispielsweise käme ihm nie in den Sinn, auch nicht das klassische Bed & Breakfast. Dennoch hat der Chef der Unternehmensberatung Treugast gerade erst selbst bei Airbnb gebucht: Über die Weihnachtsfeiertage ist der Betreiber des Campo Bahia nach Rio de Janeiro geflogen. Dort hatte er zwar auch ein Hotel. Den Heiligen Abend wollte die Familie jedoch nicht im Restaurant verbringen, sondern gemeinsam kochen. Also suchte Gerhard eine Wohnung - "rein nach dem Schick-Faktor: mit offenem Kamin, Blick auf die Copacabana und nahe unseres Hotels" - und mietete diese für zwei Tage an. Zum Kochen.

Gleiche Regeln für alle!

Würde er es wieder tun? "Ja", räumt der Treugast-Chef ein, "aber dann nur die Wohnung, ohne Hotel." Die Gründe? Dieselben wie jedes einzelnen Wimdu-, Airbnb-, 9Flats- oder Housetrip-Nutzers. Zum einen die Individualität: "In welchem Hotel hat man schon einen offenen Kamin?" Und zum anderen die Authentizität: "Mit einem Wohnungsschlüssel hältst du den Schlüssel zur Stadt in Händen. Du bist authentisch untergebracht und fühlst dich als Bestandteil der Stadt und nicht mehr als Tourist." Nicht zuletzt wegen des Platzes. Kurzum: Gebucht wird nicht wegen des womöglich geringeren Preises, sondern wegen des Besonderen. In Gerhard Winter wird Stephan Gerhard mit dieser Einstellung keinen Freund finden. Der Hotelier betreibt allein vier Häuser in Berlin, der Hauptstadt der Sharer. Und er teilt sie ganz und gar nicht, die Ansicht, dass Airbnb'ler ohnehin nicht in ein Hotel gehen würden. "Ich bin ganz sicher, dass all diese Übernachtungen der Hotellerie flöten gehen - zu 100 Prozent." Und das ist es nicht allein: Auch die Nachbarn all der Leute, die ihre Wohnungen ins Internet stellten, würden erheblich leiden: unter Müll zum Beispiel oder dem Lärm. Nicht zuletzt, so Winter, müsse ein Hotelier Bettensteuer in Höhe von fünf Prozent vom Bruttoumsatz zahlen und selbstverständlich den Feuerschutz beachten. Ganz im Gegensatz zu all den angeblichen Privatanbietern. Seine Forderung: Gleiche Regeln für alle!

Geschäftsreisende buchen Hotels

Vertreter von Airbnb, die allein in Berlin rund 13.000 Unterkünfte auffahren, nehmen derlei Anwürfe mit Gelassenheit. Fehlende Notausgänge und Feuerschutztüren gehen zu Lasten der Sicherheit? Diesem wiederkehrenden Vorwurf begegnet Airbnb-Manager Olivier Gremillon eher lakonisch: "Kein Mensch will verbrennen. Warum also gelten dann nicht auch für Privatwohnungen dieselben Regelungen wie für Hotelbetriebe?" Wesentlich eleganter ist die Reaktion auf Appelle vonseiten Geschäftsreisender: Ein Großteil ihrer Forderungen wird von Airbnb schlicht erfüllt - ob Rechnungsstellung, das Ausweisen von Steuern oder die Akzeptanz von Kreditkarten. Ganz einfach deshalb, weil man diese Klientel als nächstes erobern will. "Wir sind customer driven", sagt Gremillon mit der Selbstgewissheit des Erfolgreichen. "Der Wunsch des Kunden ist das Herz unseres Business." Anke Cimbal, Sprecherin der Best-Western-Hotels, ist da eher skeptisch: "In Deutschland basieren drei Viertel des Geschäftsreisebusiness auf verhandelten Verträgen", winkt sie ab. Außerdem würden Business Traveller, die in einem Best Western buchen, dies ganz bewusst tun: "Die wollen klassische Hotelleistungen wie Frühstück, WLAN, Hotelbar, Safe etc. Ich glaube nicht, dass die Sharing-Angebote uns da etwas wegnehmen." Kaum anders sieht das HRS CEO Tobias Ragge: Airbnb habe bestenfalls Chancen im "unmanaged business", sagt er. "Firmen wollen integrierte Lösungen."

"Die Hotellerie muss endlich ihre Stärken ausspielen!"

Noch ist das Rennen nicht gewonnen. Wenn Airbnb & Co. jedoch wirklich lediglich Kundenwünsche erfüllen: Wäre es dann nicht an der Zeit, die Sharing Economy mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen? Von ihr zu lernen gar, um verloren gegangene Gäste zurückzugewinnen? Die Unternehmensberatung Treugast schätzt diesen Anteil auf immerhin 20 Prozent. Aus Sicht ihres Chefs wird es daher höchste Zeit für die Hotellerie, "endlich ihre Stärken auszuspielen". Zum Beispiel in puncto Sicherheit. "Was macht denn ein privat Übernachtender in Istanbul", fragt der Vielreisende Gerhard, "wenn morgens um sieben das Warmwasser ausgefallen ist? Jemanden anrufen, der es repariert? In einem Land, dessen Sprache er nicht spricht?" Aus diesem Grund solle die Hotellerie gegenüber ihren Gästen ganz offensiv mit ihren Leistungen werben. Damit, dass sie 24 Stunden für sie da ist, Services wie sicheres WLAN und Frühstück bietet und damit einen Grad an Sicherheit gewährleistet, den eine Privatwohnung niemals haben kann.

Sicherheit? Individualität? Authentizität? Können wir!

Beispiel Authentizität: Wann eigentlich habe die Hotellerie aufgehört, ihr Umfeld zu vermitteln, fragt Gerhard, die Stadt, in der sie sich befindet?! Wo der Reisende doch gerade danach suche! Die Idee einer Art lokaler Stammtisch für Gäste sei eine Möglichkeit, dies zu tun. Eine andere sei ein Mitarbeiter an der Rezeption, der sich bestens auskennt und entsprechende Tipps geben kann. Wie ein Concierge. Stephan Gerhard: "Der Nachtportier weiß doch eh, wohin er seinen Gast schicken muss. Das brauchen wir dann auch für den Tag." Bleibt das wichtige Thema "Individualität". Der Reisende von heute suche die Gelegenheit, sich individuell wiederzufinden, weiß der Consultant und verweist auf das bereits bestehende Angebot zahlreicher Nischenprodukte: "Da findet jeder sein Hotel." Dass aber auch noch mehr drin sei, zeigten Beispiele wie CitizenM, wo jeder Dinge wie Licht und Klang auf seinem Zimmer individuell konfigurieren kann. Diese Art des Customizing, so Gerhards Rat, müsse zügig weiter vorangetrieben und entsprechend vermarktet werden. Auf jeden Fall, so resümiert der Treugast-Chef, mache es keinen Sinn, sich zu sperren und zu sagen: "Das darf es nicht geben!" Mit Ausnahme der Auswüchse natürlich. Jenen widerrechtlichen Zweckentfremdungen, bei denen es längst nicht mehr ums Teilen geht, sondern um knallhartes Business. Genau das also, vor dem IHA-Chef Markus Luthe die Hotel-Welt beschützen will.

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