Klar, sein Gesicht kennt man: zum Beispiel aus dem Tatort mit Til Schweiger oder neben Götz George in „Zivilcourage“. Mit Sicherheit aber ist der 28-Jährige in der Rolle des Costa bekannt, des stotternden Griechen aus "Türkisch für Anfänger". Und das obwohl er sich eigentlich für eine andere Rolle beworben hatte und ursprünglich auch gar nicht Schauspieler werden wollte. Heute ist er sehr zufrieden mit beidem: der Rolle als Costa und dem Leben als Schauspieler - das verrät der gebürtige Bosnier im Interview.
JAM!: Hallo Arnel, wenn man Mut messen könnte auf einer Skala von eins bis zehn – eins ist niedrig, zehn extrem – wie mutig schätzt du dich selbst ein?
Ich halte 7 für ganz gut.
Mit 15 Jahren standest du das erste Mal vor einer Kamera: in
„Paule und Julia“ hast du einen jugoslawischen Flüchtlingsjungen
gespielt. Hat dich die Rolle viel Mut gekostet?
Ich war total überfordert, als ich ein jugoslawisches Lied singen sollte, vor 40 Leuten, die mich anstarrten. Davon war vorher nie die Rede gewesen. Alles, nur nicht singen. Ich habe mich so geschämt und wollte nur nach Hause.
Wolltest du denn schon immer Schauspieler werden?
Als ich klein war, wollte ich Feuerwehrmann werden oder Fußballer. Mit 15 hatte ich keinen konkreten Berufswunsch, wollte eigentlich Abi machen und dann mal weitersehen.
Aber dann hatte deine Lehrerin dich auf den Film aufmerksam gemacht und zum Casting überredet. Wie fanden das deine Eltern?
Meine Mutter war gegen diese Rolle, wollte nicht, dass ich
einen klauenden, kriminellen Bosnier spiele – sie kämpft gegen diese
Vorurteile. Mein Vater hat mich daher heimlich zu den Castings
gefahren, damit ich es ausprobieren kann und meine Erfahrungen mache –
jede Erfahrung ist ein Gewinn, sagt er. Für seine Unterstützung und
neutrale Sicht bin ich ihm sehr dankbar.
John Wayne hat einmal gesagt: „Mut ist, wenn man Todesangst hat, aber sich trotzdem in den Sattel schwingt“. In welcher Situation musstest du deinen ganzen Mut zusammennehmen?
Als ich Götz George in „Zivilcourage“ ins Gesicht spucken sollte. Götz George ist ein Vorbild für mich, ein toller Schauspieler und ein Mann von über 70 Jahren, vor dem ich einen Riesenrespekt habe. Ihm ins Gesicht zu spucken, das war enorm schwierig und hat mich wahnsinnig viel Mut und Überwindung gekostet.
Die Figuren, die du darstellst, haben auffällig oft einen Migrationshintergrund. Würdest du eine Rolle ablehnen, weil sie zu viele Klischees bedient?
Es hängt mir zum Hals raus, dass laut Drehbuch Türken immer nur mit Akzent sprechen und „Ey, Alter, ischwöre“ sagen. Ich lebe seit meinem fünften Lebensjahr in Deutschland, habe Freunde und Kollegen mit Migrationshintergrund und da tickt keiner so. Weder sind sie alle Machos, noch arbeitslos. Für mich gibt es kein typisch deutsch, typisch türkisch oder typisch bosnisch – jeder hat seine Alltagsprobleme, Stärken und Schwächen, egal welche Nationalität er hat, ob er braune oder blaue Augen hat, blonde oder krause Haare. Die Rolle, die ich spielen soll, muss für mich einen Anreiz haben, Entwicklungspotenzial, und etwas Wichtiges vermitteln: Ich will die Menschen vereinen und nicht durch Klischees und Vorurteile entzweien.
Mit welchen Vorurteilen hast du zu kämpfen?
Ständig werde ich gefragt, ob mir das Stottern als Costa schwer fiel.
Wenn ich einen kriminellen Halbstarken mit Migrationshintergrund spiele,
der Leute verprügelt und anspuckt, halten das dagegen viele für keine
große Schauspielkunst. In den Köpfen bin ich wirklich ein Prolet und
spiele das nicht nur. Das ist schon paradox.
Hast du eine Traumrolle?
Den Boxer Felix Sturm! Er ist ein Champion, kommt wie ich aus Bosnien, kam auch als Flüchtling nach Deutschland und hat sich nach oben gekämpft. Sein Leben zu verfilmen und ihn darzustellen, das ist mein Traum. Auch wenn ich nie so gut boxen werde wie er, so ist sein Leben auch ein Teil meiner Biographie.
Das Leben ist für mich wie ein Boxkampf: Um etwas zu erreichen, muss man ein Ziel haben und es sich verdienen und darum kämpfen. Jeden Tag gibt es Herausforderungen und Situationen, in denen man mutig sein muss, finde ich. Mal gelingt es besser, mal nicht so gut. Ich finde es mutig, in jeder Hinsicht ehrlich zu sein und das zu sagen, was man fühlt. Und an seine Träumen zu glauben, auch, wenn andere sagen, dass es unrealistisch ist, dieses Ziel zu erreichen.
Wann musstest du das letzte Mal besonders mutig sein?
Das ist zwei Jahre her. Da wurden die Überreste meines Onkels gefunden, der im Bosnienkrieg gefallen ist. Die ganze Familie war da und hat geweint – ich nicht. Ich wollte nicht weinen.
Weil Männer nicht weinen dürfen oder warum?
Ich bin nicht Herkules. Es gibt Situationen, in denen ich
mich verkrieche und die Decke über den Kopf ziehe – und weine. Alleine.
Ich will mit meinen Problemen niemanden ängstigen oder dass sich meine
Familie oder Freunde Sorgen machen. Ich will ihnen ein Gefühl von
Sicherheit vermitteln und dass ich alles unter Kontrolle habe.
Du bist Einzelkämpfer, oder?
Absolut – und Perfektionist! Wenn ich etwas falsch mache, stehe ich dafür gerade und ich übernehme dafür die Verantwortung, statt die Schuld bei anderen zu suchen. Innerhalb meiner Familie bin ich aber auch ein Teamplayer.
Was findest du persönlich extrem mutig?
In jeder Hinsicht ehrlich zu sein und das zu sagen, was man fühlt. Und an seine Träume zu glauben, auch, wenn andere sagen, dass es unrealistisch ist, dieses Ziel zu erreichen. Ich finde es auch mutig, wenn jemand homosexuell ist und sich vor seinen Eltern und Freunden outet.
Fällt es dir denn leicht über Gefühle zu sprechen?
Gefühle kann ich besser zeigen, als darüber zu reden. Ich bin für andere da, wenn man mich braucht und wenn ich jemanden liebe, dann zeige ich das, statt zehnmal am Tag zu sagen ‚ich liebe dich’.
Interview: Anja Schimanke
Arnel Taci
1986 in Bosnien-Herzegowina geboren, floh er als Kind mit seiner Familie nach Deutschland. Seitdem ist Berlin seine Stadt. 2001 stand er in „Paule und Julia“ zum ersten Mal vor der Kamera. Auf der großen Kinoleinwand kennt man ihn vor allem durch den Film „Türkisch für Anfänger“ zur gleichnamigen Serie. Eigentlich aber hatte Arnel sich für die Rolle des Cem Öztürk beworben, die dann Elyas M’Barek bekam. „Ich bin glücklich über meine bisherigen Rollenangebote. Für mich ist der größte Luxus meine Freiheit“, sagt Arnel. Wenn er nicht vor der Kamera steht, dann boxt er nicht nur, sondern spielt auch Fußball, Handball, fährt Skateboard und tanzt.
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