Knapp achtzig Quadratmeter sind eine bescheidene Fläche, um die Welt auszustellen. Wenn die Welt jedoch in Büchern lebt, haben achtzig Quadratmeter eine Chance. Der Prestige Bookshop im Zentrum von Kenias trubeliger Hauptstadt Nairobi besteht aus einem einzigen Raum mit hohen Bücherwänden. Die Regale in der Mitte des Raumes stehen so eng beieinander, dass BuchliebhaberInnen sich in dem schmalen Gang kaum aneinander vorbeidrängen können. Im Geschäft drängen sich viele. Und sie kommen immer wieder. Deshalb gibt es den Buchladen seit fast 60 Jahren, und er wächst. Trotz E-Books, trotz Raubkopien, trotz mitunter trüber wirtschaftlicher Lage im Land. Und deshalb hat die Welt der Bücher hier eine Chance.
Afrikanische Hauptfiguren. Auch wenn der Verkauf von Motivationsbüchern und Ratgebern etwa die Hälfte des Umsatzes ausmacht, steigt die Nachfrage nach Belletristik stetig, ganz besonders nach Romanen afrikanischer AutorInnen. „Mit dem Roman ‚Half of a Yellow Sun' [deutscher Titel: Die Hälfte der Sonne] der Nigerianerin Chimamanda Ngozi Adichie im Jahr 2006 etablierte sich ein neuer Trend", erinnert sich Ahmed Aidarus, der Betreiber des Buchgeschäfts. „Die Leute wollten immer mehr gute und gut geschriebene Geschichten, mit denen sie sich identifizieren können." Und das bedeutet: Romane, die in Afrika spielen, mit afrikanischen Hauptfiguren. Etwa zur selben Zeit begann sich auf dem Kontinent im Windschatten eines raschen Wirtschaftswachstums eine Mittelklasse herauszubilden: junge, gut ausgebildete, selbstbewusste und bemittelte Leute, die stolz auf ihre afrikanischen Wurzeln und ihr afrikanisches Erbe waren. Literatur ist für sie Ventil und Inspiration.
Entdecker statt Missionar. Buchhändler Aidarus ist ein Entdecker des afrikanischen Kontinents. Allerdings keiner, der wie der schottische Missionar und Forschungsreisende David Livingstone im 19. Jahrhundert Afrika durchquerte und Orte nach sich selbst benannte - als hätte er etwas bislang Unbekanntes gefunden, wo AfrikanerInnen Jahrhunderte vor Livingstones Ankunft gelebt hatten. Aidarus sucht nach ErzählerInnen Afrikas und findet ihre Geschichten zwischen Buchdeckeln, um sie zu teilen und damit andere entdecken zu lassen. So durchkämmt Aidarus unermüdlich unter anderem das Internet nach neuen Stimmen. Er kontaktiert afrikanische Verlage, fliegt Autorinnen und Autoren zu Lesungen ein. Von einem neuen Titel bestellt er drei Exemplare zum Test - sind die nach einem Monat verkauft, bestellt er die doppelte Menge. Und so fort. Während sein Vorgänger zwei Mal jährlich Bücher aus Übersee orderte, tut Aidarus es monatlich. Die Exemplare sind etwas teurer als in Europa. Das meistverkaufte Buch bisher ist Michelle Obamas Autobiographie. Als Ehefrau Barack Obamas, dessen Vater Kenianer war, gehört sie praktisch zum Land.
Plattform für AutorInnen. Seit elf Jahren managt Aidarus den Prestige Bookshop mit inzwischen zwei Filialen und elf MitarbeiterInnen. Ein Mann, der Bücher liebt. „Als würde man ein Kind in eine Schokoladenfabrik lassen", beschreibt er seine Begeisterung. Nach eigener Aussage hat er den Umsatz des Geschäfts in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, während andere Buchläden in der Stadt schließen mussten. Sein Erfolgsgeheimnis? „Ich baue eine Beziehung zu unseren Kunden auf", sagt er. „Ich mache mir ein Bild davon, was sie suchen, und bestelle, was sie wollen." Seit September ist er nun auch Verleger: „Jahazi Press" („Jahazi" bedeutet „Boot" auf Kisuaheli) will eine Plattform für AutorInnen Kenias und ganz Afrikas sein. Und der Verlag will sie auf dem Kontinent vermarkten, was bisher schlicht fehlt, findet Aidarus. „Ich arbeite daran mit, Lesen cool, unterhaltsam und zugänglich zu machen." Für die Romane „Dust" und „The Dragonfly Sea" (deutsch: „Der Ort, an dem die Reise endet", und neu im September: „Das Meer der Libellen") der kenianischen Schriftstellerin Yvonne Adhiambo Owuor besitzt Jahazi Press die Ostafrika-Rechte. Die Autorin ist begeistert: „Jahazi wird mit afrikanischen NachwuchsautorInnen den wahrscheinlich lukrativsten Markt für kreative Inhalte anzapfen. Ich bin sehr froh, auf diesem großartigen Schiff mitzufahren."