Es ist heimelig im Saal der Kammeroper an der Max-Brauer-Allee. Die Darsteller sind dem Publikum so nah, dass es ganz genau sehen kann, was der Kommissar von seinem Teller isst. Es sind Windbeutel.
Das sechsköpfige Ensemble zeigt Ruggero Leoncavallos große Oper „Der Bajazzo" (original: „Pagliacci"). Die Geschichte kannte Leoncavallo aus einer echten Gerichtsverhandlung. Sein Vater war Richter und nahm ihn manchmal zu Prozessen mit. Ein Fall inspirierte ihn zu der Oper von 1892, mit der er weltberühmt werden sollte.
Erzählt wird die Geschichte der Zirkusartistin Nedda, die von ihrem eifersüchtigen Freund bedroht wird. Nedda (Rebekka Reister) ist fremdgegangen, Canio (Joel Annmo) will sie deshalb töten. Zirkuskollege Tonio (Marius Adam) hat Nedda verraten - er liebt sie insgeheim selbst.
L'amore ist der Motor allen Dramas
Nedda sucht Schutz bei Kommissar Montalto (Daniel Pohnert) und erzählt ihm ihre Geschichte. Im Hintergrund wirbelt Liebhaber Silvio (Titus Witt), weil er Nedda beschützen will. L'amore ist mal wieder der Motor allen Dramas.
Als Bühnenbild hat Kathrin Kegler Schreibtisch und Stuhl im Büro des Kommissars gewählt, geschickt hinter einer durchsichtigen Leinwand aufgebaut. Dahinter sprechen Nedda und der Kommissar.
Regisseur Andreas Franz hat die Erzählfunktion toll genutzt. Die Gesichter der zwei werden groß auf die Leinwand projiziert, während davor das Erzählte gespielt wird.
Große Gefühle, beeindruckende Gesangsdarbietungen
Rebekka Reister (Sopran) überzeugt als Powerfrau. Sie könnte glatt als Italienerin durchgehen, so temperamentvoll und klar ist ihre Stimme. Joel Annmo beeindruckt ebenfalls. Für den Tenor scheint das Singen fast selbstverständlicher als das Sprechen zu sein.
Die bekannteste Arie des Stücks, „Vesti la giubba" (deutsch: „Zieh dein Kostüm an"), ist der Höhepunkt des Abends. Ausnahmsweise auf Italienisch, denn sonst ist das Stück in gewohnter Kammeroper-Manier ins Deutsche übersetzt und gekürzt worden (Textfassung von Barbara Hass). Hier zeigt Joel Annmo als italienischer Bajazzo (Clown) große Emotionen: Der Rachsüchtige offenbart sich als verletzter, verlorener Mensch. Peppe (Enrique Adrados) und Tonio sind als tollpatschige Zirkushelden die Publikumslieblinge.
Aufführungen in der Kammeroper noch bis 12. OktoberDaniel Pohnert agiert als Kommissar fast ein bisschen zu sanft. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich ist er Nedda hoffnungslos verfallen. Singen kann der Bariton jedenfalls mit männlicher Kraft. Titus Witt kommt erst im Finale so richtig zur Geltung. Aus Wut auf Canio kann er sich kaum noch zurückhalten; der Kommissar muss ihn bändigen, er verliert dabei fast das Hemd.
Trotz Orchestergraben fällt insbesondere der Dirigent (Bruno Merse) auf. Ob es Absicht ist, dass er sich schwungvoll und zackig wie ein Italiener bewegt? Jedenfalls spielt unter seiner Leitung auch das fünfköpfige Orchester ganz groß im kleinen Saal der Kammeroper. Und dies noch bis 12. Oktober.