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Die Datensammelwut der Migrationsämter: Zwei Millionen Fichen, null Kontrolle

Bild: Anne Seeger und Andrea Klaiber

Karim Bennani ist zum ersten Mal im Leben so richtig verliebt, als er in Ausschaffungshaft kommt. Aber dort, im Flughafengefängnis Klo- ten, trennen ihn dicke Betonmauern von seiner neuen Partnerin. Die beiden tauschen Briefe aus. Romantische – und sexuell aufgeladene Nachrichten.

Es fällt Bennani nicht leicht, darüber zu reden. Seine Liebesbriefe geben Einblick in den intimsten Teil seiner Persönlichkeit. Doch die Macht, zu ent- scheiden, wer diese Briefe lesen darf, hat er längst verloren.

Gemeinsam mit dem investigativen Rechercheteam Reflekt und dem Beob- achter ersucht er beim Migrationsamt um Einsicht in seine Akten. Sein Ver- dacht bestätigt sich: Alle Briefe, alle In- formationen über seine Sexualität sind in seinem Dossier hinterlegt. Es um- fasst mehr als 400 Seiten.

In der Schweiz leben über zwei Mil- lionen Ausländerinnen und Ausländer. Über jede einzelne Person, die ohne Schweizer Pass hier lebt, wird eine Akte geführt. Die kantonalen Migrations- ämter legen dort alles ab, was sie über die Person wissen. Eine unvorstellbare Datenmenge über die ausländische Wohnbevölkerung in der Schweiz.

Wir haben mehrere Personen bei ihrem Gesuch um Akteneinsicht unter- stützt und ihre Dossiers einsehen kön- nen. Manche enthalten nur wenige Sei- ten, zum Beispiel bei einem deutschen Staatsbürger gerade mal den Geburts- schein. Andere sind weitaus umfassen- der, es finden sich Gesprächsprotokolle, Betreibungsregisterauszüge, Informa- tionen über Familienmitglieder, Polizei- rapporte und Gesundheitsdaten.

Ganzer Artikel beobachter.ch // Nr. 13/2022 

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