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Das glaube ich auch - DUMMY - Das Gesellschaftsmagazin

Ein groß gewachsener Mann steht in Sommerhemd und Rucksack in der Innenstadt Berlins. Um ihn drängen sich Menschen und tragen Schilder, auf denen steht „Gib Gates keine Chance!". Es ist der 1. August 2020, und mehrere Tausend Menschen haben sich hier versammelt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. 

Viele sind überzeugt, dass Politiker und Konzernchefs manipulieren und lügen, dass Corona erfunden oder übertrieben wird. Wahlweise sehen sie Bill Gates, die „Mainstreammedien" oder die Rothschilds als Drahtzieher der Weltgeschicke. Auf jeden Fall: die da oben.

Vielleicht wollte der Mann in der Menge unerkannt bleiben. Seine Fans haben ihn dennoch entdeckt. Sie bilden eine Menschentraube um ihn, hängen an seinen Lippen, nicken zustimmend, machen Selfies mit ihrem Idol. So ist es später auf unzähligen Handyvideos zu sehen. 

Jetzt, wo ein unsichtbares Virus die Welt in Bann hält, haben Propheten und Verschwörungsideologinnen besonders viel Zulauf. Doch der Mann in der Menge ist anders. Seine Fans nennen ihn stets „Dr. Daniele Ganser". Seine Kritiker nennen ihn einen Verschwörungstheoretiker. 

Ganser publiziert Bücher über das „Imperium USA" und die „illegalen Kriege der NATO" und hält Vorträge mit dem Titel „Können wir den Medien vertrauen?". Reichsbürger lieben ihn, aber auch linke Zeitungsverleger, Antisemiten, aber auch Friedensaktivisten. 

Wer ihn zu fassen versucht, dem zerrinnt er zwischen den analytischen Kategorien: knapp vorbei am Image des durchgeknallten Verschwörungsmythologen. Von einer Reputation als anerkannter Forscher ist er jedoch auch weit entfernt. Ist Ganser ein echter Subversiver, der gegen die da oben kämpft? Oder ein geschickter Demagoge, der das Publikum unten im Saal belügt?


Ganzer Text auf dummy-magazin.de // Nº 68

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