ZEITjUNG.de: Glückwunsch, du hast die
Hauptrolle im Arthouse-Film „HomeSick“ ergattert! Wie kam es dazu?
Esther Maria Pietsch: Danke! Hmm... ich muss dazu sagen, weil es im Film um Nachbarschaft und Terror geht, dass der
Regisseur mein Nachbar ist (lacht). Ich kannte ihn schon länger und er hat mir
eines Tages das Drehbuch gegeben und gesagt, ich solle es mir mal anschauen.
Eigentlich wollte ich nur mal reinlesen, hatte es aber nach 1 ½ Stunden durch,
weil es so fesselnd war. Allerdings hat er zu mir nicht einfach gesagt „lass
uns das zusammen machen“, sondern hat mehrere Casting-Durchläufe veranlasst.
Vor ca. 4 Wochen hat er mir gesagt, dass ich die Rolle der Jessica bekommen
habe, an der Seite von Matthias Lier, der den Lorenz spielt. Ich habe echt eine
Zeit lang gebraucht, um das zu realisieren, denn es ist schließlich ein
90-Minüter und ich habe davor noch nie eine Hauptrolle gespielt.
Jetzt bin ich wirklich gespannt, um was es in dem Film geht.
„HomeSick“ wird ein Psychothriller. Jessica ist Cellostudentin und spielt auf
höchstem Niveau, daher wird sie von einem Gremium aus allen Musikhochschulen
Deutschlands ausgesucht, bei einem Klassikwettbewerb in Moskau Deutschland zu
vertreten. Daher ist sie sehr perfektionistisch und muss sich darauf
vorbereiten. Das ist die eine Sache.
Die andere ist, dass sie gerade mit ihrem Freund Lorenz in die erste gemeinsame
Wohnung zieht, beide da angekommen und sehr glücklich sind. Die Freude wird
aber getrübt durch Vorfälle, die Jessica das Gefühl geben, sie würde von ihren
Nachbarn beobachtet werden. Das spitzt sich derart zu, dass sie denkt, von
einem älteren Ehepaar terrorisiert zu werden. Mit dem Leistungsdruck des
Wettbewerbs und den Ereignissen in der Nachbarschaft steigert sie sich so rein,
dass sowohl der Zuschauer wie auch sie selbst Realität und Einbildung nicht
mehr unterscheiden können. Sie verliert die Kontrolle. Mehr kann ich aber nicht
mehr erzählen (lacht).
Wie bereitest du dich im Hinblick auf das Cello spielen und die emotionale
Reise der Protagonistin vor?
Mich auf die Rolle an sich vorzubereiten, wird ein schwieriger Prozess werden.
Ich versuche, die Figur so gut es geht an mich heranzuholen und zu verstehen,
warum und wie sie handelt. Und was das Cellospiel betrifft... also ich bin
keine Cellistin, das muss ich mir jetzt in 8 Wochen glaubwürdig aneignen.
Natürlich habe ich dabei einen Lehrer, der mir hilft. Ich lerne, wie die
Bogenführung ist, das Fingerspiel, Aufwärmübungen etc. Aber ich werde nicht in
zwei Monaten eine Cellistin werden, wobei ich früher Geige gespielt habe und
ich merke, dass es von Vorteil ist. Außerdem glaube ich, dass mir dieser
Lernprozess hilft, weil ich mich reinbeißen muss und dadurch eine ähnliche
Situation entsteht, wie die von Jessica hinsichtlich ihres Wettbewerbes.
Du bist eigentlich Dolmetscherin. Wie bist du zur Schauspielerei gekommen?
Genau, ich habe Übersetzen und Dolmetschen in München studiert. Aber eigentlich
mit dem Hintergedanken, dass sich das gut mit dem Schauspielern verbinden
lässt. Da das Spielen aber finanziell betrachtet sehr unsicher sein kann, habe
ich mir gedacht, dass ich noch etwas anderes mache. Ich mag Sprachen und das
Studium hat mir insofern viel gebracht, weil ich dadurch in die
spanisch-sprachige Welt gekommen bin und auch meinen Mann kennengelernt habe,
der Mexikaner ist.
Als Quereinsteigerin könnte es noch schwieriger sein, erfolgreich zu werden,
als es sowieso schon ist für ausgebildete Schauspieler. Wie siehst du das?
Ich bin der Meinung, dass es in diesem Beruf keinen großen Unterschied macht,
ob man als Quereinsteiger anfängt oder einen klassischen Weg geht, sprich eine
Schauspielschule besucht. Man kann auf einer Schule definitiv viel lernen, das
steht außer Frage. Aber ich bin auch der Meinung, dass – gerade, wenn man Film
machen möchte – das meiste am Set lernt. Mit freien Kursen kann man vor allem
sehr gezielt arbeiten, weil man sich aussuchen kann, was man speziell machen
möchte und bei wem.
Es gibt wahnsinnig viele talentierte Schauspieler, die Quereinsteiger sind. Es
ist wichtig, dass man mit Herzblut dabei ist und die Energie aufbringt, sich
dahinterzuklemmen. Dann kann es auch klappen.
Durch deinen Mann Caesar Ramos bist du nach Mexiko gekommen und hast dort
auch gedreht. Wie lief das ab?
Ich bin nach Mexiko gekommen, weil ich ihn damals in München kennengelernt
hatte. Er ist auch Schauspieler und wir fingen an zu pendeln zwischen Mexiko
City und München. Als ich 11 Jahre alt war, habe ich mal ein Casting mitgemacht
und die Rolle bekommen. Und als ich Caesar in Mexiko besucht habe, bin ich
gleichzeitig in einen Freundeskreis aus Schauspielerin und Filmemachern
gelandet. Daher ist der Traum dort wieder aufgeblüht und ich habe angefangen,
in Mexiko Schauspielkurse zu belegen.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Schauspieltraining in Mexiko und den Kursen
in Deutschland?
Nicht wirklich. Ich habe in beiden Ländern die „Meisner-Technik“ gelernt und es
war relativ ähnlich. Natürlich haben die Leute verschiedene Herangehensweisen,
aber ich fand es ziemlich identisch.
Du und Caesar habt in Mexiko schon gemeinsam vor der Kamera gestanden. Wie ist
das mit dem eigenen Partner am Set?
Wir haben nur einen Film gemeinsam gedreht, bei dem wir beide als Schauspieler
fungiert haben. Allerdings haben wir da nicht miteinander gespielt. Das Projekt
heißt „Quadro Lunas“ und wurde im Programm beim Filmfestival in Cannes
vorgestellt. Es geht um vier Geschichten, die nicht miteinander verknüpft sind.
Er ist Darsteller in einer Geschichte, ich aber in der anderen. Es ist im
Allgemeinen aber sehr schön, dass man das Projekt teilen kann, man freut sich
für sich und den Partner gleichzeitig.
Bei den anderen Sachen handelte es sich vor allem um Kurzfilme und Musikvideos,
wo Caesar Regie geführt hat und ich gespielt habe. Das ist auf der einen Seite
sehr positiv, weil zwischen uns ein großes Vertrauen ist. Auf der anderen Seite
neigt man natürlich schnell dazu, dass man sich geradeheraus die Meinung sagt
und zwar anders, als man es sonst einem Regisseur sagen würde. Das bringt
manchmal Schwierigkeiten mit sich.
Fühlst du dich besonders von ihm beobachtet, während du spielst?
Nein. Ich habe das Glück, dass ich so viel Vertrauen in ihn und seine Arbeit
habe und er gleichzeitig an mich glaubt, dass mir das alles sehr viel Sicherheit
gibt. In dem Sinne ist die Arbeit sehr positiv, auch wenn man mal
aneinandergerät, aber das ist normal.
Siehst du das Spielen nun als willkommene Abwechslung an oder möchtest du
den Weg weiterhin professionell gehen?
Definitiv professionell. Ich muss sagen, dass ich nur noch ab und zu übersetze,
und zwar schreibe ich Untertitel für Spielfilme, die auf Festivals gezeigt
werden. Das mache ich, weil es mir Spaß macht. Es bringt mir auch als
Schauspielerin viel, denn ich muss mich extrem mit den Dialogen
auseinandersetzen und sie analysieren. Außerdem sehe ich viele Filme, die ich
sonst nicht sehe, weil sie nicht unbedingt ins deutsche Kino kommen. Das ist
ein schöner Nebeneffekt.
Wie geht es nun bei dir weiter?
Unser Dreh ist für November/Dezember angesetzt. Davor werde ich nun die Zeit
mit Vorbereitung verbringen. Ich muss Cello lernen und mich auf die Rolle
einlassen, denn ich bin als Protagonistin an allen Drehtagen am Set und da wird
eine Menge Arbeit auf mich zukommen. Ich freu’ mich drauf.
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