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Litauens Frauen sind die erfolgreichsten in Europa

Jolita Kasalyniene ist Studiengangsleiterin an der Universität Vilnius. Sie glaubt, dass die guten Kinderbetreuungseinrichtungen ihre Karriere geholfen haben.

Chefinnen sind in Litauen keine Seltenheit: 41 Prozent der Führungskräfte sind Frauen. Was Österreich von dem baltischen Land lernen kann.


Jolita Kasalyniene sieht nicht aus wie eine Führungskraft: Sie trägt ein graues, knielanges Kleid und stapft mit müdem Schritt durch die dunklen Gänge der Universität Vilnius. Die 43-Jährige hat erreicht, was in Österreich vielen Frauen verwehrt bleibt - eine Führungsposition. Kasalyniene ist Studiengangsleiterin für den Fachbereich Soziale Arbeit.

Litauen hat die höchste Quote von Frauen im Management in der EU. 41 Prozent der Chefs sind weiblich, in Österreich sind es 29 Prozent. Eine Erklärung dafür zu finden ist nicht leicht. Es könnte an der besseren Ausbildung liegen. 45 Prozent aller erwerbstätigen Frauen haben studiert, bei den Männern sind es knapp 30 Prozent. Österreich ist übrigens Schlusslicht bei hoch qualifizierten Frauen in der EU: Nur 18 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen sind Uni-Absolventinnen.

Loreta Senkute hat gleich zwei Masterstudien abgeschlossen. Die Präsidentin der Jugendorganisation Lijot hat Orientalistik und EU-Politik in Vilnius studiert. Sie argumentiert, dass die Frauen in Litauen vor allem wegen ihrer Überzahl erfolgreich sind. "Es gibt schlichtweg mehr Frauen - ein Mann in Litauen kann zwischen sieben Frauen wählen."

Die Männer seien zudem mehr an Geld interessiert und würden daher oft in EU-Staaten mit einem höheren Lohnniveau gehen. Laut Statistik liegt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern bei 15 Prozent. In Österreich verdient eine Frau im Schnitt 26 Prozent weniger als ein Mann. Eine Erklärung könnte die hohe Rate an Teilzeitbeschäftigung sein: In Österreich arbeiten 57 Prozent der Frauen weniger als 40 Stunden die Woche, was die Erfolgschancen schmälert. Für Litauen sind keine Zahlen bekannt. In dem baltischen Land verzichten aber nur vier Prozent der Frauen aus familiären Gründen auf den Job, in Österreich sind es neun Prozent.

Studiengangsleiterin Kasalyniene hat eine Tochter: "Bis sie ein Jahr alt war, bin ich zu Hause geblieben." In diesem Karenzjahr erhielt sie ihr volles Gehalt. Eltern haben in Litauen zudem vom Zeitpunkt der Geburt bis zur Einschulung Anspruch auf Kinderbetreuung. "Hier könnte die EU von uns lernen", sagt die 43-Jährige. Kasalyniene sieht aber auch kulturelle Gründe, warum die Frauen in Litauen die erfolgreichsten in Europa sind. "In der Zeit der Sowjetunion gab es keine Hausfrauen - jeder musste arbeiten." Die Ideologie verlangte, dass Männer und Frauen die gleiche Arbeit verrichten konnten. Um gewisse Dinge müssen Frauen in Litauen heute nicht mehr kämpfen: "Es ist normal, dass Frauen arbeiten und Kinder in der Krippe oder von der Oma betreut werden."

Für die These des gesellschaftlichen Hintergrunds spricht, dass auch in Lettland, Estland, Ungarn und Polen der Anteil der weiblichen Führungskräfte hoch ist.

Die Litauerinnen sind also erfolgreich, weil sie besser ausgebildet sind und mehr Unterstützung bei der Kinderbetreuung haben. Außerdem sind sie überzeugt, dass sie dasselbe wie Männer leisten können - und sie sind schlichtweg zahlenmäßig mehr. Eine bessere Vernetzung sieht Kasalyniene aber nicht: "Frauen kämpfen allein, um ihre Ziele zu erreichen."

Entstanden im Rahmen von eurotours 2013.

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