Das rot-metallicfarbene runde Ding auf dem Fußboden erregt die Aufmerksamkeit der Polarforscher. Electrolux stellt den ersten Roboterstaubsauger der Welt vor. Bei der Präsentation sind nicht etwa die üblichen Branchenexperten vertreten, sondern drei Herren, die ihren Job demnächst wieder am Südpol ausüben. Wie betrunken schlingert Trilobite über das Podium, irritiert von den vielen Männerbeinen, die um ihn herumstehen. In der Antarktis wird der Sauger die Forscher bei der Bodenpflege der neusten und derzeit innovativsten Forschungsstation Concordia unterstützen. Es ist ein italienisch-französisches Gemeinschaftsprojekt der Polarinstitute ENEA und IPEV.
Das ungewöhnliche Design und die ausgeklügelte Technik der neuen Forschungsstation sollen ab 2004 rund 30 Polarwissenschaftlern das Forschen im Eis auch im antarktischen Winter ermöglichen - wenn sie auf Grund permanenter Dunkelheit, heftiger Stürme und tiefer Temperaturen für rund acht Monate von der Außenwelt abgeschnitten sind.
Um die lange Zeit in der Finsternis physisch und psychisch durchzustehen, ließ sich der italienische Architekt Gianluca Pompili für die Concordia ein ungewöhnliches Gebäude einfallen, das die derzeitige Unterkunft der Antarktisbewohner in Zelten und Containern ersetzen wird: zwei elf Meter hohe Zylinder, die durch eine schmale, überdachte Brücke miteinander verbunden sind und rund drei Meter über dem Eis entfernt auf massiven Stahlstelzen stehen. Für Wohn- und Arbeitsfläche stehen insgesamt 1500 Quadratmeter zur Verfügung, die innerhalb der Zylinder über drei Etagen aufgeteilt sind. Wie Landekapseln wirken die beiden Module in der weiten Eiswüste.
Regelmäßig fegen Schneestürme über die Behausungen der Antarktisbewohner und drohen, sie unter sich zu begraben. Damit die Concordia auf Dauer nicht im Eis versinkt oder allmählich vom Schnee zugeschüttet wird, wurden die Stelzen mit einem hydraulischen System versehen. So kann der gesamte Gebäudekomplex an eine andere Stelle gezogen werden, ohne Metallabfälle im Eis zu hinterlassen.
Das Ökosystem Antarktis gilt seit einer 1997 von allen forschenden Nationen unterzeichneten Vereinbarung für besonders schützenswert. Generell dürfen auf dem sechsten Kontinent keine Rohstoffe abgebaut und nur friedliche wissenschaftliche Zwecke verfolgt werden.
Die Mission der Forscher ist friedlich. 2002 bohrten sie rund 3000 Meter tief in die mächtige Eisschicht und zogen damit den bis dato ältesten Eiskern an Land. Mit Hilfe der schätzungsweise 500 000 Jahre alten Schneeproben versuchen die Wissenschaftler, die Klimageschichte zu rekonstruieren und Vorhersagen zu treffen. Manchmal fällt bei der Bohrung ein Eissplitter für Ingenieur Luigi De Andreis ab. Eine Feier für den Italiener, der den zarten, jahrtausendealten Spliss dann im Tee auflöst. "Ein faszinierender Moment", findet De Andreis. Er hat der Zeit ein Schnippchen geschlagen, das Vergangene ins Heute gerettet - und getrunken.
Seit 1999 arbeiten Mitarbeiter beider Polarinstitute an der Fertigstellung der neuen Station, die auf rund 3200 Meter Höhe im Forschungsgebiet Dome C liegt. Extreme Temperaturen bis zu 50 Grad Celsius unter null und die dünne, trockene Luft erschweren den Aufbau der Concordia. Die Kälte belastet den Körper und mindert seine Reaktions- und Leistungsfähigkeit. "Wenn man nur ein paar Meter läuft, braucht man fünf Minuten, um sich zu erholen", beschreibt De Andreis seinen Zustand. "Es ist, als leide man ständig unter einem Jetlag." Besonders der Wind, der mit einer Geschwindigkeit von mehr als 120 Kilometer pro Stunde über die Eiswüste schießt, vervielfacht die Kälte, die dem Körper Energie raubt.
Die Zeit auf dem kältesten, trockensten und windigsten Kontinent der Erde birgt für die Forscher nicht nur klimatisch eine besondere Herausforderung. Im unendlichen Weiß der Antarktis gibt es, ähnlich wie im Weltall, keine Relationen. Es gibt keine Häuser, Bäume oder Hügel, die helfen könnten, Entfernungen einzuschätzen. Und weil die Krümmung des Globus in der Antarktis anders verläuft als beispielsweise in Europa, sieht man auch den Horizont in einer anderen Entfernung: "In Europa sieht man ihn bereits bei elf, in der Antarktis erst bei 49 Kilometern", erklärt De Andreis.
Architekt Pompili liebt es dagegen pragmatisch. Deshalb hat er den beiden Concordia-Zylindern unterschiedliche, gemäß ihrer voneinander getrennten Funktionen, Bezeichnungen verpasst. Im Gebäude "noisy" befindet sich alles, was Krach macht: Küche, Kantine, lärmträchtige Technik. Im anderen Komplex geht es ruhiger zu - "quiet" heißt der Bereich, in dem sich Schlafräume, Labors und Krankenstation befinden. Sauna, Fitnessraum und zwei kleine Kinosäle sollen den Bewohnern das Leben am Ende der Welt erträglich machen. Der Rest des Wohnbereichs erinnert eher an ein besseres Studentenwohnheim: Die Zimmer sind nicht größer als acht Quadratmeter und in antiseptischem Türkis gestrichen. Pompili weiß, was er tut. Seine Farbwahl hat das Ziel, die Räume größer wirken zu lassen. Gerade in den Wintermonaten, in denen man auf Grund der Klimaverhältnisse die Station nicht verlassen kann, ist die Gefahr unter klaustrophobischen Ängsten zu leiden, groß. Deshalb verwendet der Architekt vorwiegend helle Farben. Um der Behaglichkeit willen verzichtete Pompili auf Metallverkleidungen sowie Kunststoffböden und wählte stattdessen feuerresistentes Holz.
Das Licht spielt im antarktischen Leben eine besonders große Rolle. Von September bis März scheint die ganze Zeit die Sonne. Den Rest des Jahres ist es genau umgekehrt: Es ist die ganze Zeit Nacht. Die Funktion der Fenster ist deshalb sehr wichtig, "sie sollten sich automatisch an die Lichtverhältnisse anpassen", sagt Pompili. Zurzeit arbeitet sein Team an einem elektronischen Vorhang. Dabei wird das Fensterglas automatisch milchig, wenn es hell, und klar, wenn es dunkel ist.
Einen besonderen Einfall für das Leben fernab zivilisatorischer Sicherheit hatte Electrolux, das die neue Forschungsstation mit Waschmaschinen, Trocknern und Küchengeräten versorgt: Die Produktverantwortlichen entwickelten Geräte mit Internetverbindung. So lassen sich Reparaturen oder Programm-Updates online erledigen. Dabei verwenden die Entwickler Militärsoftware, um beim Datenaustausch die größtmögliche Zuverlässigkeit zu garantieren. Alle Geräte funktionieren über einen einzigen Knopf, denn "die Männer kennen sich mit dem Waschen wenig aus", sagt Dino Baggio, Direktor der Entwicklungsabteilung.