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Corona-Masken: Psychologe aus Bamberg erklärt, warum die Mund-Nasen-Bedeckung so wichtig ist

Ein Bild, das bereits seit mehr als zwei Monaten vorherrscht und uns seither tagtäglich begleitet. Die sprichwörtlichen „Masken", der Mund-Nasen-Schutz (MNS), um Mitmenschen vor einer potenziellen Coronavirus-Infektion zu schützen. Und trotzdem: Wirklich gewöhnt haben sich viele Menschen noch immer nicht an das neue Alltagsutensil. Oder wer könnte von sich behaupten den Satz „Ich habe meine Maske vergessen" noch nie gehört zu haben?

Warum die neue Verordnung nicht nur das Infektionsrisiko minimiert, sondern auch immens wichtig ist, erklärt der Psychologie-Professor Claus-Christian-Carbon von der Universität Bamberg gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Er schildert von seinem Initial-Erlebnis zu Beginn der Pandemie, welches ihn auch hinsichtlich seiner weiteren Forschung beeinflusste.

Corona-Mundschutz: Ein wichtiger Alltagsgegenstand

Er erzählt, dass er von seinem Umfeld sofort als ängstlich klassifiziert wurde, weil er bereits vor der gesetzlichen Pflicht eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen habe. Das habe ihn nachdenklich werden lassen. So entstand auch die Studie zur „Erkennung von Emotionen" in welcher er sich mittels Testgruppen der Ausdrucksstärke von mit Mund-Nasen-Bedeckungen verdeckten Gesichtern widmete. Schon damals schlussfolgerte der Psychologe, dass es den Probanden deutlich schwerer fiel, den Gemütszustand einer Person mit Maske zu identifizieren. Seine Botschaft damals: Verstärkt die Körpersprache bemühen, um weiter effektiv kommunizieren zu können.

Denn dass die Sinnhaftigkeit der Maske, nach wie vor, gegeben sei, stehe für den Experten außer Frage. Er erklärt, dass selbst bei augenscheinlich genesenen Patienten dauerhafte Gesundheitsschäden auszumachen seien. Deswegen warnt er auch vor einer drohenden „Erosion". Einem sukzessiven ausloten der Grenzen, wann und wo die Maske abgenommen werden könne. Dies wiederum sei ein schleichender Prozess, der gerade in der aktuellen Lage nicht unterschätzt werden dürfe. Schon Gesundheitsminister Jens Spahn ( CDU) mahnte am 06. August: „Die Bekämpfung des Coronavirus ist kein Sprint, es ist ein Langstreckenlauf." Der Experte macht deutlich: "Wenn wir die Masken gewissenhaft tragen werden wir das Beste dazu beitragen, dass wir sie bald nicht mehr tragen müssen."

Unter der möglichen „Erosion" befürchtet Carbon die schwindenden Vorbilder, die mit dem Tragen der Maske auch andere Menschen zum Aufsetzen ihres MNS animieren. Denn durch die aktuelle Problematik bekämen die Leute keine direkte Rückmeldung, dass mit dem Weglassen das tatsächliche Risiko einer gefährlichen Erkrankung einhergeht.

Menschen sind adaptiv. Längerfristige Bedrohungen werden zum Alltag und die Verhaltensmöglichkeiten werden nach und nach ausgeweitet. Man schaut, „was geht"; das ist eine gute Strategie, wenn man eine Bedrohung, eine Gefahr, gut wahrnehmen kann. Hier scheitert dies, da wir weder die Bedrohungslage genau kennen noch den Virus direkt wahrnehmen können. Der Feind, das Bedrohliche wird so abstrakt und wird aus dem Bewusstsein entfernt", erklärt Carbon. Eine erste Tendenz wie Menschen die Bedeckungspflicht von Mund- und Nasenbereich aufnehmen liefert eine Studie zu psychologischen und psychovegetativen Beschwerden durch die Mund-Nasenschutz-Verordnungen. Demnach würden bereits mehr als 60 Prozent an „schweren Folgen", ausgelöst durch die Mund-Nasen-Verordnungen, leiden. Eine Zahl, die Carbon für problematisch hält.

Mund-Nasen-Bedeckung: "Geht mit gutem Beispiel voran!"

Carbon erzählt, es sei ihm in seiner Studie gelungen, einen Effekt zu quantifizieren, „von dem an die Menschen das Maskentragen als sozial angemessen betrachten." Sprich:Wann halten Menschen es nicht mehr für seltsam, selbst mit Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zu sein. Das sei auch an anderen gesellschaftlichen Entwicklungen zu sehen, wie etwa den Skihelmen, welche nach anfänglicher Skepsis akzeptiert wurden. „Oder in den 70er-Jahren, die Sicherheitsgurte in den Autos. Oder das Rauchen", führt Carbon weiter aus.

Denn bereits nach der bislang noch kurzen Zeit während der Corona-Krise sei ein Effekt in der Bevölkerung ersichtlich. Gegenüber der SZ erklärte er weiter: „Natürlich werden wir keine Masken mehr tragen, wenn die Krise vorbei ist. Aber unser Hygieneverhalten wird sich ändern. Das haben wir verinnerlicht. Das ist akzeptiert." Denn: Aus einer psychologischen Sicht sei es für den Großteil der Menschen wichtig, dass ihr Verhalten von anderen nicht als sonderbar oder merkwürdig wahrgenommen werde. Der Fachbegriff dafür sei „Oddballs". Etwas freier übersetzt also so etwas wie ein Außenseiter. Dieser Wertemaßstab habe sich in Zeiten der Pandemie rasch gewandelt.

Besonders wichtig ist Claus Christian Carbon das Verständnis dafür, was eine Mund-Nasen-Bedeckung bewirken kann. „Es geht ja nicht um den eigenen Schutz. Ich habe ja selber keinen großen Schutz, aber ich schütze meine Mitmenschen. Und das ist das, was wir versuchen, immer wieder zu kommunizieren", schildert er gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Menschen, die sich dieser Tatsache verweigern, beanspruchen seiner Ansicht nach die Freiheit für sich, die Gesundheit der Mitmenschen fahrlässig zu gefährden. „Das ist ein bisschen wie beim Passivrauchen. Natürlich können Sie noch selber rauchen. Aber es schädigt ja auch andere", erklärt er. Um mit den Leugnern in Dialog zu treten, bevorzugt der Experte jedoch andere Wege: "Der erste Schritt muss immer Information, Transparenz, Aufklärung sein. Wir müssen zusätzlich klarmachen, dass es nichts Merkwürdiges ist und auch nicht Widernatürliches, Masken während einer Epidemie zu tragen", so Carbon. Sanktionen oder Bußgelder seien seiner Meinung nach die "Ultima Ratio", das letzte Mittel. "Wir alle sind gefordert, gewisse Einschränkungen im Alltagsleben mit dem Gesamtnutzen gegenzurechnen: Wir müssen vor allem überzeugen und sehr transparent erklären, warum was wieso und für wie lange gemacht werden soll."

"Ich würde einen Gangster-Rapper kontaktieren", so Carbon

Er gesteht aber auch: "Wir sehen den Virus nicht, wir können ihn nicht schmecken und hören und so weiter. Wir können ihn nicht wahrnehmen." Darum sei seiner Ansicht nach das einzige Szenario, bei dem sich auch vehemente Leugner des Virus mit der akuten Gefahr befassen, eines, bei dem so eine Person tatsächlich eine Krankheit live erlebt oder bei einer Person beobachten kann, welche seiner Ansicht nach authentisch berichten könnte. Dazu brauche es anschauliche Experimente, klare Daten. Es sei wichtig zu zeigen, welche Folgen mit Maske und ohne Maske zu erwarten seien. "Hier viel mehr zu investieren und eben auch Menschen mitzunehmen, die heute noch klar gegen Masken sind; ihnen klar zu machen, dass es um den Schutz der Schwächeren geht. All das benötigt viel Zeit und Energie, doch wir müssen das leisten", sagt Carbon.

Eine andere Möglichkeit sei zudem, ein bestimmtes „Role Model", also ein Vorbild zu etablieren, welches mit gutem Beispiel voranginge. Jemand, der in der Öffentlichkeit zeigt, wie wichtig die Maske ist. „In den USA würde ich beispielsweise einen Gangster-Rapper kontaktieren", meinte Carbon gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Diese Methode sei deswegen so effektiv, "weil es konkret ist, weil es klar ist und weil man sich von jenen Menschen besser repräsentiert sieht als von manchen Experten oder Politikern", erklärt Claus Christian Carbon gegenüber inFranken.de. Daher auch sein eindringlicher Appell: "Wir müssen mit vielfältigen Role-Models klarmachen: wir sitzen gemeinsam in diesem Pandemie-Boot und kommen nur gemeinsam wieder raus."

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