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Corona: Erlanger Forscher halten Schluckimpfung für nutzlos

Der Darm ist eines der wichtigsten Organe für das menschliche Immunsystem. Laut der Deutschen Apotheker-Zeitung (DAZ) werden rund 80 Prozent der Immunzellen vom Darm beherbergt. Außerdem ist er neben der Lunge der größte Angriffspunkt des menschlichen Gesundheitssystems bei einer SARS-Cov-2 Infektion. Wie die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg (FAU) nun herausfand, ist die Abwehrkraft des Darms alleine jedoch nicht ausreichend, um tatsächlich eine COVID-19-Infektion abwehren zu können.

Die Studie der Wissenschaftler wurde im Fachmagazin "Frontiers in Immunology" veröffentlicht. Dabei untersuchten die Forscher Blutproben von COVID-19-Patienten. Dabei wurden signifikante Unterschiede deutlich. "Die Anzahl der Abwehrzellen, die als Reaktion des Darms auf die Infektion gebildet werden, war deutlich geringer als an anderen Stellen im Körper", sagt Dr. Sebastian Zundler. Zundler leitet das Team an der medizinischen Klinik 1 das unter anderem für Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie zuständig ist.

Coronavirus befällt den Körper durch Darm und Lunge

Bekannt ist, dass das Coronavirus, SARS-CoV-2, den Körper sowohl über die Lunge als auch den Darm infizieren kann. Deshalb empfehlen die Experten auch allgemeine Hygieneregeln wie das Abstandhalten und häufiges Händewaschen. Zunders Team setzte sich jedoch das Ziel der Wirkungsweise des Virus weiter auf den Grund zu gehen. Die Forscher untersuchten die Möglichkeit systemische Immunität gegen das Virus zu schaffen.

"Wir forschen normalerweise an der Immunantwort sowie Zellwanderungsbewegungen im Rahmen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Da eine Infektion mit COVID-19 aber auch über den Darm möglich ist, haben wir uns entschlossen, unsere Methoden auf das Virus zu übertragen", erklärt Zundler den Grund für die Forschungsarbeit. Die Forscher der Universität verwendeten eine Technik namens "Durchflusszytometrie". Damit können verschiedenen Arten von Immunzellen erkannt und gemessen werden. Untersucht wurde dafür das Blut von Menschen die an COVID-19 erkrankt sind, Patienten, die sich von COVID-19 wieder erholt haben, sowie Menschen die nie infiziert waren.

"Es gibt einen speziellen Mechanismus im lymphoiden Gewebe des Darms, der die Produktion eines Markers namens ‚a4b7 integrin' auslöst. Dieser Marker veranlasst T-Zellen (weiße Blutkörperchen), sich in Richtung Darm zu bewegen, um eine Infektion zu bekämpfen. Anhand dieses Markers können wir erkennen, ob im Blut Lymphozyten zirkulieren, die durch die Immunantwort des Darms entstanden sind", schildert die e Erstautorin der Studie, Dr. Tanja Müller. Auch sie forscht am Universitätsklinikum Erlangen.

Wenig Antikörper im Darm gefunden

"Unabhängig davon, ob die Patienten im Rahmen ihrer Erkrankung gastrointestinale Symptome hatten oder nicht, fanden wir relativ wenige Immunzellen mit diesem Marker im Blut von COVID-19 Patienten. Das könnte an der „Verdünnung" durch Zellen liegen, die an anderen Infektionsorten wie der Lunge gebildet werden. Es ist auch denkbar, dass diese Zellen in andere Organe wandern", führt Müller weiter aus. Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass diese Ergebnisse von Bedeutung für etwaige Schluckimpfungen sein können, die gerade entwickelt werden.

"Sollten nur relativ wenige Immunzellen durch das Virus im Darm geprägt werden, könnte es sein, dass der Darm bei einer Schluckimpfung gegen das Coronavirus ebenfalls nicht genügend Antikörper bilden kann, um eine Immunität zu erhalten", sagt die Forscherin.

Zundler gibt zu bedenken, dass noch mehr Forschungsarbeit zu leisten sei, um die Bedeutung der Ergebnisse zu verstehen. "Unsere Studie trägt zu unserem Verständnis der menschlichen Immunantwort auf die SARS-CoV-2-Infektion bei, aber wir können manche Fragen über die im Darm gebildeten Immunzellen noch nicht endgültig beantworten. Die Auswertung von Proben aus Darm und Lunge wird uns helfen, diese wichtige Frage zu beantworten", meint der Experte.

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