Ein Container steht auf der leeren Bühne. Etwas brennt und im Hintergrund hört man Krankenhausgeräusche. „Ich traue mich nicht hinein", sagt Maike Knirsch zu Björn Meyer. Am Anfang weiß man noch nicht, dass diese Szene zu der Geschichte der Geschwister aus Osnabrück gehört, die vor dem Krankenhausbett ihres Vaters stehen, der sich selbst aus Enttäuschung verbrannt hat, weil seine Geschäfte nicht gut liefen. Aber bereits zu diesem Zeitpunkt spürt man die Verzweiflung in der Luft. So beginnt die neue Inszenierung von Christopher Rüping.
In der nächsten Szene begrüßt Abdoul Kader Traoré das Publikum als Zugbegleiterin einem ewigen ICE, der natürlich Verspätung hat. Der Zug bringt die Zuschauer*innen durch die Geschichten der Protagonist*innen, die auf der Suche nach ihrem verlorenen Paradies sind. Es geht in der Inszenierung um ein chinesisches Ehepaar, das in die italienische Stadt Prato reist, um dort ein besseres Leben zu finden - aber ohne Erfolg. Des Weiteren geht es um eine Kriegsfotografin, die nach Bagdad gekommen ist, um Fotos zu machen, denn „war pays well", und die dann in einem Luxushotel festsitzt, weil ihre Sicherheit sonst gefährdet wäre. Es geht um die weißen europäischen „Gummibarone" in Brasilien Ende des 19. Jahrhunderts, die ihr ganzes Geld bei dem Kautschukboom verdient haben. In seinem Text versucht Thomas Köck die kapitalistische Welt so zu fassen, wie sie ist und greift dabei auf reale Geschichten zurück, die alle die kapitalistische Logik der (Selbst-) Optimierung kritisieren.
Die verschiedenen Szenen werden überwiegend als Dialoge von Maike Knirsch und Björn Meyer gespielt. Obwohl die Inszenierung recht statisch wirkt, sind die einzelnen Geschichten trotzdem interessant. Als verbindendes Element, das ein besonders großes Lob in dieser Inszenierung verdient, gilt die Musik von Christoph Hart, Matze Pröllochs und Julia Förster in Begleitung von der Beatboxerin Lia Şahin. Während der Text eher eine unendliche Flut an Kritik darstellt, von der man sich als Zuschauer*in zum Teil zu sehr überwältigt fühlt, setzt die musikalische Begleitung mit einer verzweifelten, teils wütenden Atmosphäre noch einen oben drauf.
Das schlichte Bühnenbild von Peter Baur unterstreicht zusätzlich die kapitalismuskritische Stimmung. Die Container wurden laut Rüping nicht zufällig als Kulisse der Inszenierung ausgesucht. Symbolisch stellen sie die Absurdität der kapitalistischen Weltordnung dar: Es gibt viele Probleme in dieser Welt, aber keine Lösungen. Das Einzige, was immer konstant bleibt, sind die immer gleich großen Container mit ihren Waren, eine Norm auf die sich die Welt doch einigen konnte.
Durch die Verflechtung der einzelnen Geschichten zeigt die Inszenierung, dass die Suche nach dem eigenen Paradies immer mit einer Enttäuschung enden könnte. Man kann das eigene Schicksal noch rechtzeitig ändern, wenn man früh genug versteht, dass man falsch abgebogen hat. Doch wenn man es zu spät merkt, kann die Suche nach dem utopischen Paradies schlecht enden. So kritisiert das Stück nicht nur die kapitalistische Welt, sondern auch ihre Verblendung.
„Anscheinend haben wir kein Bild mehr", sagt Björn Meyer in seinem Vortrag über das Kautschuk-Imperium, obwohl auf der Leinwand in diesem Moment zum ersten Mal tatsächlich ein Bild erscheint. Ein sehr eleganter Hinweis darauf, dass wir uns alle nochmal Gedanken über unser Weltbild machen müssten.