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Studenten auf Wohnungssuche: "Was derzeit abgeht, ist wirklich Wahnsinn"

Zentral, geräumig und bezahlbar, bitte: Von so einer Wohnung träumt fast jeder Student. Fünf von ihnen erzählen, was sie mit Vermietern und Maklern bei der Suche erlebt haben - und warum sie manchen Besichtigungstermin sicher nicht vergessen werden.

Sie surfen von Couch zu Couch, übernachten in Turnhallen, durchlaufen WG-Casting-Marathons, schreiben Dutzende E-Mails und bekommen oft keine Antwort. Es ist derzeit nicht leicht, als Student eine Wohnung zu suchen.

2,5 Millionen junge Menschen studieren inzwischen an Deutschlands Universitäten, das sind gut 600.000 mehr als noch vor zehn Jahren. Die Zahl der öffentlich geförderten Wohnheimplätze ist laut Studentenwerken allerdings in diesen Jahren nur um drei Prozentpunkte gestiegen. Besonders prekär ist die Lage in Großstädten wie München, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und Berlin.

Doch auch die Studenten haben ihren Anteil an der Misere, denn sie suchen: nicht irgendwo, sondern im In-Viertel, nicht Neu-, sondern Altbau und radfahrerfreundlich nah zur Universität. Hinzu kommen Vorurteile der Vermieter: Studenten - sind das nicht die ohne festes, geregeltes Einkommen? Und feiern die jungen Leute nicht die ganze Zeit?

Hier erzählen fünf Studenten aus deutschen Großstädten, was sie bei der Wohnungssuche erlebt haben - und warum sie manche Besichtigungstermine nie vergessen werden.

Marcel Hagedorn, 22: "Inzwischen bin ich Realist"

"Wenn die Bankierstochter mit ihrem Papa zu einem Besichtigungstermin kommt, weißt du: Du hast verloren. Ich habe das in Köln erlebt, in einem der begehrtesten Viertel nahe der Innenstadt. Der Papa trat im Anzug auf, gab dem Verwalter als Erstes grinsend seine Visitenkarte mit dem Logo einer bekannten Großbank.

Spätestens in diesem Moment wusste ich: Als Student mit wenig Geld braucht es eine Menge Glück, um in Köln eine schöne und bezahlbare Wohnung in Uni-Nähe zu finden. Inzwischen bin ich Realist.

Nach langem Suchen und vielen Massenbesichtigungen bin ich in eine WG in Kalk gezogen - weit außerhalb, aber die Anbindung ist okay. Bei Studenten ist das Viertel nicht sonderlich beliebt, es fehlen ihnen Kneipen und Partys. Mir ist das gleich, denn dafür habe ich ein geräumiges Zimmer.

Ich denke, dass viele Studenten mit zu hohen Erwartungen nach Wohnungen suchen: Sie möchten am liebsten mit dem Fahrrad in die Uni fahren können und Szene-Kneipen um sich haben. Würde ich auch gern. Das ist aber utopisch. Von dieser hohen Erwartungshaltung müssen wir weg, und neue Gebiete erobern! Kalk zum Beispiel.

Drei Jahre bleibe ich hier mindestens noch, bis zum Staatsexamen. Es stört mich nicht, etwas weiter draußen zu wohnen und in urigen Kneipen mein Kölsch zu trinken. Auch hier passiert was, in meiner Straße macht bald sogar ein veganer Supermarkt auf.

Diesen Stress mit der Wohnungssuche im Stadtkern, wo du teilweise bei Besichtigungen mit 40 Leuten in einer kleinen Bude stehst, den mache ich nicht noch mal mit."

Marike Ewert, 23: "Nach der 20. Absage kommen Selbstzweifel"

"Als Erstes, direkt nach der kurzen Begrüßung, machten sie ein Foto von mir. An der Wand hingen schon 30 Bilder von anderen Bewerbern. Dann haben die Bewohner sich etwa fünf Minuten mit mir unterhalten, sie vergaben Punkte und schrieben sie in eine Excel-Tabelle. Bei mir hat's nicht gereicht.

Spätestens nach der 20. Absage kommen die Selbstzweifel: Stimmt etwas nicht mit mir? Bin ich zu spießig? Zu direkt?

Man muss sich immer selbst anpreisen: Man sei kein Putzfanatiker, lege aber sehr viel Wert auf Sauberkeit. Man sei nicht auf der Suche nach einer Zweck-WG, habe aber gern mal seine Ruhe. Total umgänglich eben. Immer dieselben Formulierungen. Ich habe auf dieses ganze Rumgeschleime keine Lust mehr.

Klar, ich lege auch Wert auf Mitbewohner, ein bisschen kann ich diese Castings verstehen. Aber was derzeit abgeht, ist wirklich Wahnsinn: Es herrscht eine Deutschland-sucht-den-super-Mitbewohner-Stimmung. Am schlimmsten ist es in München. Dort bekommen manche über 300 Anfragen, wenn sie ein Zimmer vermieten. Dabei dachte ich, der Stuttgarter Wohnungsmarkt sei krass.

Nach der Schule bin ich für ein Praktikum dorthin gezogen, hatte Monate gesucht, aber nichts gefunden. Die ersten zwei Wochen schlief ich im Büro. Dann entschied ich mich für Couch-Surfing, bin von Wohnung zu Wohnung, mal für eine Woche, mal für zwei, immer war ich von der Gastfreundschaft anderer Menschen abhängig. Irgendwann kam ich in einem Hostel unter.

Nun möchte ich nach München ziehen und dort als Werkstudentin arbeiten. Ich suche jeden Tag und schreibe fleißig E-Mails, doch von zehn Leuten antworten höchstens zwei. Hinzu kommen die exorbitanten Münchner Preise. 700 Euro für ein WG-Zimmer? Das kann und will ich nicht bezahlen. Ich habe schon einen Kumpel in München vorgewarnt: Um seine Couch komme ich wohl nicht herum."

Josef Opfermann, 19: "Nicht mehr duschen! Die Grube ist voll!"

"Als wir den Linoleum-Boden anhoben, sahen wir schwarzen, stinkenden Schimmel. Das erklärte wohl die starke Neurodermitis und den Hautausschlag meiner Mitbewohner und meinen Husten. Es war grausig. So verließ ich nach sechs Monaten meine erste Wohnung.

Ich bin im Oktober vergangenen Jahres nach Hamburg gezogen. Aus Blankenburg, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Vor Studienbeginn verschickte ich an die hundert Bewerbungen für WGs. Wenn ich mal eine Antwort bekam, schrieben die meisten, ich solle abends vorbeikommen. Schwierig aus Blankenburg.

Eines Abends allerdings rief jemand an. Er wolle eine Vierer-WG in einem alten Haus aufmachen mit einem riesigen Garten, sagte er. Das klang toll. Ich zog ein, ohne das Haus vorher gesehen zu haben.

Es war tatsächlich alt, einfach verglaste Fenster, Nachtspeicheröfen, im Winter war es eisig. Das Haus roch modrig, die Küche fiel auseinander und die Dusche, nun ja. Das Haus war nicht ans Wassernetz angeschlossen. Wir hatten eine Sickergrube im Garten, jeden Monat pumpte ein Riesenfahrzeug die Brühe ab.

Die Vermieterin, eine ältere Dame, wohnte im Garten in einem Atelier. Sie klebte uns immer Zettel an die Tür. Der Klassiker: "Bitte nicht mehr duschen! Die Grube ist voll." Ich bin mir sicher: Sie wusste, was mit dem Haus nicht stimmt. Aber mit Studenten in Not lässt sich gutes Geld verdienen. Letztens hat in Hamburg jemand sogar seinen Fußboden an Studenten vermietet.

Zu Anfang war die Zeit in dem Retrohaus echt cool. Ich verstand mich mit meinen Mitbewohnern, wir feierten Partys, hatten ständig Besuch. Genauso hatte ich mir mein Studentenleben vorgestellt. Dann entdeckten wir eben den Schimmel. Nach der Kündigung schmiss uns die Vermieterin sofort raus - und wir bekamen eine Rechnung für eine Stromnachzahlung von 2100 Euro. Im Winter hatten die Nachtspeicheröfen viel Energie gefressen. Das zahlen wir bis zum Jahresende ab.

Inzwischen habe ich zum Glück eine neue Wohnung gefunden. Die Lage ist nicht toll, trotzdem zahle ich 810 Euro warm für 38 Quadratmeter. Was bleibt mir anderes übrig?"

Amelie Traub, 25: "Meine Miete soll um 60 Prozent steigen"

"Ich lebe seit vier Jahren in Hamburg und war bislang von der Wohnungsnot kaum betroffen. Damals war die Situation noch nicht wie jetzt. Ich wohne in der Schanze, also dort, wo jeder hin will. Jetzt zieht meine Mitbewohnerin aus, und ich würde die Wohnung gern behalten. Für 48 Quadratmeter zahlen wir bislang 400 Euro kalt plus 150 Euro Betriebskosten. Das ist in Ordnung.

Jetzt hat mir die Verwaltung einen neuen Vertrag zugeschickt: Darin wird eine Miete von 645 kalt plus 150 Euro Betriebskosten veranschlagt. 60 Prozent Steigerung und an dem Haus ist nichts geschehen, keine Renovierung, nix. Es ist die gleiche Wohnung wie vor drei Jahren. Mein Vermieter sagt: Ich finde Leute, die das - und noch mehr - bezahlen. Also muss ich raus.

Ich hatte gehofft, als Paar mit meinem Freund finden wir schon etwas, auch wenn wir Studenten ohne geregelte Einkommen sind. Wir suchen seit fast drei Monaten nach einer 2-Zimmer-Wohnung. Die schlimmsten Besichtigungen sind die, bei denen man eine halbe Stunde im Flur steht, und dann Fuhre um Fuhre reingelassen wird. Viele Wohnungen sind komplett leer, ohne Küche, Tapeten, manchmal sogar ohne Fußboden. Es kommt auch vor, dass online ein attraktiver Mietpreis steht, der dann bei der Besichtigung 100 Euro höher liegen soll.

Zwölf Euro pro Quadratmeter, das scheint in Hamburg schon normal zu sein. Ich sehe schwarz für Geringverdiener, solange es erlaubt ist, dass ein Vermieter bei neuen Verträgen die Mieten erhöhen kann, wie er will."

Sarah Stüwe, 21: "Das war kein Studentenleben"

"Zum Semesteranfang zog ich erst mal bei Verwandten ein. Ich fand partout keine Wohnung in Berlin, auch weil die Zusage der Uni erst einen Monat vor Semesterbeginn kam. Ich bin blauäugig hingefahren und dachte: Du findest sicher schnell was Schönes. Aber neben dem Medizinstudium blieb kaum Zeit für Besichtigungen.

Drei Monate lebte ich bei der Verwandtschaft, ohne Schreibtisch und Kleiderschrank, gelernt habe ich zwischen spielenden Kindern. Ich lebte aus dem Koffer, wie ein Berlin-Tourist. Die Kartons mit den Klamotten ließ ich zu, weil ich jeden Tag hoffte, endlich etwas zu finden.

Meine Verwandten wohnten außerhalb, in Marzahn. Das macht es schwer, Kommilitonen besser kennenzulernen. Das war kein Studentenleben. Bei den Besichtigungen lief es immer nach dem gleichen Muster ab: Entweder nicht bezahlbar oder total runtergekommen. Wenn sie relativ günstig und schön waren, gab es zu viele Bewerber. Bei einer Wohnung hieß es online: eine Einbauküche sei vorhanden. Die sogenannte Küche war allerdings leer. Die Maklerin zeigte auf einen Holzofen, unter dem man ein Feuer machen muss, um die Herdplatten zu erhitzen.

Insgesamt habe ich mir etwa 40 Wohnungen angeschaut, und immer musste ich alle meine Dokumente überreichen: Schufa, Bürgschaften, am besten noch Kontoauszüge, Kopien vom Ausweis. Allmählich schraubte ich meinen Anspruch runter.

Irgendwann hatte ich Glück. Eine Frau in Moabit hat ihre kleine Wohnung an mich vermietet. Sie fand mich sympathisch. Moabit ist zwar kein sonderlich beliebter Stadtteil; aber ich bin hier zufrieden. Es war ein schönes Gefühl, endlich, nach drei Monaten, meine Klamotten aus den Kisten zu holen. Eine Freundin war erstaunt. Sie sagte: 'Und ich dachte immer, du hast nur diese vier Outfits!'"


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