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Tatort-Sicherung: Beteiligt sich die Polizei am Gläserrrücken?

Beteiligt sich die Polizei am Gläserrrücken?

Persönlich unberührt blieb Klaus Borowski (Axel Milberg) in seiner Tätigkeit als Kommissar fast nie, doch im aktuellen „Tatort" aus Kiel könnte der zu untersuchende Fall ihm näher nicht sein. Seine Patentocher Grete (Emma Mathilde Floßmann) ist es, die ihn brieflich um Besuch bittet, da es in ihrem Elternhaus nicht mit rechten Dingen zugehe. Gretes Mutter, Heike Voigt (Sandrine Mittelstädt), ist vor vier Jahren verschwunden, ob sie tot ist, ist noch immer ungewiss. Ihrem Mann oder seinem engen Freund, Frank Voigt (Thomas Loibl), konnte Borowski damals den mutmaßlichen Mord nicht nachweisen.

Als Borowski im Hause Voigt zu Gast ist, wird auch er Zeuge merkwürdiger Vorfälle. Franks neue Frau, Anna (Karoline Schuch), wird nachts von unerklärbaren Geräuschen, vorbeihuschenden Gestalten und flüsternden Stimmen heimgesucht. Sie ist sich sicher, dass der Geist der verstorbenen Heike dahintersteckt. Annas Glaubwürdigkeit wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass sie schon in der Vergangenheit von Psychosen geplagt wurde, wegen derer sie noch immer Psychopharmaka nimmt.

Borowski beschließt, den Fall „Heike Voigt" wieder neu aufzurollen. Begeistert davon zeigt sich auch seine neue, junge und vor Motivation strotzende Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik), nicht allerdings Frank, der sich von seinem Freund Borowski betrogen fühlt.

Vor lauter Geistergeschichten lässt Borowski wichtige Indizien zunächst außer Acht. Wir haben den Fall einem Realitätstest unterzogen.

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Frage 1: In der aktuellen „Tatort"-Folge ist es oftmals Thema, ob denn nun ein Durchsuchungsbeschluss erteilt werden wird. Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein?

Antwort von Matthias Arends (Pressesprecher der Polizeidirektion Kiel):

Die Befugnisse zur Durchsuchung in einem Strafverfahren sind in den Paragrafen 102 ( Durchsuchung bei einem Beschuldigten) und 103 StPO ( Durchsuchung bei anderen Personen) normiert, der Text gibt hier jeweils die Faktoren vor. Gemäß Paragraf 105 StPO ist eine Durchsuchung im Normalfall durch den Richter anzuordnen, der dann einen Durchsuchungsbeschluss erlässt. Bei Gefahr im Verzuge kann die Durchsuchung aber auch durch die Staatsanwaltschaft oder den eingesetzten Polizeibeamten angeordnet werden - wenn etwa zu befürchten ist, dass durch die Beschlusseinholung der Durchsuchungserfolg gefährdet ist, sprich: Kollegen bekommen mit, dass in der Wohnung aktuell Beweismittel vernichtet werden oder dergleichen. Dann haben die Kollegen naturgemäß auch keinen Durchsuchungsbeschluss, die sie dem Verdächtigen aushändigen. Durch erweiterte Bereitschaftszeiten der Gerichte sind die Fälle der klassischen Gefahr im Verzuge heutzutage aber eher selten.

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Frage 2: „Gaslighting ist eine spannende Sache", meint Kommissarin Mila Sahin (Minute 29), und Borowski weiter zu Kriminalrat Roland Schladitz: „Du kennst doch den Film ‚Gaslight', wo der Mann seine Frau langsam in den Wahnsinn treibt, ne?". Was ist es, das Gaslighting für seine Opfer so schlimm macht?

Antwort von Dr. Bärbel Wardetzki (Buchautorin und Psychotherapeutin in München):

Der Begriff geht auf ein britisches Theaterstück aus den Dreißigern zurück, das den Titel „Gaslight" trägt. Darin treibt ein Mann seine Frau in den Wahnsinn, indem er ein Gaslicht immer und immer wieder an- und ausschaltet, dies auf die Frage seiner Frau hin aber negiert. Stattdessen redet er ihr ein, ihre Wahrnehmung sei getrübt. Das Stück ist ein klassisches Beispiel für Gaslighting: Hierbei manipuliert jemand sein Opfer auf perfide Art und Weise, indem er oder sie Dinge tut, die den anderen Menschen an seiner eigenen Wahrnehmung zweifeln lassen.

Spezifische Verhaltensweisen für Gaslighting sind zum Beispiel, dass man eine Lüge umdreht, oder, wenn man so will, alternative Fakten liefert - à la: heute sage ich etwas, das ich morgen ganz anders darstelle. Somit kann sich die betroffene Person gar nicht mehr auf etwas Verbindliches einstellen. Dem anderen gezielt Dinge auszureden, gehört ebenfalls dazu - alles läuft letztlich darauf hinaus, dass Opfer ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen können.

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