Die massiven Stimmenverluste bei der Europawahl haben die Geldsorgen der SPD verschärft. „Die Finanzlage hat sich in der Tat dadurch nicht verbessert", erklärte Partei-Schatzmeister Dietmar Nietan gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Nach Angaben der Bundestagsverwaltung auf NOZ-Nachfrage bringt jede Stimme oberhalb der Vier-Millionen-Grenze den Parteien 83 Cent ein. Bei einem Verlust von 2,089 Millionen Wählern für die SPD bei der Europawahl am 26. Mai ergibt sich damit ein Minus von 1,734 Millionen Euro.
Als Konsequenz droht offenbar eine Verschärfung des Sparkurses. Bereits nach den Verlusten bei den vorangegangenen Wahlen seien Stellen nicht wiederbesetzt worden oder ausgelaufen, erklärte Nietan in der NOZ. „Für alle Ausgaben ist das Budget runtergefahren worden." Es werde Aufgaben geben, die die Parteizentrale „zukünftig nicht mehr übernimmt". Die Investitionen in den Digitalbereich würden aber fortgesetzt.
Die Frage, ob der SPD die Pleite drohe, beantwortete Nietan mit „nein". Und trotz der zugespitzten Finanzlage solle eine Urwahl der neuen Parteispitze ermöglicht werden. Wie teuer eine Basisbefragung werde, „ist in erster Linie Gegenstand unserer internen Beratungen", erklärte Nietan.
Am kommenden Montag will die Parteiführung über das Verfahren zur Wahl eines oder einer neuen Vorsitzenden beraten. Die SPD sei „eine Partei, die ihre Mitglieder beteiligt", betonte der Schatzmeister. „Innerparteiliche Demokratie kostet Geld."
Ergänzend zu den Sparmaßnahmen sucht die Partei nach neuen Einnahmequellen. So könnten Büroflächen im Berliner Willy-Brandt-Haus vermietet werden. „Die Nachfrage ist da", erklärte Nietan. Zudem hätten einzelne Landesverbände bereits „erfolgreich bei unseren Mitgliedern darum geworben, ihren Beitrag anzupassen".
Nach wie vor hofft die SPD auf grünes Licht des Bundesverfassungsgerichtes für die vor einem Jahr von Union und SPD beschlossene Anhebung der Parteienfinanzierung. Allerdings sei die Partei auch vorbereitet, wenn das Gericht der Normenkontrollklage mehrerer Oppositionsparteien stattgebe. „Bei unserer Finanzierung spekulieren wir nicht, sondern planen seriös", so Nietan weiter. „Beide Szenarien haben wir im Blick."¹
Kurt Beck: Die SPD ist eine schwer führbare ParteiDer ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident und SPD Vorsitzende Kurt Beck hat im Interview die SPD als schwer zu führende Partei bezeichnet. Das Gespräch erschien in dem Interviewband „Was macht...? Ungekürzt!" des Journalisten Aljoscha Kertesz. In dem Buch äußern sich neun ehemalige Spitzenpolitiker, Verbandsfunktionäre und Manager zu den aktuellen Herausforderungen der deutschen und europäischen Politik.
Die SPD ist eine schwer zu führende Partei und „das wird sie auch immer sein", sagte der ehemalige SPD Vorsitzende Kurt Beck im Interview und ergänzt: „Das ist auch ein Grund, weshalb ich dabei bin, dass man eben nicht zum Kanzlerwahlverein mutiert ist, dass man nicht obrigkeitsgläubig ist."
Die Gründe hierfür steckten „ganz tief in den Genen unserer Partei, die von der Obrigkeit immer bekämpft wurde, abgelehnt worden ist. Da hat man eine große Grundskepsis gegen alles, was von oben nach unten versucht wird. Und es ist auch kein ungesundes Empfinden, in den eigenen Reihen ein kritisches Auseinandersetzen mit dem Führungspersonal zu haben."
Gleichzeitig mahnte er Loyalität mit den gewählten Repräsentanten der Partei an: „jemanden zu unterminieren, das ist auf Dauer tödlich. Und warum sollten uns Menschen glauben, dass wir für eine solidarische Gesellschaft sind, wenn wir es selber nicht hinbekommen."
Klare Aussagen kommen auch bei der Frage zu einem möglichen Ende der Koalition mit CDU/CSU: „Da bin ich nicht so schnell. Man muss immer fragen: und dann? Was passiert, wenn einer in der Regierung, die ja bisher zweifelsohne auch in schwierigen Fragen handlungsfähig ist, die Brocken hinschmeißt. Ich habe ernste Zweifel, ob dadurch die Vertrauensbasis gegenüber den Leuten, die anfällig für populistische und rechte Parolen sind, größer wird."
Der ehemalige SPD Vorsitzender ergänzt mahnend: „Die Brocken sind schnell hingeschmissen. Die Scherben, die dabei entstehen, sind schwer wieder zusammengekehrt. Welche Folgen hätte das für Deutschland? Welche Folgen hätte es für die Menschen in Deutschland, in ganz Europa?"
Auf den Höhenflug der Grünen und die Frage der dauerhaften Positionierung vor der SPD angesprochen, antwortete der Vorsitzende der Friedrich Eber Stiftung: „Da warten wir erstmal ab. Solche Sprüche habe ich im Leben schon oft gehört: von den neuen Volksparteien etc. Die Grünen irrlichtern im Moment inhaltlich zwischen der CSU und der Linken und das wird ihnen momentan abgenommen. Auch, weil sie als Oppositionspartei nicht Farbe bekennen müssen. Die müssen keinen Lackmustest machen. Das sage ich ohne Bosheit, es ist einfach so. Ihre Führungsfiguren werden hofiert, auch wenn sie bisher nichts geleistet haben. Ich bin ganz sicher: so wichtig die ökologische Frage ist, die soziale Frage hat, gerade vor dem Hintergrund der Veränderungen in der Welt, eine höhere Bedeutung.²
¹Neue Osnabrücker Zeitung ²Mannheimer Morgen