Als Mädchen war sie in den USA ein Kinderstar. Als junge linke Aktivistin ließ sie die Genossen hochgehen: mit ihrer Kampfansage „Goodbye to all that" (1970) über den Frauenhass in der Linken. Da war Morgan schon berüchtigt. Sie hatte 1968 den ersten Frauenprotest gegen den Miss-America-Wettbewerb auf die Beine gestellt und die radikal-feministische Gruppe W.I.T.C.H. gegründet. 1970 erschien die von ihr initiierte Anthologie „Sisterhood Is Powerful" - der Satz wurde zum internationalen feministischen Schlachtruf. Bis heute berät die 77-Jährige das Magazin Ms., das sie ab 1989 für fünf Jahre als Chefredakteurin leitete. Ihr Podcast „Women's Media Center Live with Robin Morgan" läuft weltweit, Zuletzt erschien von ihr der Gedichtband „Dark Matter". Morgan glaubt, dass die Zeit reif ist für eine neue, echte Frauenrevolution. Warum, darüber hat sie mit EMMA-Redakteurin Alexandra Eul gesprochen.
von Alexandra Eul
Weggefährtinnen kennen dich als die Herausgeberin der Anthologie: „Sisterhood Is Powerful". Der Slogan ist weltweit berühmt geworden. Wenn du diesen Spruch heute hörst, was denkst du dann?
Als ich das Buch gemacht habe, war das Wort „Sisterhood" für mich noch etwas, was wir angestrebt haben. Heute ist die globale Frauenbewegung Realität: in Flüchtlingscamps im Gaza-Streifen genauso wie in den Reisfeldern auf den Philippinen. Wir befinden uns in einer weltweiten Krise, was Politik, Gewalt und die Umwelt betrifft. Und wir haben viele Belege, dass die Frauenbewegung mit dem, was sie schon vor 20, 30 Jahren gesagt hatte, Recht behalten hat.
Und das wäre?
Dass der Auslöser für einen aggressiven oder kriegerischen Umgang mit den Nachbarinnen und Nachbarn nicht nur auf Geografie, Ressourcen, Religion oder politischen Systemen beruht, sondern auch darauf, wie die Gesellschaft ihre Frauen behandelt. Wir Feministinnen haben immer schon darauf hingewiesen, dass die Familie das Spiegelbild des Staates ist. Und wenn die Familie patriarchal organisiert ist, ist es der Staat auch. Die Themen von heute sind also die Themen von damals - ist das nicht auch ein bisschen deprimierend? Nein! Die Basis des erfolgreichen Graswurzel-Aktivismus heute ist die 40 oder sogar 50 Jahre lange Vorarbeit. Das ist so, als ob du eine Pumpe mit Wasser füllst - und erst mal passiert gar nichts. Die Pumpe ist rostig und sie quietscht und es kommt nichts raus. Aber du bleibst dran, und du bleibst dran, und du bleibst dran - und irgendwann fließt das Wasser. Wenn wir mal einen Schritt zurücktreten und die Geschichte betrachten, dann waren wir ganz schön schnell!
Wissen die Frauen in den Graswurzel-Organisationen eigentlich, auf wessen Schultern sie stehen?
Viele schon. Als Ms. oder auch EMMA in den 70er-Jahren gestartet sind, da haben uns die Leute ja noch für verrückt erklärt und gesagt: Der Sache gebe ich sechs Monate, dann hat sich das erledigt. Aber wir sind immer noch da! Feminismus ist zurzeit sogar angesagt. Was ich urkomisch finde! Selbst Shaking-Your-Ass-Beyoncé ist jetzt Feministin. Gut so. Es gibt so viele Teenagerinnen, die Beyoncé schätzen und die werden durch sie dann vielleicht neugierig.
Manche sprechen vom Ausverkauf des Feminismus.
Es hat schon immer die gegeben, die behaupten, der Feminismus sei zu puritanisch - und andere, die behaupten, er sei einfach nicht puritanisch genug. Oder auch: Feminismus sei rassistisch. So ein Unsinn! Women of colour waren von Anfang an in der Frauenbewegung dabei. Die Medien haben das einfach nur verschwiegen. (...)