Auf dem CSU-Parteitag inszenieren sich Laschet und Söder demonstrativ geschlossen. Doch reicht das, um den Abwärtstrend der Union zu stoppen? Statt inhaltliche Akzente zu setzen, warnt man vor allem vor der »roten Gefahr«. Eine Videoreportage aus Nürnberg von Simon Garschhammer und Alexander Schmitt
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Der angezählte Kanzlerkandidat, und der, der es mal werden wollte: Beim CSU-Parteitag schieben sich Söder und Laschet in demonstrativer Einigkeit durch die Menge, ein Ziel vor Augen: das historische Wahl-Desaster doch noch abzuwenden.
»An diesem Wochenende wird Geschichte geschrieben«, hat Söder vollmundig verkündet.
Für Armin Laschet hat man alle Register gezogen: Sein Gesicht hängt an jeder Wand, Junge-Union-Anhänger singen Armin-Chöre.
JU-Anhänger:
»Armin! Bundeskanzler!«
Knapp 900 Delegierte stehen Spalier, als der CDU-Chef die Bühne betritt.
In seiner Rede sucht Laschet die Nähe zu seinem einstigen Nebenbuhler Söder.
»Ich bin sicher, wenn wir die Wahl gewinnen, werden wir beide im Koalitionsausschuss die nächsten Jahre in Deutschland prägen, und darauf freu ich mich, lieber Markus«
Und Laschet weiß, wie man sich bei der CSU-Anhängerschaft Applaus abholt.
»Franz-Josef Strauß hat ja mal gesagt: "Irren ist menschlich, immer Irren ist sozialdemokratisch" und er hat es auf den Punkt gebracht. In all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte, standen Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite.«
Die Delegierten danken es ihm mit stehenden Ovationen. Familienstreit in der Union? Davon will man hier nichts mehr wissen.
Bernd Posselt, ehemaliger EU-Abgeordneter:
»Der Parteitag war ein Parteitag des Aufbruchs und der Armin Laschet hat die Herzen im Sturm erobert. Und so wird er auch das Kanzleramt erobern.«
Manfred Weber, EU-Abgeordneter:
»Armin Laschet wurde heute bei der CSU warm empfangen und er wurde umso heißer verabschiedet. Wir wollen, wir brennen jetzt.«
Edmund Stoiber, ehemaliger Ministerpräsident Bayern:
»Ich glaube, dass heute ein wirklicher Beitrag geleistet worden ist, weil er viele überzeugt hat, die ihn vielleicht politisch noch nicht so kannten, wie er sich heute dargestellt hat: Inhaltsbezogen und immer Schlüsse gezogen. Das ist eine Richtungsentscheidung, wie damals, wie gestern, heute und morgen.«
Die CSU-Urgesteine hat Laschet überzeugt. Doch wie sieht es an der Basis aus? Lobeshymnen und tosender Applaus scheinen die miserablen Umfragewerte zu übertönen. Dabei steht die Union derzeit bei historisch schlechten 22 Prozent.
Woran liegt’s?
Deniz Küçükçankaya, Junge Union-Mitglied:
»Naja, ich glaube schon, dass die Umfragewerte ziemlich mit dem Kandidaten zu tun haben. Das ist das, was die Leute als erstes sehen. Die sehen dann Armin Laschet und die sehen dann Markus Söder.«
Also doch Söder der bessere Kandidat?
Jonas Jezussek, Junge Union-Mitglied:
»Ich sage es wie es ist: Es ist die Wahrheit. Es ist natürlich nichts, was man jetzt groß rausposaunen sollte, die ganze Zeit.«
Anja Haußner, CSU-Delegierte:
»Wir haben wirklich jetzt ein Ziel. Und wir sind zwar die Bayern, wir sind immer etwas Besonderes, das wissen wir. Aber jetzt gibt's ein Ziel und das heißt Armin Laschet.«
Nicht wenige Mitglieder zeigen sich von den ständigen Personaldebatten genervt, sie wollen mehr Inhalte.
Thomas Schaller, CSU-Delegierter:
»Ich glaube, wir haben jetzt in der letzten Zeit versucht, sehr vor den anderen zu warnen. Und wir sollten vielleicht doch eher auf unser Programm setzen und auf die Inhalte, dass wir auch einen Plan für die Zukunft haben.«
Im einstimmig beschlossenen Leitantrag hat man schon mal die Richtung vorgegeben: Konservative Werte schützen, nicht zu viel Veränderung. Ganz nach dem Motto: "Stabilität statt Linksrutsch".
Siegfried Ziegler, CSU-Delegierter:
»Und ich meine, man muss natürlich eines sehen, man darf ja nur nicht den Kandidaten an sich, der vorne steht, sondern man muss ja die Mannschaft sehen, die dahinter steht. Und wenn ich mir das jetzt bei den Roten anschaue, das ist ja, das ist ein Albtraum. Wenn ich mir vorstelle, dass der Hofreiter vielleicht irgendwann noch Landwirtschaftsminister wird. Und wie heißt der Junge? Kühnert, der Nachwuchspolitiker? (Kevin Kühnert?) Ja, genau das der auch noch ein Ministeramt kriegt. Also da wird mir ganz anders.«
Markus Söder wolle keine Rote-Socken-Kampagne 2.0, hatte er gleich zu Beginn seiner Rede am Freitag betont, nur um sich eine halbe Stunde später so zu äußern:
Markus Söder, Parteivorsitzender:
»Saskia Esken, sie schwärmt euphorisch vom demokratischen Sozialismus. Kevin Kühnert, der eigentlich eine Kneipe aufmachen will und nebenbei mal BMW enteignen will. NOWABO, Norbert Walter-Borjans, der einzige Finanzminister, der durch Gericht bestätigt bekam, dass sein Haushalt verfassungswidrig ist. Und Anton Hofreiter, der sich vehement seit Jahren weigert, die erfolgreichen Leistungen des bayerischen Friseurhandwerks anzunehmen, meine Freunde, das ist doch die Realität, das ist kein Schattenkabinett, sondern ein Gruselkabinett, das ist die Wahrheit!«
Nicht nur gegen Rot-Grün teilt Söder aus, auch gegen den ungeliebten Koalitionspartner in München.
Markus Söder, Parteivorsitzender:
»Die Freien Wähler, die ja schon bei einer der Veranstaltungen gesagt haben, sie wollen demnächst den Außenminister stellen, Hubert Aiwanger könnte Außenminister werden.. vielleicht Außengastrominister liebe Freunde. Die Wahrheit ist die, die Freien Wähler sind eine verschenkte Stimme. Die Freien Wähler haben in keiner Umfrage, egal welchen Instituts, nicht einmal in der eigenen Umfrage, eine Chance auf den Bundestag. Liebe Freunde, im schlimmsten Fall riskieren wir über Ausgleichsmandate, dass die Stimmen verteilt werden, an linke Gruppierungen. Die Freien Wähler kommen nicht rein, weil im Westen Deutschlands kennt sie keiner, und im Norden Deutschlands versteht sie keiner, liebe Freunde.«
Söder und Laschet haben die letzten Meter des Wahlkampfs zur Schicksalsentscheidung erklärt: bürgerliche Koalition auf der einen Seite, Linksrutsch auf der anderen. Das drohende Szenario scheint die einstigen Kontrahenten zu vereinen.
Doch wie glaubwürdig ist der Schulterschluss, und kommt er noch rechtzeitig?
Erwin Huber, ehemaliger Ministerpräsident Bayern:
»Also, vielleicht war es auch insgesamt ein bisschen spät, muss ich zugeben. Der Start des Wahlkampfes, der war nicht optimal, aber jetzt sind wir im Tritt und die letzten 14 Tage werden wir diese Entscheidung herbeiführen und wie ich überzeugt bin, mit Armin Laschet als Bundeskanzler in die Zukunft gehen.«
Ob der CSU-Parteitag die Trendwende einläutet ist fraglich. Fehlende Geschlossenheit will sich die Unionsfamilie jedoch offensichtlich nicht mehr vorwerfen lassen.
(12.09.2021)
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