Ein Internetriese, der Buchverlag werden will. Eine Branche im Aufruhr. Und ein Bayer, der sein Glück kaum fassen kann.
Als Oliver Pötzsch sicher ist, dass er wirklich auf der Rückbank einer schwarzen Limousine sitzt und draußen das silbrige Manhattan vorbeizieht, wird ihm eines klar: Er ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Nachdem Amazon 2009 ins Verlagsgeschäft eingestiegen war, hatte der Internetriese weltweit nach einem wie ihm gefahndet, einem Autor, den man präsentieren konnte. Am besten einen, dessen Name bald auf den Bestsellerlisten auftauchen würde. Denn Amazon meinte es ernst mit dem Büchermachen, und das sollten alle wissen, vor allem die altgedienten Verlage. In Bayern hat Amazon Pötzsch gefunden und in atemberaubendem Tempo zum Bestsellerautor gemacht. Dann haben sie ihn in eine schwarze Limousine gesetzt und auf eine Lesereise quer durch die USA geschickt.
Also Oliver Pötzsch, 1970 in München geboren. Ein Mann mit richtiger Frisur und exakt rasiertem Bart. Ein Mann, der mal Journalist war und seit einer Weile lieber Krimis schreibt, die im Bayern des 17. Jahrhunderts spielen. Die Amerikaner lieben ihn, diesen Deutschen mit dem unaussprechlichen Namen. Auf seiner Roadshow von New York nach Seattle gab er Radiointerviews, dinierte mit wichtigen Leuten der Literaturbranche und schlief in Luxushotels mit Pool auf dem Dach. An einem Abend seiner Reise bestellte Oliver Pötzsch Hummer, er war der Star, und er war eingeladen.
Dank Amazon wurde sein Buch "Die Henkerstochter" zum Bestseller in den USA: mehr als 300.000 verkaufte Exemplare, 100.000 gleich im ersten Monat, Platz drei auf der Bestsellerliste der landesweit erscheinenden Tageszeitung "USA Today". Rund ein Zehntel der Auflage bestand aus gedruckten Büchern, der Rest ging in digitaler Form als E-Book an die Käufer. "The Hangman's Daughter", so der englische Titel, wurde zum erfolgreichsten Buch, das Amazon bislang verlegt hat.
Pötzsch steht genau dort, wo sich der Spalt zwischen der alten und der neuen Verlagswelt aufgetan hat. In Deutschland hat er mit Ullstein ein traditionelles Verlagshaus hinter sich, in den USA einen Megakonzern aus dem Internetzeitalter, der ihm das riesige Land zu Füßen gelegt hat.
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