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Wie ein alter Hase: Das Trainerdebüt von Julian Nagelsmann

Bundesliga-Debüt als Cheftrainer der TSG Hoffenheim im Bremer Weser-Stadion: Julian Nagelsmann.

Aus Bremen berichtet Alexander Barklage

Auf dem Weg zurück in die Kabine gab es einen aufmunternden Klapps auf den Rücken von Hoffenheims Pressesprecher Holger Kliem. Soeben hatte Julian Nagelsmann seinen ersten Auftritt als Cheftrainer der TSG Hoffenheim hinter sich gebracht. Nach einem wahren Interview-Marathon gönnte er sich in den Katakomben eine kleine Pause und atmete tief durch, bevor es zur anschließenden Pressekonferenz ging.

Knapp zweieinhalb Stunden zuvor gegen 15 Uhr traute sich Nagelsmann zum ersten Mal ins weite Rund des Bremer Weserstadions. Im TV musste der 28-Jährige sky-Moderator Patrick Wasserziehr Rede und Antwort stehen. Er meisterte sein erstes Interview mit Bravour, genauso wie den gesamten Tag in Bremen als neuer Bundesliga-Trainer. "Ich war nicht nervöser als vor einem Spiel mit meiner U19", erklärte Nagelsmann, der versuchte den Moment einfach auszukosten und nicht so viel Zeit hatte über das Geschehene der letzten Tage nachzudenken.

In einer dunkelblauen Steppjacke und in lässigen grau-weißen Sneakern fiel der Blondschopf nicht groß auf im Gros der Hoffenheimer Spieler und Verantwortlichen, obwohl er stattliche 1,89 Meter misst. Seit Donnerstag hat er das schwere Erbe des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Huub Stevens bei der abstiegsbedrohten TSG angetreten. Eigentlich hätte er erst im kommenden Sommer das Zepter bei den Kraichgauern schwingen sollen.

Kurze Freude und dann wieder voll fokussiert

Erst kurz vor dem Anpfiff betrat Nagelsmann festen Schrittes das Grün des Weserstadions und marschierte an der Seitenlinie entlang Richtung Trainerbank. Mit einem Lächeln im Gesicht begrüßte er per Handschlag seinen Trainerkollegen Viktor Skripnik und Co Torsten Frings. Als der Anpfiff von Schiedsrichter Benjamin Brand ertönte, stand Nagelsmann längst mit verschränkten Armen an der Seitenlinie. Auf den ersten Torjubel musste der ehemalige Spieler der Augsburger Reservemannschaft nicht lange warten.

Mit dem ersten Angriff ging die TSG nach zehn Minuten durch Andrej Kramaric in Führung. Nagelsmann bejubelte den Treffer mit einer schnellen " Stefan Kuntz-Gedächtnis-Säge" und klatschte danach kurz mit seinen Co-Trainern Armin Reutershahn und Alfred Schreuder ab. Emotional wurde Nagelsmann danach kam noch. Gefühlsausbrüche a la Jürgen Klopp wird man von ihm in nächster Zeit nicht bestaunen dürfen. Dafür ist Nagelsmann zu introvertiert und abgeklärt. Er ist zwar extrem jung, aber Erfahrung als Trainer hat er jede Menge. Bereits seit zehn Jahren (!) ist er in verantwortungsvoller Position im Fußball tätig. Sein größter Erfolg war bisher der Gewinn der deutschen A-Jugend-Meisterschaft mit der TSG im Jahr 2014.

1:0 - Sinnbild für Nagelsmann neuen Stil

Der Führungstreffer war sinnbildlich, so Nagelsmann auf der Pressekonferenz, für den Stil den er mit den Kraichgauern in Zukunft spielen lassen will. "Beim 1:0 haben wir in der gegnerischen Hälfte den Ball erobert und dann schnell umgeschaltet und abgeschlossen. So stelle ich mir das vor", analysierte Nagelsmann. Trotz der nur kurzen Zeit mit der verunsicherten Mannschaft stellte der A-Lizenz-Inhaber taktisch um und ließ in der Defensive eine Dreierkette spielen. Mit 23,7 Jahren schickte er eine extrem junge erste Elf auf das Feld. Übrigens. Nur der eingewechselte Eugen Polanski (29 Jahre) war im Kader der TSG älter als Nagelsmann. "Für die kurze Zeit, die ihm mit dem Team zur Verfügung stand, hat er es sehr gut gemacht", lobte Torwart Oliver Baumann, "er verfolgt einen klaren Plan und er hat eine klare Linie."

Trotz Remis: Nagelsmann glaubt an Klassenerhalt

Der Blondschopf trat den ganzen Nachmittag in diversen Interviews höchst professionell und äußerst eloquent auf. Seine Antworten waren kurz, sachlich, aber aussagekräftig. Seine Analysen messerscharf und auf den Punkt gebracht. Auf die Frage, was es ihm bedeute nun der jüngste Bundesliga-Trainer aller Zeiten zu sein, antwortete Nagelsmann schlagfertig: "Diesen Rekord werde ich so schnell nicht ausradieren können, aber es wäre mir lieber, wenn bei Wikipedia über mich steht, dass ich mit der TSG zusammen in der Saison 2015/16 den Abstieg verhindert habe."

Trotz des mickrigen Remis' habe er mehr Zuversicht gewonnen, als Glaube verloren. Bereits am frühen Sonntagmorgen um 10 Uhr stand er mit den Reservisten auf dem Trainingsgelände der Hoffenheimer wieder auf dem Platz. Die Analyse des Spiels mit der kompletten Mannschaft steht am kommenden Dienstag auf den Programm. Dann hat Nagelsmann sicherlich schon verdaut, was in den letzten Tagen auf ihn eingeprasselt ist. In den Geschichtsbüchern hat er sich bereits verewigt.


Erschienen am 15.02.2016 auf Eurosport.de

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