In Bushwick im Norden Brooklyns finden Partys in Yogastudios und Kirchen statt, Buchläden servieren Drinks. Bunter sind nur die allgegenwärtigen Graffiti.
Es gibt immer einen nächsten Stadtteil in New York. Eine Gegend, in der die Mieten noch erschwinglich sind und Künstler und Studenten Platz zum Experimentieren finden. In den Achtzigern war das die Lower East Side, dann Williamsburg und heute ist es Bushwick im Norden Brooklyns. Bushwicks Zentrum ist eine laute Kreuzung unter einer U-Bahnbrücke an der Myrtle Avenue, an der sich Fastfoodketten und One-Dollar-Shops aneinanderreihen. Ein paar Skateboarder kurven durch den dichten Verkehr, aber besonders jung und hip wirkt die Gegend nicht.
Um die Ecken des Industrieviertels auszumachen, deren Besuch sich lohnt, hilft es, einen Einheimischen dabei zu haben. Bei Vibesinternational.com bietet der 28-jährige Partyveranstalter Brian Sweeny Touren durch sein Viertel an. Ich treffe ihn mittags im Skytown Café, einem schummrigen Laden, in dem die Gesichter der Gäste nur von ihren Laptops erhellt werden und bis 16 Uhr Frühstück serviert wird. "In Bushwick ticken die Uhren langsamer als in Manhattan", sagt Brian. "Die Leute laufen nicht im Stechschritt durch die Straßen, sondern haben genug Zeit, sich ihren Leidenschaften zu widmen. Egal ob Musik, Kunst oder Partys - hier kann man mit wenig Geld überleben und seine Träume verwirklichen." Zumindest solange man sie nicht zu hoch steckt.
Federnden Schrittes läuft Brian auf königsblauen Basketballschuhen neben mir her. Er führt mich zu einer Kirche, in der jedes Wochenende Partys stattfinden. In ein paar Jahren soll die St. Mark's Church in einen teuren Apartmentkomplex verwandelt werden, was Brian kritisch sieht: "Ich schätze, es dauert noch fünf Jahre, bis die Gegend vollständig gentrifiziert ist. Noch zahle ich 650 Dollar für mein WG-Zimmer - in Williamsburg wäre es mindestens doppelt so viel." Seine Kumpels und er kämen dank ihrer Kreativität auch ohne feste Jobs gut über die Runden. "Viele meiner Freunde vermieten Zimmer in ihren Wohnungen über Airbnb an Touristen. Andere spielen in U-Bahnstationen auf ihren Instrumenten oder für Geld Schach mit Touristen im Highlinepark im Meatpacking District."
Brian selbst betreibt mit Freunden das Body Actualized Center, ein Yogastudio, das sich abends in einen Club verwandelt, und organisiert Partys in leer stehenden Lagerhallen. In einer von ihnen liegt das Café Little Skips, wo wir Kaffee bestellen. Es ist von außen mit Graffitikunst koloriert und voller Leute, die Brian kennt und abklatscht. "Wir sind eine große Gemeinschaft in Bushwick", sagt er. "Ständig treffe ich bekannte Gesichter - das würde einem in Manhattan nie passieren."
Von der Hektik Manhattans, dessen Wolkenkratzer auf der anderen Seite des East River aufragen, ist in Bushwick nicht viel zu spüren. Als wir durch Straßen mit Wohnhäusern und alten Fabrikgebäuden laufen, fahren nur wenige Autos an uns vorbei. Viele der Geschäfte tragen spanische Namen, denn über die Hälfte der Bewohner Bushwicks stammt aus Lateinamerika. Dazwischen liegen die Enklaven der Bushwick-Bohemiens: Lowbrow Artique, ein Shop für Sprayerbedarf, die Galerie Schema Projects mit Werken einheimischer Künstler und der Buchladen Molasses Books, auf den Brian besonders stolz ist. "Vorher konnte man nirgendwo in Bushwick Bücher kaufen. Letztes Jahr hat mein Kumpel Matthew den Laden aufgemacht. Wir werden langsam erwachsen!" Betritt man das Geschäft, wirkt es allerdings eher wie eine Bar mit ein paar Bücherregalen. Die meisten Besucher hocken am Tresen, statt in Büchern zu blättern. Matthew, der Besitzer, schenkt Bier aus und legt Platten auf. "Wieder eine von deinen Stadtführungen? Super," sagt er. Es klingt wie: "Muss das sein?"