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Wandern in Jordanien: Klang der Stille

Reisereportage Jordanien, www.sueddeutsche.de

Mitten im Naturreservat Dana liegt die von Einheimischen betriebene Lodge

Auf menschenleeren Wanderpfaden führen Beduinen durch Naturreservate im Süden Jordaniens, auf Kamelen geht es durch die einsame Wüste Wadi Rum, selbst in der beliebten Felsenstadt Petra gibt es Routen abseits des Trubels. Und pikante Überreste der römischen Amüsierschlucht.

Diese Stille. Nachts in der Wüste Jordaniens ist kaum ein Laut zu vernehmen. Und wenn doch, dann ist jedes Geräusch klar zu auszumachen: das Bellen eines Hundes, das Meckern einer Ziege. Mehr ist nicht zu hören von der Welt.

Wir liegen auf dem Dach der Feynan Ecolodge im Naturreservat Dana und blicken zum Himmel hinauf. "Wer Kajal benutzt, kann die Sterne besser sehen", erklärt Ali, von dem wir tagsüber im Zelt seiner Eltern eine Einführung in das Leben der Beduinen bekommen haben, die sich rings um das Hotel niedergelassen haben. Ein schwarzer Kohlestrich am unteren Augenlid, so haben wir gelernt, absorbiere die Lichtstrahlen, soll damit vor der Sonne schützen - und bei grellem Licht die Sehkraft erhalten.

Vier Autostunden südlich von Amman hat sich Jordanien seine Ursprünglichkeit bewahrt. Auch wenn die Beduinen nicht mehr auf Kamelen, sondern in Geländewagen durch die weite Landschaft reisen. Selbst wenn sie auf den Rücken ihrer Esel sitzen, rufen sie ganz selbstverständlich ihre Mails auf iPads ab. 80 Menschen leben von der Lodge, einem Sandsteinbau im Stil einer Karawanserei, die von Einheimischen betrieben wird. Sie managen das Hotel, backen Brot für die Gäste, arbeiten als Tourguides und produzieren die Kerzen, die dem Hotel abends als einzige Lichtquelle dienen.

Frühmorgens brechen wir mit Alis Bruder Suleyman und Wanderführer Ra'ed zu unserer ersten Wanderung auf. Erst wirkt die Landschaft karg wie auf dem Mond, doch je weiter wir das Flussbett eines Canyons hochwandern, desto grüner wird es. Wir laufen an blühenden Oleanderbüschen, Kapernsträuchern und Jojobabäumen vorbei und hören in der Ferne das Rauschen des Flusses. Später stehen wir bis zu den Hüften im Wasser. Eine angenehme Erfrischung, denn selbst im Frühling kann es in Feynan wärmer als 34 Grad werden.

Meterhoch ragen die Felswände im Wadi Ghuweir auf. (Foto: Aileen Tiedemann)

In einer Schlucht, die steil wie eine Kathedrale ohne Dach aufragt, kocht Suleyman auf offenem Feuer Tee, während wir unsere flussnassen Wandersocken auswringen. Er erzählt von Wölfen und Hyänen, die nachts über die Bergkuppen streifen, und davon, dass er niemals in einem Haus leben könnte. "Ich schlafe lieber unter den Sternen", sagt er. "Ich habe mein Leben lang Ziegen gehütet und liebe das Gefühl von Freiheit, dass man dabei hat. Wenn ich drei Tage im Hotel gearbeitet habe, muss ich wieder raus in die Natur."

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