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Auf fremden Sofas um die Welt - Ein Couchsurfer aus Dresden erzählt

Länger als ein paar Wochen verbringt Nicky meist nicht in seinen eigenen vier Wänden. Der 39-jährige Dresdner ist unaufhörlich begierig nach Reiseabenteuern und neuen Begegnungen in fremden Ländern. Auch der vereinbarte Termin für ein Treffen bei ihm zu Hause ist deshalb zeitlich begrenzt: Erst seit wenigen Stunden ist er aus Prag zurück und am nächsten Tag geht es morgens weiter nach Tunesien. Mehrere Wochen möchte er durch das nordafrikanische Land reisen.

Begonnen hat seine Leidenschaft im Jahr 2011. Von einem Tag auf den anderen gab der Sachse, der vor seiner bislang endlosen Reise als Blogger sein Geld verdiente, seine Wohnung mitsamt seinen Besitzgütern auf. „Ich hatte das Gefühl, mir fällt die Decke auf den Kopf. Ich musste raus hier", blickt Nicky zurück. Es folgten Reisen um den gesamten Globus: Jordanien, Island, Thailand, Aserbaidschan, Iran, Brasilien, Libanon und Japan sind nur einige seiner zahlreichen Stationen.

„Reisen ist für mich billiger als wohnen", erklärt er. Für eine Unterkunft gibt Nicky in seinem Reiseland oft kaum Geld aus: Anstatt mit Zügen oder Bussen reist er, wenn möglich, per Anhalter und an Stelle von Hotels schläft er auf fremden Sofas, deren Besitzer er über die Plattform Couchsurfing kontaktiert. „Du kannst in Äthiopien, Australien oder Frankreich in ein Hotel gehen und weißt immer was dich erwartet. Beim Couchsurfing weißt du nie was passiert - das hat Charme", sagt Nicky.

Bewertungen bieten Schutz

Das Prinzip von Couchsurfing ist simpel: Mitglieder verifizieren sich über ihre Handynummer, Personalausweis, Adresse oder eine Anmeldungsgebühr. Wer Reisende auf seinem Sofa aufnehmen möchte, gibt das entsprechend an und erhält nach vereinbartem Besuch eine Bewertung seiner Gäste. Das soll verhindern, dass vermeintliche Couchsurfer mit bösen Absichten den Besuch einer unbekannten Person ausnutzen. Eine schlechte Bewertung kann nachfolgende Couchsurfer warnen, dass sie möglicherweise Unangenehmes erwartet. Trotz dieses Schutzmechanismus' hat auch Nicky schon unangenehme Erfahrungen auf Reisen gemacht: Gastgeber, die plötzlich Geld forderten oder versuchten, sexuell übergriffig zu werden.

Dabei ist er vermutlich Dresdens aktivster „Couchsurfer". Über 659 Referenzen von anderen Mitgliedern der Couchsurfing-Community im Netz schmücken sein Profil. Auf seinem Dresdner Sofa schliefen nach eigener Schätzung bereits rund 150 Menschen aus der ganzen Welt. „Ich versuche, die Leute immer wieder zu erinnern, dass das Wichtigste eine Referenz ist", sagt Nicky, der seinen Nachnamen ungern in der Zeitung lesen will und sich bei Couchsurfing „Adventurous Traveler" nennt. Wenn Nicky hingegen über die große Mehrheit seiner positiven Couchsurfing-Erlebnisse spricht, kann er vor Begeisterung kaum aufhören: „Auf diese Art und Weise lerne ich während eines interkulturellen Austauschs Ecken kennen, die ich sonst nie entdecken würde."

Freizügiger Gastgeber

In seiner Dresdner Wohnung empfängt Nicky seine Gäste übrigens in den Sommermonaten nackt - teilt das auch offen in seiner Profilbeschreibung mit. Zwar ist das für den ein oder anderen Besucher gewöhnungsbedürftig, doch für den Dresdner passt das Ausleben einer freien Körperkultur sehr gut zum toleranten Grundgedanken der Couchsurfing-Community: „Ich möchte Gästen diese Kultur näher bringen. Als Ostdeutscher bin ich mit Nacktheit groß geworden. Nackt sein hat für mich nichts mit Sexualität zu tun." Neben Pizza- und Brettspielabenden oder Picknicks an der Elbe organisiert er in naher Zukunft einen kleidungsfreien Kochabend innerhalb der Couchsurfing-Community.

Die Zahl der Couchsurfing-Mitglieder, die in Dresden ihr Sofa anbieten, ist aber vergleichsweise gering: Zwar sind bei Couchsurfing über 17.000 potenzielle Gastgeber in der sächsischen Landeshauptstadt registriert, jedoch nur 400 von ihnen waren binnen sieben Tagen auf dem Portal aktiv. In Prag sind es mehr als doppelt so viele und in Berlin sogar über 2600 Gastgeber, die sich innerhalb einer Woche bei Couchsurfing mit ihrem Profil anmelden.

Als alteingesessenes Mitglied sieht Nicky die stetig steigende Anzahl an Reisenden bei immer weniger Gastgebern kritisch: „Viele junge Leute melden sich an und denken: Cool, eine kostenlose Übernachtung. Nur wenige wissen um die familiären Werte der Couchsurfing-Gemeinschaft." Diese Gemeinschaftsgefühl erlebt er bereits kurz vor seiner nächsten Reise: Als auffällig aktives Mitglied erhält er vor seinen Reisen bereits Einladungen für Übernachtungen.

Was oder wer ihn erwartet, weiß Nicky wie immer nicht. Genau das macht für ihn den Reiz aus, löst einen Adrenalin-Pegel aus, wie er sagt. Reiseziele gehen ihm nicht so schnell aus: „Vor allem den amerikanischen Kontinent habe ich bisher kaum bereist", weiß Nicky bereits, wo seine nächste Reise hingehen soll - wenn er nicht gerade Gäste auf seinem eigenen Sofa empfängt.

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