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Neuer Anwalt von Stephan E. kommt aus dem Pegida-Umfeld

Dresden/Karlsruhe

Die Nachricht am Dienstagmittag kam überraschend: Der inhaftierte Neonazi Stephan E., der dringend verdächtigt wird, Anfang Juni den CDU-Politiker Walter Lübcke erschossen zu haben, hat sein Geständnis widerrufen. Und sie geht mit einer zweiten Nachricht einher, die unmittelbar damit zusammenhängen mag: Stephan E. hat seinen Verteidiger gewechselt.

Der Dresdner Rechtsanwalt Frank Hannig hat das Mandat übernommen, er sei vom Bundesgerichtshof als Verteidiger von Herrn E. bestellt worden, wie er schriftlich auf eine Anfrage des RND mitteilte. Und auch Hannig selbst ist in der rechten Szene ein Begriff.

Bekannt ist Hannig vor allem als „Pegida-Anwalt". Nach älteren Recherchen von „Correctiv" leitete Hannig 2015 die Gründungsversammlung des Pegida Förderverein e.V. - in Anwesenheit von Lutz Bachmann, der Schlüsselfigur der rechten Bewegung. Ein Amt hat Hannig bei Pegida allerdings nie innegehabt und betont stets, lediglich seinen juristischen Rat mitgegeben zu haben. Als Gastredner trat er im April 2017 dennoch bei einer gut gefüllten Pegida-Versammlung auf.

Das Youtube-Video dieses Tages ist noch verfügbar und zeigt, wie er dem jubelndem Publikum seine Rolle im „Arnsdorf-Prozess" erklärt. Dort erreichte er als Verteidiger die Einstellung des Verfahrens gegen vier Männer, die einen psychisch kranken Flüchtling mit Kabelbindern an einen Baum vor einem Supermarkt festbanden. Auf der Bühne spricht Hannig in scharfem Ton von einer „Hexenjagd" und bezeichnet die Medien als „neue Henker". Der Fall sei aufgebauscht worden und hätte es unter normalen Umständen gar nicht in eine Zeitung geschafft. Lutz Bachmann stellte das Video selbst bei Youtube online und nennt Hannig unter dem Video den Verteidiger von vier Arnsdorfern, „welche für ihre Zivilcourage bestraft werden sollten".

Hannig will seriös und eloquent wirken

Familienvater Hannig gilt als sehr gut vernetzter Jurist - auch weit über die Landehauptstadt hinaus. Als Anwalt für Rechtsextreme oder Rechte allerdings will er nicht gelten. Auf seiner Webseite, die halbseitig von einem schwarz-weiß-Porträt hinterlegt ist, schreibt er über sich: „Frank Hannig = Persönlichkeit + Strategie + Erfolg". Sein Auftritt ist seriös gestaltet, elegant und stilvoll.

In selbstgedrehten Videos, die er auf Facebook teilt, will er dieses Bild durch eloquente Redebeiträge inhaltlich verfestigen. Immer wieder erklärt er dort etwa: Er vertrete zwar gefährliche Straftäter und mitunter auch Mörder, aber nicht deren Ansichten. „Wir sind nicht die Sympathisanten unserer Mandanten", so Hannig. Er trete für faire Verfahren und die Durchsetzung des Rechtsstaates ein.

Im Gegensatz dazu ist sein Vorgänger, Stephan E.s erster Pflichtverteidiger Dirk Waldschmidt, klar der rechtsextremen Szene zuzuordnen: Waldschmidt aus der osthessischen Gemeinde Schöffengrund zählte lange zu den führenden Köpfen der hessischen NPD und wurde 2006 zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der rechtsextremen Partei gewählt. Als Rechtsanwalt vertrat er etliche Gesinnungsgenossen, 2016 verteidigte er den Kasseler Neonazi Bernd T., Anführer der Neonazi-Truppe „Sturm 18". Im Gegensatz zu Waldschmidt ist der Dresdner Hannig keiner, der sich auf rechtsextreme Mandanten spezialisiert hat.

Als CDU-Mitglied Angela Merkel verklagt

Dennoch finden sich unter seinen Fällen etliche interessante: Hannig vertritt neben Stephan E. aus Kassel unter anderem den Dresdner Justizbeamten, der im Fall der tödlichen Messerattacke in Chemnitz den Haftbefehl ins Netz gestellt haben soll. 2010 zeigte er - damals selbst CDU-Mitglied - Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen des Kaufs von Datenträgern aus der Schweiz mit den Namen von Steuersündern an.

Zu DDR-Zeiten war Hannig inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Erst im April stand Hannig wegen Subventionsbetruges vor dem Amtsgericht Dresden. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage von 1500 Euro eingestellt. Heute ist Hanning parteilos, wurde jüngst (am 26. Mai) für die Freien Wähler in den Dresdner Stadtrat gewählt - zusammen mit der Buchhändlerin Susanne Dagen, die als Scharnier zwischen dem Schriftsteller Uwe Tellkamp und den Intellektuellen der Neuen Rechten in Schnellroda, Ellen Kositza und Götz Kubitschek dient. Sie sollen nach der konstituierenden Sitzung eine Fraktion im Stadtrat bilden - die dort als noch rechts von der AfD angesehen wird.

Geständnis durch Widerruf nicht unbrauchbar

Politisch ist Hannig also aktiv. Wie der Kontakt zu Stephan E. zustande kam, ob sie sich bereits kannten, oder einen gemeinsame Bekannte haben, ist bislang unklar. Hannig selbst äußert sich dazu nicht. Klar ist, dass Stephan E. einen Antrag für den Verteidigerwechsel gestellt hat. Gemäß Paragraph 142 der Strafprozessordnung hat der Beschuldigte in solchen Fällen auch das Recht, „innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen. Der Vorsitzende - in dem Fall der Bundesgerichtshof - bestellt diesen, „wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht".

Aber nicht nur der Austausch eines Pflichtverteidigers lässt die Verfahrenskosten steigen, sondern auch die Tatsache, dass der neue Verteidiger aus Dresden kommt. Normalerweise sind ortsansässige Pflichtverteidiger zu wählen. Dass Stephan E. sein Geständnis widerrufen hat, könnte außerdem die Dauer des Verfahrens steigern - und somit ebenfalls die Kosten, die zunächst an die Landeskasse fällt. Das Geständnis ist durch den Widerruf im Übrigen nicht zwingend hinfällig. Ob und wie es in der Anklage oder im Urteil verwendet wird, entscheiden die Ermittler. Stephan E. hatte schließlich detailreiche Angaben gemacht - die nun überprüft werden müssen.

Von RND/Julia Rathcke, Jan Sternberg und Aaron Wörz
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