Elisabeth Werder

Freie Journalistin & Texterin, Diespeck

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Auch ohne Explosion spannend

Mit James Bond-Romantik hat das Arbeiten für den deutschen Geheimdienst nicht viel gemeinsam. Dafür umso mehr mit Teamarbeit, Diskretion und ständig neuen Herausforderungen. Ob Geo-, Politik- oder Sprachwissenschaften – hier arbeiten Expert*innen aus unterschiedlichsten Disziplinen.  

 

Text: Elisabeth Werder

 

Fast alle Länder der Welt arbeiten mit Geheimdiensten. Ihre Aufgabe ist es, Informationen über andere Staaten und Themen zu beschaffen, die für die Regierung von hoher Relevanz sind: Zum Beispiel über Terrororganisationen, den internationalen Drogenhandel oder aus Kriegs- und Krisengebieten. In Deutschland übernehmen diese Aufgaben der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der militärische Abschirmdienst (MAD). Der BND ist der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik, das heißt er beschafft und analysiert wichtige Informationen im internationalen Kontext. Der BfV ist eine Art Frühwarnsystem: Seine Aufgabe ist es, extremistische Bestrebungen frühzeitig zu erkennen, zum Beispiel wenn jemand in Deutschland ein Attentat plant. Der MAD schützt unter anderem die Bundeswehr gegen Sabotage und Spionage.

 

Spioninnen und Agenten

 

Informationsgewinnung, Analyse und Berichterstattung gegenüber der Bundesregierung – diese drei Säulen bilden im Wesentlichen das Kerngeschäft des BND. Neben den Hauptstandorten in Berlin-Mitte und Pullach bei München gibt es zum Beispiel auch Außenstellen in Schöningen, Rheinhausen, Bad Aibling und Gablingen. Natürlich gehört es zum operativen Geschäft der Informationsgewinnung, den Schreibtisch zu verlassen. „Als Operateur beim BND braucht man vor allem ein Gefühl für Verantwortung. An oberster Stelle steht für uns die Sicherheit unserer Quellen. Eine halbe Stadt zu verwüsten, wie man es in den ersten Minuten von ‚James Bond – Spectre‘ sehen kann, ist aus nachrichtendienstlicher Sicht – gelinde gesagt – etwas ungeschickt. Auch hat der BND keine exekutiven Befugnisse und schon gar nicht eine ‚Licence to Kill‘, erklärt Sebastian W. auf der Website des BND unter der Rubrik „Mitarbeiter-Stories“.

 

Er wurde Anfang der 90er Jahre in den gehobenen Dienst eingestellt und war zunächst vier Jahre als Analyst tätig, bevor er als Operateur für den HUMINT-Bereich (Human Intelligence) ausgebildet wurde. In dieser Rolle verantwortet man den Kontakt zu Personen mit Zugang zu interessanten Informationen. In den darauffolgenden 20 Jahren hat er zehn verschiedene Identitäten angenommen, ist viel gereist und hat eine größere Zahl von Quellen selbst angeworben und geführt. Sein Fazit: „Ich kann jeder jungen Kollegin und jedem jungen Kollegen nur raten, sich möglichst früh ein Bild von der operativen Praxis zu machen. Die ist auch ohne Explosionen immer noch spannend genug!“

 

Über 400 Berufsfelder vereint

 

Der Weg zum Spion oder zu Spionin führt über den klassischen Werdegang im öffentlichen Dienst. Die Beschaffung der Informationen erfolgt unter anderem mittels menschlicher Quellen, die geheime Informationen verraten; durch das Abhören von Kommunikation in Krisengebieten, das Auswerten von Satellitenbildern und das Analysieren offener Informationen. Für diese Aufgaben braucht es Fachkräfte und Expertinnen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: Zum Beispiel Geowissenschaftlerinnen, Übersetzer/Dolmetscher, Politikwissenschaftlerinnen oder Psychologen. „Wir vereinen eine dreistellige Zahl an Disziplinen, aus denen unsere Fachkräfte kommen, unter einem Dach und haben derzeit etwa 20 unterschiedliche Stellenausschreibungen auf unserer Website“, erklärt Martin Heinemann. Er ist der Pressesprecher des BND und als Leiter der Kommunikation einer der wenigen Mitarbeiter, dessen Gesicht der Öffentlichkeit bekannt ist. „Wir sind ein geheim arbeitender Nachrichtendienst. Das heißt, wir müssen unsere Arbeit abschirmen: Wir schützen unsere Quellen, Methoden und unsere Mitarbeiter“, erklärt er. „Dabei wollen wir aber nicht mystifiziert werden, sondern als das genommen werden, was wir sind: Ein fest im gesellschaftlichen System verankerter Dienstleister, der auf hohem Niveau Hintergrundberichte für die Entscheidungsträger in Regierung und Parlament liefert.“

 

Im Zuge seiner Arbeit gerät der BND allerdings auch immer wieder in die öffentliche Kritik: Sei es die Überwachung von Investigativ-Journalist*innen, die NSA-Affäre (2015) oder in der Nachkriegszeit das gezielte Rekrutieren von NS-Verbrechern, wie eine neue Studie des Historikers Gerhard Sälters zeigt. „Der BND ist eine Behörde nach Recht und Gesetz. Wir werden von einer Vielzahl an Aufsichts-, Kontroll- und Koordinierungsgremien der Regierung, von den Medien und der Öffentlichkeit kritisch begleitet und kontrolliert. Es wird also schnell offenbar, wenn mal etwas nicht läuft. Was die „Nazi-Bezüge“ angeht, so sind wir stolz darauf, dass Gerhard Sälter seine Erkenntnisse im Auftrag und auf Kosten des BND zutage gefördert hat: der BND hat nämlich über fast zehn Jahre eine Unabhängige Historikerkommission die Entstehungs- und Frühgeschichte des BND erforschen lassen“, erklärt Heinemann.

Wege zum Nachrichtendienst

 

Bewerben können sich beim BND sowohl akademische Fachkräfte als auch Menschen, die Nachrichtendienstliche oder Technische Ausbildung absolvieren möchten. Auch ein duales Studium, sowie Bachelor- und Masterstudiengänge werden angeboten. Außerdem können Hochschulabsolvent*innen als Trainee einsteigen: Das SIGINT-Traineeship ist eine Laufbahnausbildung im gehobenen technischen Dienst und richtet sich sowohl an Technik-Absolventinnen als auch an Sprachwissenschaftler (siehe Interview auf Seite VI).

 

Geisteswissenschaftler*innen starten in der Regel als Analyst*innen durch. „Die Analyse und Bewertung der politischen, volkswirtschaftlichen und militärischen Lage in anderen Ländern ist eine spannende Aufgabe zum Beispiel für Politikwissenschaftler“, weiß Heinemann. Auch Geowissenschaftler*innen sind heiß begehrt: „Für den Umgang mit Geo-Analysesystemen brauchen wir gute Fachleute. Wir erstellen selbst Karten, 3D-Produkte und Webdienste. Außerdem haben unsere Geo-Fachkräfte die Aufgabe, verbindliche Aussagen für unsere Berichterstattung zu treffen, die wiederum als Entscheidungsgrundlage für die Regierung und das Parlament dienen.“

 

Umfangreicher Backgroundcheck

 

Die Sinnhaftigkeit des Berufs ist für viele Mitarbeiter*innen Treiber und Motivation. Sie möchten einen konkreten Beitrag zur Sicherheit der Bundesrepublik und für die Interessen Deutschlands leisten. Wer sich dazu berufen fühlt, sollte neben hervorragenden Fachkenntnissen vor allem Teamfähigkeit und Interesse an Politik und dem internationalen Weltgeschehen mitbringen. Auch ein gewisses Faible für das Schreiben sind von Nöten: Sauberes und gewissenhaftes, wissenschaftliches Dokumentieren und Bewerten von Erkenntnissen ist der Kern der Arbeit. Weitere nützliche Eigenschaften sind Offenheit für neue Denkweisen, Flexibilität, Kreativität und der Mut, Entscheidungen zu treffen.

 

Neben der persönlichen Eignung sollten Bewerber*innen deutsche Staatsangehörige sein und die Bereitschaft mitbringen, sich einer umfangreichen Sicherheitsprüfung zu unterziehen. „Wir beleuchten den Hintergrund und wollen zum Beispiel Auskunft über Polizeibekanntheit und Auslandsbezüge kennen“, erklärt Heinemann. Wer die Sicherheitsprüfung der Stufe drei übersteht, hat die Chance auf einen zukunftssicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst. Dazu zählen eine Bezahlung nach TVöD inklusive einer Sicherheitszulage beziehungsweise eine Beamtenbesoldung, die Option in Teilzeit zu arbeiten und die Möglichkeit, auf Wunsch temporär im Ausland zu arbeiten. Durch die Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten und ein eigenes Rotationsprinzip gibt es außerdem Raum, sich weiterzuentwickeln. Die besonderen Herausforderungen des Berufs, wie beispielsweise der Einsatz in Krisenländern, machen eine spezielle zusätzliche Ausbildung notwendig.

 

Einblicke über Social Media

 

Der Spagat zwischen Geheimhaltung und Transparenz erfordert Kreativität: „Wir wollen die besten Köpfe und die größten Talente – die bekommen wir nicht, wenn wir als Arbeitgeber auf Tauchstation gehen, vor allem in Konkurrenz mit anderen Behörden und der freien Wirtschaft. Deshalb betreiben wir eine Website, einen Youtube-Kanal und sind auf Instagram aktiv“, sagt Heinemann. Auf dem Kanal @bndkarriere gibt es verschiedene Formate, die Einblicke in die Geheimdienstwelt bieten. Dazu gehört #OFFICESOFBND, erklärt Martin Heinemann: „Da wir nicht die Gesichter unserer Mitarbeiter zeigen dürfen, fotografieren wir stattdessen Gegenstände aus dem Büro und erzählen damit etwas über die Persönlichkeit dahinter. Schließlich arbeiten hier auch ganz normale Menschen mit Hobbys, Leidenschaften und Ehrenämtern.“