"Kesslers Expeditionen"
Komiker und Schauspieler Michael Kessler ist wieder auf Expedition für den rbb - wie immer ohne Drehbuch. Eine Begegnung.
Elisa von Hof
Mit dem Schlauchboot in die Oberlausitz, mit einem Esel durch die Uckermark, auf einem Husky-Schlitten durch den Spreewald. Ja, ein Klapprad hat er auch mal gefahren und mit dem Aufsitzrasenmäher ist er auf den Brocken getuckert. Michael Kessler (49) hat einen Faible für ungewöhnliche Fortbewegungsmittel. Und für Brandenburg. Immer wieder kehrt er mit seiner rbb-Sendung "Kesslers Expeditionen" hierhin zurück. So wie jetzt. "Für mich ist es ein bisschen, wie nach Hause kommen", sagt er bei den Dreharbeiten.
In zwölf Tagen hat er nun mit dem Fahrrad rund um Berlin ungefähr 400 Kilometer zurückgelegt. Auf dem Wasser und an Land. Denn sein Rad ist schnell umgebaut. Innerhalb von zehn Minuten kann er dem Gestell zwei große, gelbe Schwimmflügel verpassen. Schwimmkufen nennt er die. Damit schwimmt, tritt, fährt er über die Berliner Seen. Von Grünheide nach Fürstenwalde, über den Scharmützelsee nach Trebbin, weiter von Birkenwerder nach Strausberg. Sehen kann man das am 14. und 21. Oktober um 20.15 Uhr im rbb.
Wenn er an einem Dorf vorbei fährt, wo er schon mal gedreht hat - und bei sieben Expeditionen in Brandenburg kann das schon mal vorkommen -, dann ist das ein bisschen so, als ob ein alter Kumpel mal nach dem Rechten schaut. "Micha", rufen die Leute da, "komm her und setz dich zu uns". Und Kessler macht das, meistens. Inzwischen kennen hier tatsächlich fast alle seine Sendung. Der Taxifahrer, der die Hotelrouten am Straussee abfährt, - "Ach, ist der Kessler wieder bei uns?" - oder der Fischer in Caputh, mit dem er schon bei einer der letzten Expeditionen angelte.
Der hat Kessler nun ganz zufällig auf seinem Wasserfahrrad entdeckt, wie er sich abstrampelte am Templiner See, und ihn gleich zu sich ans Ufer gerufen. Ein bisschen traurig ist das gewesen und kein allzu fröhliches Wiedersehen, hat doch der Mann ihm dabei gleich vom Verlust seiner Frau berichtet. "So ist das eben. Neben den vielen lustigen Momenten, zeigen wir auch ernste", sagt Kessler.
Dass ihm die Menschen nicht nur Witziges anvertrauen, sondern auch Tragödien, erklärt wohl, warum Kessler sich das immer wieder antut. Ohne Drehbuch, ohne Plot, ohne Schönwettergarantie. Wer seine Sendung kennt, weiß, die totale Improvisation, die ist seins. Sonst ist Kessler gar nicht immer Kessler. Mal ist er Günther Jauch, mal Peter Kloeppel und manchmal auch Florian Silbereisen. 2008 erhielt er für seine Parodien den Comedypreis als bester Schauspieler. Doch gerade Formate wie "Switch reloaded", das ihn nach seiner Rolle als Klausi in "Manta Manta" populär macht, funktionieren über gutes Timing. So auch seine Sendung "Kessler ist...". Da verwandelt er sich momentan jeden Donnerstagabend in einen anderen Promi.
"Manchmal entscheidet schon eine Sekunde, ob man lacht oder nicht", sagt er und da erkennt man plötzlich nichts mehr von dem Schalk, der ihm vor der Kamera so oft im Nacken sitzt. Kessler kann auch ernst. Auf seinen Expeditionen passiert alles spontan. Nur die Route steht im Vorhinein fest, und das Vehikel natürlich. Sonst ist Kessler halt einfach mal Kessler. In Flipflops und in Trekkingshorts, in roter Outdoor-Jacke und Turnschuhen. Da verwandelt er sich in einen Touri. Und das ist er ja auch. Man kann ihn dabei beobachten, wie er mit den Leuten plaudert, hier und da - na klar, das kann er vor der Kamera nicht ablegen - ein Witzchen macht, und dann weiterfährt. "So zu drehen, das ist ein bisschen wie Anarchie", sagt er und lacht.
Dass der Kölner seit sechs Jahren für den rbb durch Deutschland fährt und nicht etwa für den naheliegenden WDR, das kommt, weil Kessler für den Sender schon mit "Kesslers Nachttaxe" durch Berlin fuhr. Auch da: kein Drehbuch, keine Regieanweisungen, keine Inszenierung. Den Kameramann auf der Rückbank nahm er jeden mit, der Lust auf ein Gespräch und keine Angst vor der Kamera hatte.
Vielleicht hat er hier zum ersten Mal gemerkt, dass ihm dieses Fernsehmachen taugt. Und, dass er als echter "Wessi" Spaß daran hat, den Osten zu erkunden. So geht es ihm jedenfalls jetzt. Deswegen kommt er immer wieder her. Über die Frage, was sein schönstes Erlebnis war, was er also mitnimmt nach Köln, denkt er lange nach. Zu viele Menschen habe er bereits getroffen, das vermische sich alles in seinem Kopf. "Aber", fügt er an, "nirgendwo wurde ich herzlicher empfangen als hier."
Dieses Mal aber unter verschärften Witterungsbedingungen. Unbeständig war es, häufig werden sie von Regengüssen überrascht und zwei mal auch von Gewitter. Da stehen sie mitten im Wald und können nicht weg, müssen die Räder über umgestürzte Bäume heben und Blitzen ausweichen. Ins Hotel flüchten sie nicht. "Meine Motivation ist ja das Abenteuer. Dass man sich eben nicht ins Auto setzt und alles abbricht, sondern weitermacht", sagt er. Möglichst spontan soll es halt sein und auch authentisch. Das ist ihm wichtig.
Mit seinen Expeditionen vertritt er - und das muss schon ein bisschen verwundern bei einem Parodisten - einen recht hehren Anspruch. Das Fernsehen ehrlicher machen. Zu künstlich sei es ihm, zu arrangiert, zu viel gelogen werde auch. "Wenn ich zum Beispiel die Wörter ,Scripted Reality' höre, dann zieht es mir die Schuhe aus. Wie soll man denn Realität vorschreiben?", fragt er und zuckt mit den Schultern.
Kessler bringt die Realität lieber zum Schlingern. Mit seinen ungewöhnlichen Vehikeln und den Scherzen und manchmal auch mit einer Verkleidung wie in seinen anderen TV-Formaten. Auch wenn der Humor ihm als Türöffner dient, er will ihn nicht gegen den Zuschauer einsetzen. Menschlich soll es sein. "Ich glaube, die meisten wissen, dass hier niemand vorgeführt oder verarscht wird", sagt er, "sondern dass wir eine Wärme und Sympathie mitbringen."
Trotzdem ist es ihm mal passiert, dass er nicht drehen durfte. Auf einem Zeltplatz in der Uckermark. Da haben sich die Bewohner partout nicht filmen lassen. "Haut ab", schreien sie. Gerade erst ist ein Kamerateam da gewesen, das sie ganz verzerrt dargestellt hat. Genau das will Kessler eigentlich nicht.
"Ich finde, dass sich der Anspruch an Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit vermehren könnte", sagt er, "und dass man das Fernsehen von Plastik und Künstlichkeit befreit." Er will einfach zeigen, was passiert. Und wenn dann nichts geschieht? Den Druck muss er aushalten. Es ist eben Improvisation.
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