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Rezension

"Weiblich, 45 plus - Na und!?!"

Viagra, Falten, Slipeinlagen- Die Wechseljahre auf der Musicalbühne

Ob die Damen aus „Sex and the City“ oder die „Desperate Housewives“: Frauen in den 40ern sind der Quotenschlager in Film und Fernsehen. Es war also eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch die Musicalbühne die Frauen in den besten Jahren für sich entdeckt. Mit „Weiblich, 45 plus- Na und!?! Wechseljahre“ feierte am 23.April im Theater im Rathhaus Essen ein Stück Premiere, das sich als „musikalisches Hormonical“ dem leidigen Thema Wechseljahre ohne Scham und mit jeder Menge Humor die verschiedenen Facetten des Älterwerdens präsentiert.

Ausgangspunkt der Geschichte sind vier Frauen jenseits der vierzig bzw. fünfzig: Die Karrierefrau mit ausschweifendem Sexleben, aber der Unfähigkeit, eine feste Bindung einzugehen, die Hausfrau, die seit Jahrzehnten verheiratet ist und erstmals ohne ihre Familie auf Reisen geht, die Vornehme, der in ihrem Leben voller Reichtum um Anerkennung kämpft und die Junge, die sich mit ihren 42 Jahren sehnlichst ein Baby wünscht.
Diese grundverschiedenen Frauen treffen am Flughafen aufeinander, wo sie nicht nur auf ihren Flug nach New York warten, sondern auch ihre Gemeinsamkeiten entdecken: Sie alle befinden sich in den Wechseljahren oder zumindest kurz davor. Immer wieder erinnert werden sie daran von der mehr oder weniger charmanten Männerstimme aus dem Lautsprecher, die sie mit Werbesprüchen für Anti- aging- Produkte oder Begriffserklärungen wie Harninkontinenz dazu bringt, kein Wechseljahr- Thema auszulassen.
Unverblümt, frivol, zornig oder sentimental singen die vier Damen zu der Melodie altbekannter Songs über Falten, Viagra, verrutschte Slipeinlagen oder plötzliche Schweißausbrüche. Bärbel Arenz hat den Hits wie "Downtown", "I will survive", "It´s raining man", "Looking for freedom" oder "Lady Marmelade" die dazu passenden deutschen Liedtexte verpasst. Zwar sorgen die Songs allein schon für gute Stimmung im Publikum, aber gepaart mit den Dialogen von Autor Tilmann von Blomberg ergibt sich ein humorvolles Skript, das vor allem von dem ansteckenden Witz und der überspringenden Spielfreude seiner Darstellerinnen lebt.

Kerstin Marie Mäkelburg, die als Tanja schon zum Premierencast der Hamburger Mamma Mia- Produktion gehörte, spielt die Karrierefrau, die trotz beruflichem Erfolg und wechselnden Liebhabern mit sich selbst nicht ganz im Reinen ist und deren Karriere durch ihre natürlich wechseljahrsbedingte Vergesslichkeit plötzlich in Gefahr gerät.
Mäkelburg zeigt überzeugend, wie die anfangs so resolute und toughe Geschäftsfrau den Boden unter den Füßen verliert und vor allem, wenn es um Liebesdinge geht, sehr unsicher und ängstlich ist.
Liebevoll verkörpert Angelika Mann die typische Hausfrau. Mütterlich, fürsorglich und ein wenig altbacken zieht sie je nach Bedarf den selbst gemachten Kartoffelsalat ebenso aus ihrer Tasche wie das Deodorant oder den Fleckenentferner. Es scheint nicht verwunderlich, dass ihr Mann Fritz allein zu haus und ohne sie völlig aufgeschmissen ist.
Die Vornehme spielt Inez Timmer. Anfangs kühl, erhaben und distanziert, offenbart sich im Laufe des Stücks, das der Vornehmen trotz Reichtum vor allem eines fehlt: Anerkennung. Darstellerisch stets überzeugend, wirkte lediglich Timmers gesangliche Darbietung teilweise etwas schrill.
Den frischen Wind bringt die mit 42 Jahren Junge in das Damenquartett. Dauerverlobt und mit dem sehnlichen Wunsch nach einem eigenen Kind, will sie nach New York, um sich dort künstlich befruchten zu lassen. Ihr Problem: Ihr Mann ist zeugungsunfähig. Sie geht zumindest davon aus, dass es an ihm liegt.
Mary Harper liefert eine erfrischende, charmante Darstellung mit jugendlichem Charme und Leichtigkeit.

Auch das Orchester befindet sich in rein weiblicher Hand. In Gestalt vierer Stewardessen begleiten die musikalische Leiterin Maria Baptist am Keyboard, Karin Schüler- Springorum an der Gitarre, Maike Scheel am E- Bass und Karoline Körbel am Schlagzeug die Darstellerinnen durch den Abend. Dadurch, dass sie sich hinter einem Rezeptionstisch auf der Bühne befinden, sind sie in das Geschehen eingebunden und stehen ihren vier Gästen mit Rat und Tat zur Seite.

Über dem Rezeptionstisch befindet sich die Anzeigentafel mit den verschiedenen Flügen. Des Weiteren befinden sich noch ein Zeitschriftenständer mit Frauenzeitschriften und bewegliche Sitze auf der als Wartebereich gestalteten Bühne, die in den Farben orange und grau gehalten ist. Im Hintergrund blickt man aus einem Fenster auf ein Flugzeug. Insgesamt vermittelt das Bühnenbild also die richtige Flughafenatmosphäre, lässt den Darstellerinnen aber auch genug Bewegungsfreiraum.

Die Kostüme von Heike Seidler charakterisieren die verschiedenen Typen. Die Karrierefrau trägt das obligatorische schwarze Kostüm mit Sonnenbrille, die Hausfrau eine Blümchenbluse mit Weste, die Vornehme ist in ein schwarz-weißes Chanel- Kostüm gekleidet und die Junge trägt einen Blazer in frischem Gelb über ihrem bunten Sommerkleid.
Dies ist natürlich genauso stereotyp wie die vier Frauen selbst, allerdings ermöglichte das den sich größtenteils selbst in den Wechseljahren befindenden Zuschauerinnen ein hohes Identifikationspotenzial, was neben der humorvollen Darstellung vor allem der Grund dafür war, dass das Stück genau den Nerv des Publikums traf.
Hinzu kommt, dass es der Inszenierung von Katja Wolff gelingt, witzig, aber niemals albern zu sein und auch ruhigere Momente in die Show einzufügen. Der zweite Akt verliert dadurch zwar etwas an Fahrt, insgesamt entsteht dadurch aber ein kurzweiliges und amüsantes Spektakel, das vor allem zeigt: Altwerden ist eigentlich gar nicht so schlimm.