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Das größte Datenhotel im Ruhrgebiet steht in Essen

ESSEN.  Das Essener Unternehmen Binary verwahrt digitales Eigentum, verspricht Schutz vor Datenklau und Stromausfall. Kunden wollen deutschen Datenschutz

Ein Hotel steht seinen Gästen immer offen, bemüht sich in der Lobby um eine einladende Atmosphäre. In Essens größtem Server-Hotel in einem Industriegebiet in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs ist der Zugang etwas anders geregelt: „Binary“, die größte Daten-Herberge des gesamten Ruhrgebiets, liegt hinter einer roten Metall-Tür mit elektronisch-leuchtender Umrandung und zwei weiteren, ebenfalls elektronisch umrahmten Türen gleichen Baus.

Geschäftsführer Karsten Kümmerlein, der zusammen mit Dieter Homscheidt den Essener IT-Dienstleister betreibt, tippt an der ersten Metall-Tür einen Code ein und hält eine münzgroße Plastik-Scheibe, ein sogenanntes Security Token, vor das Keypad. Die Metall-Tür geht auf. Die gleiche Prozedur muss an den beiden folgenden Türen wiederholt werden. Ohne diese zweiphasige Sicherheitsmaßnahme muss selbst der Firmen-Chef draußen bleiben. Und nun liegen sie in dunklen Metall-Schränken und leuchten grün: die Server, also Zentralcomputer, die mit anderen Computern verbunden sind.

Angst vor Industriespionage

Im Server-Raum, dem Herzstück des IT-Dienstleisters, liegen Geschäftskunden-Daten auf mehr als 8000 Servern, in „Clouds“ gespeichert, den Datenwolken. Gespeichert sind sie bewusst nicht mehr im Unternehmen, sondern im ausgelagerten Rechenzentrum. „Das ist oft günstiger für die Kunden. Im IT-Bereich spielt der Preis eine wichtige Rolle“, sagt Geschäftsführer Kümmerlein. Manch Kunde hat seinen eigenen Server hier untergebracht. Sicher ist sicher.

Viele Binary-Kunden sind auf der Hut davor, Daten außerhalb Deutschlands zu lagern. Sie bevorzugen deutsche Internet-Dienstleister. Die Essener Binary GmbH wirbt mit dem Slogan „Welcome to the local cloud“, der lokalen Wolke. „Deutsche Unternehmen fürchten Industriespionage und einen unerlaubten Zugriff durch ausländische Behörden“, sagt Kümmerlein. So seien US-amerikanische Cloud-Anbieter gesetzlich dazu verpflichtet, auf Anforderung Kunden-Daten an US-amerikanische Behörden zu liefern. „Das wollen viele deutsche Unternehmen nicht“, sagt Kümmerlein. Die Kunden wollen deutschen Datenschutz.

„Unser Rechenzentrum wächst im Schnitt um 30 Prozent im Jahr.“ Dabei braucht Binary derzeit nicht mehr Server einzubauen. Denn: „Die technische Entwicklung von Servern und auch die Arbeitsspeicher-Kapazität schreiten immer weiter voran. Somit ist es uns möglich, aufgrund von virtualisierten Servern die Hardware-Ressourcen auszunutzen und weiter zu wachsen“, sagt der Geschäftsführer.

Ausgeklügeltes Kühlsystem 

Die Binary-Server laufen rund um die Uhr. Sie sind mit einem Verbrauch von jährlich mehr als einer Gigawattstunde nicht nur Stromfresser, sondern erzeugen auch Unmengen an Wärme. Die Datensicherheit ist ohne ein ausgeklügeltes Kühlsystem sowie eine Notfall-Stromzufuhr unmöglich. Würden die Server nicht ständig abgekühlt, dann überhitzten sie und fielen aus. „Vergleichbar ist das mit einem Föhn, den man in den Kühlschrank legt“, erklärt Kümmerlein das Kühlsystem. Kalte Luft wird zugeführt und warme abtransportiert. Liegt die Außentemperatur bei unter 17 Grad Celsius, dann setzt das Unternehmen auf die Zufuhr kalter Außenluft über eine Freiluftkühlung. Ab Temperaturen über 27 Grad Celsius kommt eine Klimaanlage zum Einsatz. Zwischen 17 und 27 Grad Celsius schaltet Binary beide Kühlsysteme ein. Um möglichst wirksam zu kühlen, werde kalte und warme Luft bei beiden Systemen voneinander getrennt, also abgeschottet. Das übernimmt dann die Kaltgangschottung.

Auch für den technischen GAU – den Ausfall der Stromzufuhr – ist gesorgt: Für zwölf Minuten versorgt eine Batterie, die so groß ist wie ein Raum von 20 Quadratmetern, die Zentralcomputer mit Strom. 90 Sekunden später schaltet sich ein Dieselmotor hinzu, wie er auch in Panzern eingebaut wird. Bis zu fünf Tage kann der Motor die Server in Betrieb halten. Bisher werde der Motor, so das Unternehmen, ein Mal im Monat eingeschaltet – aber nur zu Testzwecken.


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