Die Aussicht auf München von der Dachterrasse des "Bayerischen Hofs" ist beeindruckend: Die Frauentürme wirken in der angehenden Dämmerung imposanter als bei dem üblichen Dahinschlendern durch die Neuhauser Straße und das Rathaus erscheint einem nahezu majestätisch. Inmitten der christlich-abendländischen Kulisse sitzt Jowahara Ahmed. Sie trägt eine schwarze Abaja, die an den Ärmeln mit aufwendiger Stickerei verziert ist. Eine exotische Parfümwolke aus Jasmin und Amber umgibt sie. Die 31-Jährige hat in der Schweiz studiert und arbeitet in der Ölbranche. In exzellentem Englisch bestellt sie einen Cappuccino.
Auf die Frage, warum sie den Familienurlaub ausgerechnet in München verbringen, zeigt sie lachend auf die Aussicht: "Das ist doch Antwort genug!" Doch nicht nur die Stadt hat es ihr angetan. Ihre beiden Kinder sind in ärztlicher Behandlung: Die siebenjährige Tochter leidet an Diabetes. Als die Diagnose bekannt wurde, konzentrierten sich Jowahara Ahmed und ihr Mann auf das kleine Mädchen. Daraufhin fühlte sich der elfjährige Sohn benachteiligt. Geäußert hat sich das in plötzlich auftretenden Zuckungen. Der Neurologe spricht von psychischen Gründen. Die Familie rückte näher zusammen, man nahm sich in München und Umgebung eine Auszeit. Zu Hause in Dubai wäre das undenkbar: Im Sommer wird es bis zu 40 Grad heiß, man hält sich meist nur in klimatisierten Räumen auf. Hier können die Kinder im Freien spielen. Das Wüstenpanorama wird eingetauscht gegen die grüne Alpenlandschaft und angenehme 30 Grad. "Als meine Kinder zum ersten Mal Kühe auf der Weide gesehen haben, waren sie ganz außer sich - sonst kennen sie es ja nur aus der Werbung", sagt sie amüsiert.
Auch die Münchner haben sich gut auf die Besucher aus Nahost eingestellt. "Vor kurzem war ich in einer Boutique, und die deutsche Verkäuferin sagte auf Arabisch 'Sieht sehr schön aus!'. Das fand ich bemerkenswert!". Die Verkäuferin erklärte ihre Sprachkenntnisse damit, dass sie sich das "Wayed helu!" von den vielen arabischen Kundinnen abgehört habe und es einfach mal ausprobieren wollte. Auch einige Restaurants ließen ihre Speisekarten auf Arabisch übersetzen. Anscheinend aber mit überschaubarem Erfolg: "Die sind aber eher zum Lachen als zum Bestellen."
Natürlich gab es auch negative Erfahrungen, aber Jowahara Ahmed nimmt die nicht so ernst. Vor kurzem traf sie sich mit vier Frauen aus Dubai zum Ratschen im Café. Ein älterer Herr fühlte sich offensichtlich gestört. Er schimpfte: "Ah, bald ist ja Ramadan, dann seid ihr endlich wieder weg!" Jowahara fragte zurück, wo denn seine deutsche Gastfreundschaft geblieben sei. Der Mann antwortete nicht. Er trank einen letzten kräftigen Schluck und ging wortlos weg.
In Dubai genießen die Deutschen großes Ansehen: "Autos, Ärzte - alles was 'made in Germany' ist, ist einwandfrei", sagt Jowahara Ahmed. Einen Minderwertigkeitskomplex haben die Araber dennoch nicht. Sie haben den Deutschen sogar etwas voraus: "Wir wissen, wie man das Leben genießt. Die Deutschen leben sehr hektisch." Ende Juli fährt die Familie zurück in ihre Heimat - im Gepäck viele schöne Erinnerungen.