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Eine Abrechnung mit dem Tod

Eine Bestandsaufnahme des Todes: Christina Taphorns Buch (Foto: Taphorn)

Tief in uns liegt sie, diese Angst. Wenn wir die schwarz umrandeten Anzeigen in der Zeitung sehen, streift sie uns. Wenn wir die verwitterten Mauern eines Friedhofs passieren, spüren wir sie schon deutlicher, und wenn wir einmal unerklärliche Beschwerden haben, ergreift sie bisweilen sogar Besitz von uns. Aber uns ihr stellen? Das tun wir meistens nicht. Und so ist der Auslöser dieser Angst, der Tod, auch ein Thema, das in der Öffentlichkeit über oberflächliche Bestürzung hinaus nur wenig Aufmerksamkeit genießt. 



Christina Taphorns Buch „Eine Abrechnung mit dem Tod" ist eine gestalterische Bestandsaufnahme davon, wie die Menschheit heutzutage mit dem Ende des Lebens umgeht. Es zeigt, wie auch hier Funktionalität und "Geiz-ist-geil"-Mentalität Einzug gehalten haben.


Der Tod von heute ist entweder plötzlich oder wird in die kalte Sterilität weiß gestrichener Krankenhäuser verbannt. Keine weihevollen Zeremonien mehr, die den Hinterbliebenen den Abschied von den Verstorbenen erleichtern. Stattdessen tritt die kühle Ökonomik in Erscheinung und Beerdigungen werden zunehmend durch Entsorgungslogik geprägt. "Bei uns trauern Sie nicht um ihr Geld!" werben Unternehmen auf Seiten wie www.sarg-discount.de. Kaffeefahrten nach Tschechien zum Billig-Krematorium sind mittlerweile gang und gäbe. Die morbide Schnäppchenjagd hat sogar so weite Kreise gezogen, dass Bestattungen mittlerweile bei Ebay zum Sofortkauf erstanden werden können.


Taphorn zeigt in ihrer Diplomarbeit, die am Fachbereich Design der Fachhochschule Münster entstanden ist, auch die vielen anderen Dimensionen des Themas. Angefangen beim Tod an sich, den sie auf eine subtile gestalterische Weise greifbar macht: "Ich habe Fotostrecken, die Szenen der Vergänglichkeit zeigen, auf extradünnes Papier drucken lassen", erklärt die Diplomandin. "Wer sie sich anschaut, nimmt die Zerbrechlichkeit des Lebens beim Lesen nicht nur mit den Augen war." Die Bilder zeigen zum Beispiel einen prallen Luftballon, der langsam erschlafft oder das Foto einer Frau, das nach und nach verblasst.


Taphorn wartet darüber hinaus mit einer Unzahl an Fakten und Skurrilitäten zum Tod auf. Sie erscheinen in einem unaufdringlichen Editorial Design, das trotz seiner objektivierenden Nüchternheit stets die Morbidität des Themas andeutet. So gibt es zum Beispiel eine Karte zu den weltweiten Todesfällen des Jahres 2008, bei der Schnipsel aus Todesanzeigen die fünf Kontinente bilden. Durchgestrichene Schwarzweiß-Fotos berühmter Persönlichkeiten, die in jenem Jahr verstorben sind, bebildern einen Kalender mit ihren Todesdaten. Und Illustrationen von explodierendem Feuerwerk mit Unterschriften wie "Onkel Günther" oder "Oma Erika" machen auf so manche absurde Bestattungsform aufmerksam.


Das Verglühen der Asche beim Feuerwerk ist dabei fast schon die langweilige Variante. Wer will, kann seine Asche auch im Amulett einschließen, zum Diamanten pressen oder mit einer Rakete in den Weltraum schießen lassen. Wem sein Körper dafür zu schade ist, dem bieten Firmen in den USA unbegrenzte Lagerung im Hightech-Gefrierfach. Nur für den Fall, das man diesen in Zukunft wieder beleben könnte. Es scheint keinen Bestattungswunsch zu geben, der nicht erfüllt werden könnte. Jedenfalls meistens: "Manchester United hat vor einiger Zeit das Verstreuen von menschlicher Asche auf seinem Rasen wieder rückgängig gemacht. Die Grasnarbe vertrug das nicht mehr," sagt Taphorn.


Künstler wie Gunther von Hagens werden reich durch ihre Ausstellungen mit echten Toten. Stars wie Michael Jackson machen dank ihres Ablebens noch einmal richtig Umsatz. Und die Medien hätten ohne den Tod sowieso nur halb so viel zu berichten. Das Geschäft mit dem Tod bringt den Lebenden viel Geld ein. Wer weiß, vielleicht macht er ihnen damit ja ein kleines Zugeständnis dafür, dass sie ihm nicht entkommen können.


Auch Taphorn ist der Tod trotz monatelanger Recherche immer noch ein Mysterium. "Dass ich jetzt gar keine Angst mehr davor habe, kann ich nicht sagen," so die Diplomandin. "Denn herauszufinden, was nach ihm kommt, dabei konnten mir die Arbeit an meinem Buch auch nicht helfen." Weiß sie denn jetzt wenigstens, wie sie sich dereinst bestatten lassen will? "Bei all den Möglichkeiten, die ich in meinem Buch vorstelle, klingt jetzt vielleicht etwas seltsam. Aber ich glaube, ich würde mich für die klassische Erdbestattung entscheiden." 

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