Merkel im Wahlkampf (in Trier): Eine Wahlkampfveranstaltung ist wie Weihnachten
Im Wahlkampf wird einem nichts geschenkt? Oh doch! Besonders für die Parteiprominenz hagelt es nach Auftritten Präsente: Schneekugeln, Vogelhäuser, und Senfproben für die Mächtigsten im Lande. Denen meist nicht viel mehr bleibt, als sich ebenso höflich wie gequält zu bedanken.
Selten hat man die mächtigste Frau der Welt derart hilflos gesehen. Immer wieder versucht Angela Merkel nach der Weinflasche zu greifen und sie endlich einzustecken. Doch Bernhard Kaster, Direktkandidat der CDU in Trier, lässt sie zappeln. Er preist das Geschenk an die Kanzlerin immer weiter an, statt es ihr endlich zu geben. "Diese Beerenauslese ist charakteristisch für die Qualitätsprodukte unserer Region. Sie ist ein Symbol unserer Zielstrebigkeit und unseres Willens zur Perfektion."
Merkels gequältes Lächeln gärt mit jedem weiteren Satz Kasters. Gerade hat die personifizierte Lebensversicherung der CDU in brütender Hitze Wahlkampf gemacht. Sie hat den Trierern erläutert, was gut für Deutschland sei. Jetzt muss sie schnell weiter. In einer Stunde hat sie schon den nächsten Auftritt in Gießen.
Eine Wahlkampfveranstaltung ist vergleichbar mit Weihnachten. Alles muss zumindest für ein paar Stunden so wirken, als würden sich alle gern haben. Und zum Abschluss gibt es eben Geschenke. Die Geschenkfrequenz scheint dabei einer gewissen Gesetzmäßigkeit zu unterliegen: Je größer der Name und je kleiner der Ort, den der Politpromi besucht, desto mehr Nettigkeiten hagelt es am Ende.
Angela Merkel hat in den vergangenen Monaten viel von der Opposition einstecken müssen. Aber noch viel mehr von wohlwollenden Lokalunionern und Parteimitgliedern. In Finsterwalde wurde sie mit den besten Kochrezepten Finsterwaldes bedacht. In Gießen gab es Ludwig Erhards Buch "Wohlstand für alle". Auch Schneekugeln und Vogelhäuser kann die Kanzlerin inzwischen ihr Eigen nennen. Angela Merkel ist kein Einzelfall. Auch das Beispiel Guido Westerwelles zeigt, welche schwerwiegenden Spuren der Wahlkampf hinterlässt.
Die FDP Sachsen lädt nach Plauen, und der Außenminister ist als Hauptevent versprochen. Ein gesellschaftliches Großereignis für Plauener Verhältnisse. Familie Ortleb ist extra beim Frisör gewesen und zwei Stunden mit dem Auto angereist, um ihn zu sehen. Westerwelle macht seine Sache gut. Gibt den Weltmann, gibt den Guido zum Anfassen und will wieder nach Berlin.
Aber da hat er seine Rechnung ohne eine künstlerisch veranlagte Zahnarzthelferin gemacht. Diese hat anlässlich des großen Besuchs ein Gemälde für Westerwelle fabriziert. Groß und durch ein weißes Tuch verhüllt steht es am rechten Rand der Bühne. Also gehen Außenminister und Zahnarzthelferin zum Bild und ziehen an zwei Schleifen. Zum Vorschein kommt eine zierliche Frauengestalt die im Nebel über einen Flusssteg irrt. Oben rechts im Bild ist ein Schachfeld, unten links liegt ein Läufer. Und alles ist blau gelb gerahmt. "Ach, das ist ja toll", sagt Westerwelle und versucht, das Gemälde interessiert zu betrachten. Ganze 20 Sekunden lang. Sein Schlusswort dazu: "Und es ist auch noch blau-gelb." Dann schwirrt jemand aus seinem Team herbei, steckt das Kunststück schnell ein und verschwindet damit dezent hinter der Bühne.
Kein anderer Politiker bekam wohl im Wahlkampf so viele Süßigkeiten wie Gregor Gysi. Sein persönlicher Erklärungsansatz hierfür: "Vielleicht weil ich so viel abgenommen habe." In Schweinfurt gab es auch noch bestickte Deckchen, in Leipzig Kuschelbären. Nur bei einem Geschenk in Bautzen geriet er kurzzeitig aus der Fassung. Nachdem Gysi dem Volk nahgebracht hatte, dass man aus dem Euro raus muss, gab es zum Dank Senf. Eine Menge Senf. So ziemlich alle Sorten, die in der Senfmetropole Bautzen hergestellt werden. Das Büro des Fraktionsführers der Linken bestätigte auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE, dass Herr Gysi inzwischen sämtliche Sorten ausprobiert habe und jede Einzelne als wohlschmeckend empfand.
Zurück zu Angela Merkel in Trier: Dort gibt es noch ein Geschenk für die Kanzlerin. In Trier findet nämlich die "Elefanten Parade" statt. In der ganzen Stadt stehen buntbemalte, 1,5 Meter große Kunststoffelefanten. "Und weil wir ihnen nichts so großes mitgeben können", sagt Kaster und Merkel wirkt kurz erleichtert, "haben wir eine Miniaturausgabe unseres Wahrzeichens für Sie."
Dann hört sie sich an, dass die Idee zur "Elefanten Parade" eigentlich in Holland geboren wurde, und dass die Exponate mit Glasfasern verstärkt wurden. "Ich bin sicher, für so einen kleinen Elefanten ist sicher noch etwas Platz in ihrem Büro." Merkel nickt. Sie hält das gute Stücke fünf Sekunden, bevor sie es jemanden aus ihrer Entourage in die Hände drückt. Der schleicht damit hinter die Bühne.
Jetzt endlich kann Merkel weiter. Im Tross abgedunkelter Dienstwagen fährt sie davon, den Kofferraum voller Geschenke.
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