Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Tesla: Klein kann Elon Musk nicht

Ein Prototyp des Tesla Model 3 vor der Tesla-Batteriefabrik in Nevada © James Glover II/Reuters

80.000 Elektroautos wollte Tesla im abgelaufenen Jahr ausliefern - mit 76.230 Stück hat Unternehmenschef Elon Musk das selbst gesteckte Ziel verpasst. Was unter anderem an Problemen im vierten Quartal lag: Die Umstellung auf neue Bauteile beim Autopiloten habe zwischen Oktober und Dezember zu Produktionsschwierigkeiten geführt, erläutert der Autohersteller. Die Folge: Die Kalifornier produzierten in diesem Zeitraum in ihrem Werk in Fremont zwar 24.882 Autos, von denen aber nur 22.200 ausgeliefert werden konnten. Wegen der Fertigungsprobleme musste Tesla geplante Schiffstransporte nach Europa und Asien absagen.

Im Gesamtjahr produzierte Tesla insgesamt 83.922 Model S und X, doch das Unternehmen zählt nur Auslieferungen, bei denen nach eigenen Worten der Papierkram vollständig erledigt ist. Aktuell befinden sich 6.450 Elektroautos in der Auslieferungsphase. Die verbleibende Differenz von 1.242 dürften Vorführ- und Firmenfahrzeuge sein. Anleger reagieren verhalten auf die Lieferzahlen: Im vorbörslichen Handel sank der Aktienkurs um zwei Prozent auf 212,60 Dollar. Umsatz und Gewinn für das vierte Quartal meldet Tesla voraussichtlich Anfang Februar.

"Das Risiko von Fehlfunktionen und von Kostensteigerungen sowie das Risiko, Lieferdaten zu verpassen, ist für 2017 hoch", schreibt Brian Johnson, Analyst bei Barclays. Er glaubt, Tesla werde das Model 3 - das kleinste Elektroauto des Herstellers, auf das viele schon gespannt warten - nicht rechtzeitig liefern, vermutlich sogar in diesem Jahr kein einziges an Kunden übergeben. Geplant ist der Produktionsbeginn in der zweiten Jahreshälfte. Musk hatte eigentlich zugesichert, erste Fahrzeuge zum Preis ab 35.000 Dollar noch 2017 an Käufer auszuliefern.

Ehrgeizige Ziele

Die Präsentation des Model 3, das deutlich günstiger ist als die bisherigen Modelle, hatte für großes Interesse gesorgt. 373.000 Vorbestellungen gingen bei dem Unternehmen ein. Doch der Blick auf die aktuelle Jahresproduktion macht deutlich, wie lange Tesla benötigt, um die Order abzuarbeiten. Schließlich wird das Model 3 neben der Fertigungsstraße für Model S und X in Fremont produziert. Bereits seit Oktober erhalten Besteller auf der Webseite den Hinweis, ihr Model 3 werde nicht vor 2018 geliefert.

Beobachter fragen sich, warum Musk immer wieder unrealistische Ziele kommuniziert. Will er damit seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen motivieren? Oder umgibt ihn, wie dem früheren Apple-Chef Steve Jobs nachgesagt wurde, ein " reality distortion field", also ein Wahrnehmungsfeld, in dem die Realität verzerrt wird? Der gebürtige Südafrikaner hat jedenfalls mehrfach gezeigt: Klein kann er nicht - ob bei Tesla oder bei seinem Weltraumunternehmen Space X.

Zuletzt lief es richtig gut für Musk. Der künftige US-Präsident Donald Trump holte ihn als Berater in sein Strategic and Policy Forum. Für das dritte Quartal 2016 meldete Tesla 21,9 Millionen Dollar Gewinn, es war der zweite Quartalsgewinn seit dem Börsengang 2010. Die Aktionäre stimmten außerdem der Übernahme von SolarCity zu, einem Anbieter von Solarstromanlagen, den zwei Cousins von Musk 2006 gegründet hatten. Mit der Kombination aus Solarzellen und Solardachziegeln, Batterien und Elektroautos verfolgt Musk das ehrgeizige Ziel einer nachhaltigen Energiegewinnung und -nutzung.

Für die Zukunft von Tesla dürfte der Schritt vom Nischen- zum Massenhersteller entscheidend sein – das Model 3 ist die Bewährungsprobe. Zum einen plant Tesla dafür eine deutliche Erweiterung seiner Fabrik in Fremont, zum anderen muss die Fertigung in der neuen Gigafactory in Nevada hochgefahren werden, wo Tesla die Batterien für das Model 3 herstellt. Die Produktion wird in Kooperation mit Panasonic aufgebaut. Nach der Fertigstellung des Werks soll es mehr Lithium-Ionen-Batterien produzieren als alle übrigen Hersteller zusammen auf den Markt bringen. Doch sollte Tesla auch für das Model 3 den versprochenen Liefertermin verpassen, dürfte das bei den Anlegern erneut für Unruhe sorgen.

Dabei musste Tesla schon im vergangenen Jahr negative Schlagzeilen hinnehmen: Der vom Unternehmen Autopilot genannte Fahrassistent, der in Tesla-Fahrzeugen ansatzweise autonomes Fahren ermöglicht, geriet aufgrund diverser Unfälle in die Kritik; vielfach wurde auch die Bezeichnung an sich als irreführend beanstandet. Im September brachte Tesla ein Update der Software, kurz darauf erweiterte das Unternehmen auch die Hardware. Acht Kameras, zwölf Ultraschallsensoren, ein Radarsensor und ein Chip mit höherer Rechenleistung liefern ein genaueres Abbild der Verkehrssituation. Während zunächst das Kamerabild wesentliche Entscheidungsgrundlage war, setzt der Autopilot nun stärker auf den Radarsensor.

Wie gut das Update funktioniert, belegte Ende Dezember ein YouTube-Video aus den Niederlanden: Eine Dashboardkamera zeigt, wie der Autopilot bei 113 km/h den Fahrer akustisch warnt, das vor ihm Fahrzeuge stark verzögern. Kurz nach dem Warnton fährt der Vorausfahrende auf ein Fahrzeug auf, das sich dabei überschlägt. Der Autopilot bringt den Tesla rechtzeitig zum Stehen.

Kräftiges Wachstum – aber nicht auf dem deutschen Markt

Die gute Nachricht für Tesla lautet: Bezogen auf die Produktionszahlen hat das Unternehmen sein Jahresziel erreicht. Und immerhin wurden im vergangenen Jahr 64 Prozent mehr Elektroautos gefertigt als 2015. In Deutschland ist von diesem Zuwachs wenig angekommen. Schaut man auf die Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes, lagen die Tesla-Zulassungen 2015 bis einschließlich November bei 1.348 Fahrzeugen. In 2016 sind es im gleichen Zeitraum 1.637 Model S und X.

Dabei können Käufer seit Kurzem auch für ein Model S die Elektroautokaufprämie in Höhe von 4.000 Euro einstreichen. Tesla hat dazu den Nettolistenpreis für die Variante mit der kleinsten Batterie (60 Kilowattstunden Kapazität) unter 60.000 Euro gedrückt – diese Summe hatte die Bundesregierung als Obergrenze für förderfähige Elektroautos gesetzt, um nicht die Käufer von Luxusautos zu unterstützen.

Tesla gelang die Preissenkung nur, weil etliche Komfortfunktionen deaktiviert werden. Dazu gehören unter anderem die Navigation, Parksensoren und die Rückfahrkamera. Alles Ausstattungsmerkmale, die sich später gegen Zahlung wieder aktivieren lassen. Laut der zuständigen Behörde Bafa beantragten bis zum 1. Januar 2017 insgesamt 82 Käufer eines Tesla Model S die Kaufprämie.


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