Dirk Kunde

Technologie-Journalist, Hamburg

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Tesla: Der CEO mit dem Schlafsack

Elon Musk hat seinen Schlafsack mit in die Fabrik nach Fremont gebracht. Den rollt er in einem Konferenzraum aus, wenn es in der Fertigung mal wieder spät wird. "Freitagnacht um drei Uhr hatten wir unseren ersten fehlerfreien Durchlauf ohne Nachbesserungen", sagt Elon Musk in der Telefonkonferenz nach Bekanntgabe der Zahlen für das erste Quartal. Bei den Problemen in der Fertigung, mit denen das Model X zu kämpfen hat, lohnt sich ein Schlafsack im Konferenzraum offenbar.

Der Start ins Jahr verläuft holprig für das Unternehmen Tesla, das doch eigentlich mit seinen Elektroautos denMarkt umkrempeln will. Das liegt nicht zuletzt an eben diesem Model X, einer Mischung aus SUV und Minivan. Im Januar und Februar kam die Produktion des Autos fast komplett zum Erliegen. Insgesamt konnte Tesla bei den Stückzahlen um zehn Prozent gegenüber dem Vorquartal zulegen. Doch von den 15.510 gefertigten Elektroautos hatten nur 2.659 ein X am Heck. Die Probleme in der Fertigung vom Model X sind ein Grund für den gestiegenen Quartalsverlust von 282,3 Millionen Dollar (154,2 Millionen Dollar im Vorjahresquartal) bei einem Umsatz von 1,15 Milliarden Dollar. Das Model X streut der gut geölten Maschine Tesla Sand ins Getriebe.

Der Grund für die Schwierigkeiten: Rund ein halbes Dutzend Teile von Zulieferern ist mangelhaft. Tesla spricht selbstkritisch von der Hybris, zu viele neue Technologien in das Model X einbauen zu wollen. Gemeint sind in erster Linie die futuristischen Flügeltüren. Den ersten Zulieferer, Hoerbiger Automotive aus Deutschland, verklagt Tesla wegen unzureichender Qualität. Angeblich verlieren Hydraulikteile Öl und die Mechanik überhitzt, sodass sich die Türen nicht öffnen lassen.

Der Zulieferer wird gewechselt, doch die Türen öffnen sich bei etlichen Kunden trotzdem nicht wie gewünscht. In Tesla-Foren findet man Bilder beschädigter Flügeltüren, weil die Sensoren Hindernisse nicht rechtzeitig erkennen und beim Aufschwingen gegen Betondecken prallen. Darüber hinaus berichten Besitzer von störenden Reflexionen in der Frontscheibe. Vor allem bei Dunkelheit sieht der Fahrer Ampel- und Rücklichter der Vorausfahrenden dreifach in der Scheibe. Das Problem tritt offenbar vor allem bei größeren Menschen auf, die durch den oberen Teil der Scheibe schauen. Andere Kunden berichten von klemmenden Fenstern sowie einem eingefrorenen Bildschirm. Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil der Touchscreen die zentrale Steuereinheit im Model X ist. Fahrzeugeinstellungen, Navigation und Radio werden über Wischbewegungen gesteuert. Derartige Probleme sind etwas überraschend. Basieren Bildschirm, Software sowie Fahrwerk doch auf dem Model S, das seit 2012 ausgeliefert wird.

Viele Ankündigungen, viele Fehler

So weit reichen auch die Anfänge des Model X zurück. Im Februar 2012 stellte Musk den Wagen in Los Angeles vor. Da kündigte er die Serienproduktion für 2014 an. Doch Ende September 2015 gab es eine zweite Produktpräsentation, weil bis dahin die Details des Wagens schon wieder in Vergessenheit geraten waren. Erneut kündigte Musk die Produktion an, diesmal für Ende 2015. Tatsächlich lieferte Tesla gerade mal 206 Model-X-Fahrzeuge im vierten Quartal 2015 aus. Bis Ende des laufenden Quartals soll die Fabrik 2.000 Elektroautos pro Woche ausstoßen. 40 Prozent davon, rund 800 Fahrzeuge, sollen ein Model X sein. An der Prognose, in diesem Jahr 80.000 bis 90.000 Fahrzeuge auszuliefern, hält Tesla fest.

Jetzt bekommen allerdings die Service Center die Qualitätsmängel zu spüren. Tesla ruft vorsichtshalber alle bis Ende März produzierten Model-X-Fahrzeuge in die Werkstatt. Bei Crashtests hielt die Verriegelung der dritten Sitzreihe nicht. Bei einem Aufprall könnten die Sitze samt Fahrgast nach vorn schnellen.

"Das sollte bis Juni behoben sein", schreibt Elon Musk auf Twitter. Hier tritt der CEO mit Kunden und Interessierten in Kontakt. Trotz langer Nächte in der Fabrik, verbreitet der gebürtige Südafrikaner Optimismus. Sein Ziel, eine halbe Million Autos zu produzieren, werde er 2018, zwei Jahre früher als geplant, erreichen. 2020 sollen es eine Million Elektroautos sein. Alle Fahrzeuge weiterhin in Fremont zu produzieren, hält Musk nicht für sinnvoll. Eine Produktionsstätte in Europa und in Asien sowie eine weitere in Nordamerika sind aus seiner Sicht angebracht. Doch konkreter wurde der CEO bei der Vorstellung der Quartalszahlen nicht.

Das Geld wird knapp

Zeitgleich mit den Quartalszahlen wurde bekannt, dass Produktionschef Greg Reichow sowie eine weitere Führungskraft aus der Fertigung das Unternehmen verlassen. Als direkte Konsequenz auf die Qualitätsmängel wollte Tesla die Abgänge nicht werten. Doch nutzte Musk die Telefonkonferenz für seine Personalakquise. Die talentiertesten Autobauer sollten sich bei ihm melden. Bei der Entwicklung des autonom fahrenden Pkws herrscht ein erbitterter Kampf um die besten Köpfe zwischen Tesla, Apple, Google, Neugründungen wie Faraday Future und den etablierten Autoherstellern.

Personal und Entwicklung kosten viel Geld, das könnte bei Tesla bald knapp werden. Die Kalifornier verfügen über 1,44 Milliarden Dollar. Den Investitionsaufwand für das laufende Jahr schätzt das Unternehmen auf 2,25 Milliarden Dollar. "Wir werden vermutlich zusätzliches Kapital aufnehmen müssen", schreibt Musk im Quartalsbericht, "aber mit Blick auf das Model 3 dürfte es die langfristig beste Entscheidung für Tesla sein, Geld in die Hand zu nehmen, um der Nachfrage gerecht zu werden".

Die Vorbestellungen für das kleinere Elektroauto gibt das Unternehmen weiterhin mit 325.000 Stück an. Dafür haben Besteller bereits 1.000 Dollar bzw. Euro angezahlt. Am Termin der Auslieferung, Ende 2017, hält Musk fest. Für alle Zulieferer gelte der 1. Juli 2017 als Stichtag. "Bis dahin müssen wir alle 6.000 bis 7.000 Einzelteile am Montageband haben", sagt Musk. "Fehlt auch nur ein Prozent, können wir kein Auto bauen." Doch Musk ist zuversichtlich, in der zweiten Jahreshälfte 2017 etwa 100.000 bis 200.000 Model-3-Fahrzeuge vom Band rollen zu lassen. Dabei ist Tesla deutlich weniger auf Zulieferer angewiesen als andere Hersteller.

Beim Model 3 sind 93 Prozent der Besteller Neukunden. Doch die restlichen sieben Prozent werden zuerst beliefert. Es ist offen, ob der Mittelklassewagen (Preis ab 31.000 Euro netto) rechtzeitig auf den deutschen Markt kommt, sodass Käufer noch von der Elektroprämie profitieren. Die neueren Tesla-Modelle sind dafür zu teuer. Gefördert werden Elektroautos bis zu einem Listenpreis von 60.000 Euro netto. Das Model S startet bei 69.425 Euro netto.

"Wir hatten gehofft, dass gerade Deutschland, als Vorreiter der grünen Agenda, eine Vorbildrolle in der Förderung aller Bemühungen für nachhaltige Mobilität einnehmen würde. Selbstverständlich sind wir sehr enttäuscht", schreibt das Unternehmen auf seiner deutschen Website. In anderen Regionen läuft es für Tesla besser. Die Bestellungen für die Limousine liegen in Asien 160 Prozent über dem Vorjahresquartal. Insgesamt stiegen die Bestellungen für das Model S um 45 Prozent. Somit hat die Begeisterung für das Model 3 nicht für eine Vollbremsung beim aktuellen Umsatzbringer gesorgt. Wahrscheinlich kann Elon Musk nun wieder mehr Nächte im heimischen Bett in Los Angeles verbringen.

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