Dieter Zirnig (neuwal.com): Frau Haider, ich habe bei der Pressekonferenz gehört, dass Sie lange überlegt haben, zu kandidieren. Welche Überlegungen sind Ihnen dabei durch den Kopf gegangen?
Ulrike Haider-Quercia: Natürlich ist eine Kandidatur ein Risiko. Man wird sehr genau unter die Lupe genommen und die Familie ist dadurch belastet. Das war der Hauptpunkt, über den wir nachgedacht haben.
Dann war der Gedanke, wieso ich mir das antue, da ich mit meinem Beruf eigentlich sehr zufrieden und mit meinem Familienleben mehr als ausgelastet bin. Ein Punkt war allerdings auch, dass ich gesagt habe: Wenn man die Möglichkeit hat, sich zu engagieren, dann sollte man sie auch erfüllen. Ich bin Gerald Grosz sehr dankbar dafür, dass er mir das Angebot gemacht hat. Weil nur so kann man konkret etwas mitgestalten.
Dann habe ich mir gedacht, dass Europa auch mein Thema ist. Ich habe ein ganz persönliche Beziehung zu Europa. Ich bin sehr stolze Österreicherin und möchte gerne mitarbeiten und etwas einbringen.
Auf was lassen Sie sich da genau ein?
Auf jeden Fall zunächst auf einmal drei Monate sehr viel Stress.
Was glauben Sie, wobei können Sie dabei gewinnen?
Ich glaube, dass politisches Engagement für sich selbst immer ein Gewinn ist. Und, wir werden auch ins EU-Parlament einziehen.
Angenommen, das BZÖ hätte Sie nicht gefragt zu kandidieren. Hätten Sie es trotzdem gemacht? Für wen?
Nein, ich glaube nicht.
Wenn das BZÖ nicht kandidiert hätte, hätte ich keine Alternative gehabt.
Und hätte ich nicht gewusst, welche Partei ich wählen soll.
Was motiviert Sie bei Ihrer Kandidatur und der Europa-Politik am meisten?
Mich motiviert am meisten, dass mir Europa sehr am Herzen liegt. Ich sehe, dass viele Dinge in der EU nicht in die richtige Richtung gehen. Es gibt einen großen Zentralismus. Wir haben die Situationen, in denen sich die EU immer weiter vom Menschen entfernt. Wir haben Politiker, die sich die Posten aufteilen: 2014 ist das Super-Postenschacher-Jahr, wo schon vor der Wahl zum Europäischen Parlament die Kandidaten feststehen, wer wo hin versetzt wird. Und das ist eine Politik, die mir nicht zusagt. Und ich glaube auch, meiner Generation sagt das nicht zu. Weil Europa muss uns auch etwas bringen.
Man fragt sich wirklich oft: "Was bringt mir Europa überhaupt, außer, dass wir da viel reinzahlen jedes Jahr?"
Die jungen Personen, oder, die neue Generation, wie Sie sagen, kann sich mit dieser EU nicht identifizieren, sagen Sie. Womit kann sich die neue Generation identifizieren?
Ich glaube, die neue Generation kann sich mit Personen aus ihren Reihen identifizieren. Mit Leuten, die die Probleme ansprechen, die meine Generation heute hat. Wir arbeiten alle sehr viel, zahlen sehr viel Steuern und bekommen immer weniger Leistungen. Das muss auch eine Absage an die bisherige alte Politik sein.
Ist ihr Lebensmittelpunkt Italien oder Österreich?
Beides. Ich bin immer hin- und hergefahren. Also in Österreich ist es natürlich Kärnten. Aber ich betrachte mich da als Europäerin, die in zwei Ländern lebt.
Wie sehen Sie die politische Situation in Italien derzeit?
Ja, gut! Weil, Italien hat eine Wende bekommen. Da gibt es einen Generationenwechsel. Und ich glaube, dass das auch ein Signal für uns ist: Dass auch unsere Generation den Mut haben soll und sagen kann: "Ich engagiere mich, ich mache etwas".
Wären Sie in Italien, für wen würden Sie dort kandidieren?
(überlegt) Ich glaube, ich kann nur für das BZÖ kandidieren. Es ist die Partei, die mein Vater gegründet hat und deren Inhalte ich teile.
In der Schweiz hat es kürzlich eine Volksabstimmung gegeben. Wie sehen Sie das, wäre das auch eine Möglichkeit für Österreich?
Ich glaube, dass ist eine sehr gute Alternative für Österreich.
Man soll Österreicher wieder mehr in die europäische Debatte einbinden und sie zu den wesentlichsten Entscheidungen der Integration immer wieder befragen.
Bei der Pressekonferenz habe ich gehört, dass Sie sich auf europäischer Ebene bei der ALDE und bei der ECR-Fraktion interessiert zeigen. Bei der ECR klopfen auch die REKOS an, also die Partei von Ewald Stadler. Was verbindet Sie jetzt mit der Politik von Ewald Stadler oder mit der polnischen Partei "Recht und Gerechtigkeit"?
Die ECR ist eine europakritische Gruppierung. Was für die ALDE spricht, ist, dass hier offene und liberale Parteien vertreten sind.
Sie haben die Chancen der Kleinparteien angesprochen. Wo sehen Sie die Chance für eine neue politische Kultur?
Ich glaube, man muss das Denken in der alten Koalition einfach zu lassen, dass andere wahlgewinnende Parteien regieren können.
In Italien - weil Sie es vorhin angesprochen haben - gibt es sehr viel Pluralismus, sehr viel Wechsel. Vielleicht ein bisschen zu viel Wechsel. Aber in Italien bekommen auch kleine Parteien immer wieder Regierungsverantwortung.
Das ist, was wir brauchen: aus dieser österreichischen Starre einmal herauskommen.
Die Kandidatenliste wird vom BZÖ für die EU-Wahl gerade zusammengestellt. Können Sie bei der Mitgestaltung mitreden?
Wir machen das gemeinsam mit dem BZÖ. Ich habe dazu einige gute Namen. Wir suchen die besten heraus. Es wird eine spannende Kandidatenliste.
Mit wem würden Sie am liebsten kandidieren?
Das kann ich jetzt noch nicht verraten. Das sollte ja eine Überraschung sein. Die Besten.
Europa Anders oder die NEOS versuchen bei ihren Listenzusammenstellungen offene Prozesse in Richtung Bürgerbeteiligung oder Vorwahlen. Wird es das beim BZÖ auch geben?
Wir haben einen Parteivorstand, der das laut Statut beschließt.
Gibt es die Möglichkeit, dass außerhalb ihren Vorschlägen auch Leute dazustoßen können?
Absolut. Das BZÖ ist keine Partei im traditionellen Sinn, sondern eine Bewegung. Wer kandidieren möchte, braucht nicht Parteimitglied oder Bündnismitglied sein. Und wenn es Interessenten und interessante Vorschläge gibt, dann sind wir offen.
Wo sehen Sie die EU in fünf Jahren?
Ich hoffe, Europa auf einem besseren Weg.
Wie kann man sich diesen Weg vorstellen. Wie würden Sie diesen Weg definieren und beschreiben?
Ich glaube, in der EU muss der Gedanke der Freiheit wieder greifen. Die EU muss wieder entschlackt werden:
Weniger Bürokratismus und überhaupt den Menschen als zentralen Bezugspunkt sehen. Und nicht die Machtinteressen der Großparteien.
Was werden Sie jetzt dafür tun?
Ich werde mich für eine zukunftsorientierte Europapolitik einsetzen.
Was sind die nächsten Schritte, die Sie angehen werden?
Jetzt müssen wir mal die EU-Wahl gewinnen.
Wenn Sie ein Mandat bekommen: Was wäre das aller erste, was Sie in Angriff nehmen würden?
Saatgutverordnung in Österreich verhindern, eine Abstimmung in Österreich über den EURO ermöglichen.
Eine EURO-Abstimmung sehen Sie als Möglichkeit in Österreich?
Wir möchten eine Abstimmung über den EURO ermöglichen. Wir möchten im täglichen Geschäft der EU auch die Themen herauskristallisieren, wo die EU für Österreich vorteilhaft ist:
Umweltschutz, Förderungen erneuerbarer Energien, Sicherheit, Digitale Sicherheit, Lebensmittelsicherheit.
Der Ausstieg aus dem EURO ist ein konkreter Plan?
Ja.
Und der Ausstieg aus der EU?
Ich möchte eine andere EU. Ich glaube, dass wir die EU brauchen, weil wir in einer globalisierten Welt leben. Und da kann die EU auch viel für die Menschen bieten. Aber derzeit tut sie es nicht. Das heißt, man muss die EU von Innen heraus verändern.
Globalisierte Welt: Es gibt Verhandlungen auf EU-Ebene zum Thema TTIP und europäische Freihandelszone: Wie ist da Ihr Zugang?
Es ist wichtig und gut, dass die EU mit anderen Kooperationen macht und Abkommen schafft. Nur müssen die den gemeinsamen Markt stärken. Das heißt, wir brauchen starke Binnenmarkt-Außengrenzen und es muss für die europ. Länder von Vorteil sein. Das heißt, wir können nicht Abkommen verhandeln, damit andere Länder, einfacher ihre Produkte bei uns verkaufen können.
Angenommen, ihr schafft die 2.600 Unterstützungserklärungen...
...die schaffen wir sicher... Seit gestern Abend schreiben uns schon so viele: Wo können wir unterschreiben?
...angenommen ihr macht den ersten Schritt im Europaparlament mit einem Mandat. Woran würden Sie dann erkennen, dass Sie mit ihrem politischen Einsatz Erfolg haben?
Wenn sich wieder mehr Menschen für Europa interessieren und wenn die Wahlbeteiligung am 25. Mai 2014 höher ist, als bei der letzten Wahl. Jeder, der EU-kritisch ist, soll auch zur Wahl gehen und soll nicht zu Hause sitzen und sagen:
"Denn nur mit Deiner Stimme kannst Du etwas bewegen".