neuwal (Dieter Zirnig): Schönen guten Tag, Frau Angelika Werthmann. Sie sind derzeit beim BZÖ und dort als unabhängige Kandidatin. Wie kann ich mir das vorstellen?
Angelika Werthmann: Ich bin in der Tat unabhängige Kandidatin. Und die Liste ist eine unabhängige Liste. Das Programm ist gemeinsam entwickelt worden. Man hat uns aber freie Hand gelassen. Wir haben Punkte gesucht, bei denen wir Verbesserungen und Lösungsvorschläge haben. Und das wird seitens der Partei voll und ganz unterstützt.
Wofür treten Sie auf EU-Ebene ein?
Uns ist ganz wichtig, dass der Bürger wirklich im Fokus steht. Wir wollen definitiv mehr Bürgerrecht, mehr aktive Beteiligung.
Wenn es zum Beispiel zu Vertragsänderungen kommt, oder in wirklich großen Fragen muss eine Volksabstimmung sein, die letztlich auch verbindlich ist. Wir wollen Einsparungen zum Wohle unserer Bürger und Bürgerinnen. Stichwort: Straßburg. Warum haben wir nach wie vor den Reisezirkus? Hier kann man sehr viel Geld einsparen. Stichwort Jugendarbeitslosigkeit oder die Arbeitslosigkeit der Generation 50+. Hier gilt es viel zu tun. Die Gelder, die man woanders einspart, in der Verwaltung, im Reisezirkus, kann man hier aktiv in Projekt geben, die natürlich zum Wohle der Bürger und Bürgerinnen sind.
Wir wollen höhere Löhne, wir wollen niedrige Steuern. Uns ist wirklich wichtig, dass wir den Bürgern zuhören und die EU so, wie es in den letzten fünf Jahren gelaufen ist, ist nicht das, wo der Bürger im Vordergrund steht.
Eine der wesentlichsten Fragen bei der EU-Wahl ist: In welcher Fraktion treten Sie jetzt mit dem BZÖ an?
Das wird sich noch zeigen. Sie werden verstehen, dass alle meine Zeit und Kraft und Gedanken im Moment im Wahlkampf sind. Sie wissen, ich bin aus der Aktion der ALDE ausgeschlossen worden. Auf Grund dessen, dass ich auf der damaligen Liste Dr. Ulrike Haider-Quercia kandidiert habe. Die Frage wird gemeinsam mit dem Parteivorstand zu entscheiden sein. Es wird auf jeden Falle eine Fraktion geben.
Wie sieht Ihre Kandidatenliste derzeit aus?
Wir haben 41 Kandidaten. Sehr viele kommen direkt aus den Reihen vom BZÖ.
Welche Chancen rechnen Sie sich aus? Was ist Ihr Ziel?
Auf jeden Fall ein Mandat. Wir freuen uns aber, wenn es mehr werden.
Wenn wir jetzt über die Landesgrenzen hinweg schauen: Welche ähnlichen Parteien gibt es, wie das BZÖ, wo Sie sagen, dass sie uns ähnlich sind und da kann man gemeinsam Europapolitik machen?
Ich denke, mit der Frage beschäftige ich mich dann nach der erfolgreichen Wahl, wo man sagt, man könnte vielleicht gemeinsam eine neue Fraktion bilden.
Wenn Sie nun auf Europa und die EU blicken. Was fällt Ihnen auf: Was ist positiv und gehört weiter fortgesetzt?
Auf jeden Fall, dass sich die Bürgerinnen und Bürger frei bewegen können. Ich komme aus Salzburg. Man genießt es, mal schnell über die Grenze ins Nachbarland auf einen Ausflug zu fahren oder einfach nur einkaufen zu gehen. Das hört man immer wieder von den Bürgerinnen und Bürgern. Der heutigen Jugend ist es eigentlich gar nicht so bewusst, was es heißt, keinen Reisepass mehr vorzeigen zu müssen. Viele junge Leute verstehen aber sehr wohl, dass es auch ein riesen Vorteil ist, wenn wir nach Freilassing oder nach Italien fahren können, dass wir keine Wechselkursgebühren mehr haben. Das soll weiterbestehen bleiben.
Und was sind die Punkte, wo Sie sagen, das ist weniger gut und gehört nachgeholfen?
Definitiv in der Sicherung der Grenzen. Griechenland oder die Türkei zum Beispiel oder Lampedusa. Hier gehört ganz sicher mehr Informationspolitik betrieben.
Aus jenen Ländern, aus denen die Flüchtlinge zu uns kommen. Man muss den Leuten erklären, was eigentlich die Europäische Union bedeutet. Ich habe ein sehr interessantes Gespräch gehabt in Griechenland. Und zwar im Rahmen einer Delegation, wo uns eine Afrikanerin erzählt hat, was ihr widerfahren ist. Ihr Mann ist auf der Flucht gestorben. Sie hat gesagt, Sie hätte die Reise nie angetreten, hätte Sie gewusst, dass es in der Europäischen Union so schwierig ist, zu überleben. Ihr wurde versprochen, dass es in der EU Arbeit, Ausbildung und genug zu essen gäbe. All das ist nicht ihre Erfahrung. Wir brauchen Aufklärung, um damit viele Schicksale und Entwicklungen in manchen Familien verhindern zu können.
Wie könnte man das umsetzen?
Mehr Informationspolitik. Hier braucht es seitens der EU mehr Vertreter. Direkte Gespräche mit den Leuten, die, nennen wir es beim Namen, flüchten wollen, auf Grund der Missstände in ihren eigenen Ländern. Aber auch ganz klare Überwachung. Schlepperringe. Hier gibt es ja genug Ansatzpunkte.
Wir wollen jetzt mehr wissen. Was sind ihre politischen Ideen für Europa? Wofür sollen Sie die Wählerinnen und Wähler wählen?
Wir haben die zwölf neuen Sterne. Wir haben uns die Punkte herausgesucht, wo wir gesagt haben, dass es da Handlungsbedarf gibt: Mehr Bürgerrechte. Zum Beispiel besserer Schutz der Privatsphäre. Mehr Bürgerbeteiligung.
In großen Fragen wollen wir verbindliche Volksabstimmungen. Wir wollen Einsparungen in der Verwaltung. Wir wollen keine Spekulantensteuer.
Wir wollen nicht, dass das Geld weiterhin bei den Banken ankommt und die Banken gestützt sind, sondern, wir wollen, dass Gelder, die bezahlt werden, auch wirklich bei den Bürger und Bürgerinnen ankommen.
Wenn Investitionen getätigt werden, wollen wir, dass die Investition in die Wirtschaft getätigt wird: Konkrete Unterstützung von KMUs, Startups. Konkrete Investition und mehr Förderung der Bildung: ERASMUS-Programme. Die Jugend muss eine Chance haben. Es ist leider für manche Leute in ihren Herkunftsländern so, dass sie zwar sehr gerne ins Ausland gingen, aber das Geld für die Reise oft nicht vorhanden ist. Hier muss man schauen, wie man die Jugend konkret in den eigenen Ländern fördern kann.
Eine Nachfrage zum Thema Volksabstimmungen. Wie sieht bei Ihnen die Vorstellung zum Thema Direkte Demokratie aus und worüber wollen Sie das Volk abstimmen lassen?
Den Lissabon-Vertrag haben wir, aber er funktioniert in vielen Punkten nicht. Wenn es hier zu Vertragsänderungen kommt, dass er auch in der Tat in allen Ländern der EU eine verbindliche Volksabstimmung stattfindet. Das ist ein grundlegender Punkt einer Volksabstimmung.
Nehmen wir das Beispiel, wann in Österreich zuletzt über Europa befragt worden: Das liegt einige Jahre zurück. Hier darf also gerne ein bisschen mehr sein. Und ich glaube, wenn das Volk mit einbezogen wird, dann hätten viele Punkte in der Europapolitik eine andere Wendung genommen. Und die Leute würden auch wieder mehr Freude haben und besser verstehen, was eigentlich getan wird.
Zum Thema Förderung der Bildung: Wie kann das aussehen und welche Maßnahmen können gesetzt werden?
Noch mehr Gelder für ERASMUS. Hier kann man wesentlich mehr Projekte fördern.
Hier kann man die Jugend mit wesentlich mehr Geldern fördern. Ich darf nur kurz in Erinnerung rufen: 2012 gab es auf europäischer Ebene nicht mehr genug Gelder, um diese Stipendien auszubezahlen. So etwas darf es einfach nicht mehr wieder geben. Es muss für die Jugend genug Geld da sein.
Bildung halte ich persönlich für einen Grundstein in der Entwicklung der jungen Menschen. Es ist auch mein persönlicher Aufruf an jeden Menschen, wirklich ein Leben lang zu lernen. Das trifft eben auch die Generation 50 plus. Wo viele gekündigt werden, weil sie kurz vor der Kündigung stehen. Die Betroffenen stehen dann eigentlich auf der Straße. Viele sind das Lernen nicht mehr gewohnt. Und ich sage immer, egal welcher Kurs, Hauptsache man bleibt am Ball und weiß, was Lernen bedeutet. Ich glaube, hier könnte man auch durch entsprechende Projekte, die es zu entwerfen gilt, auch die ältere Generation mit ins Boot holen.
Woran würden Sie letztlich ganz konkret merken, dass Sie mit Ihrer Arbeit auf europäischer Ebene Erfolg haben?
Ich habe zwei Jahre dafür gekämpft, dass ein Abänderungsantrag ins europäische Budget aufgenommen wird, der konkret die Generation 50+ betrifft. Heuer ist es mir gelungen. Zunächst ist es mit etwas Vorbehalt diskutiert worden. Es ist dann von der EGP und der S&D zu einem großen Teil unterstützt worden. Und, das war für mich ein konkreter Erfolg.
Woran würde es die österr. Bevölkerung merken?
Dass es eben auch in Österreich Initiativen gibt oder geben wird, die der Generation 50+ ganz konkret angeboten werden, um aus dem Teufelskreis Arbeitslosigkeit rauszukommen.
Wo sehen Sie Europa in zehn Jahren?
Ich hoffe, dass es die EU als Friedensunion gibt. Wenn wir ein bisschen über die Grenzen schauen, dann wissen wir, dass es da und dort brodelt. Innerhalb unserer eigenen Grenzen erinnern wir uns an die Demonstrationen in Griechenland, Zypern, Spanien. Hier sind sehr viel soziale Unruhen.
Ich hoffe, dass sich das alles wieder beruhigt. Zu hoffen ist auch, dass, bevor wir an eine Erweiterung denken, die EU die bestehenden Probleme, die es in der EU gibt, vor allem in finanzieller Hinsicht zunächst einmal löst.
Und auf nationaler Ebene: Wo sehen Sie Österreich in zehn Jahren?
Das ist schwer zu sagen, weil es von den nächsten fünf Jahren ankommt. Welchen Weg geht die Europäische Union. Welchen Weg geht konkret Österreich. Ich hoffe, dass die Arbeitslosigkeit massiv reduziert ist in zehn Jahren. Dass unsere Schulden massiv reduziert sind. Die jüngsten Entwicklungen im österr. Haushalt sind alles andere als erfreulich.
Wie grenzen Sie sich bspw. von den Grünen oder NEOS ab?
WordrapWir schauen sehr wohl auf den Bürger. Wir bieten konkrete Sachpolitik an. Wir bieten konkrete Vorschläge an. Wir sind gegen Privatisierung des Wassers, Gesundheitssektors. Gesundheit muss für jeden ohne Wenn und Aber leistbar sein. Im bestehenden Gesundheitssektor können wir natürlich über Effizienz und Kosteneinsparungen reden. Aber ganz sicherlich nicht zu Lasten der Bevölkerung. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich glaube, mit den Grünen haben wir relativ wenig Berührungspunkte. Auch uns ist eine Saatgutverordnung wichtig, dass es ein No-Go ist. Auch uns sind gentechnikfreie Lebensmittel wichtig. Auch uns ist eine gesunde Umwelt, alternative Energien wichtig. Atomkraft selbstverständlich Nein. Der Mensch steht einfach bei uns im Vordergrund.
Vor allem der Mittelstand, der uns wichtig ist. Und mehr Investition in Bildung, in den Bereich Wirtschaft, Erhaltung der regionalen Lebenswelt: KMUs im Agrarsektor, etc.
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EURODas ist die Währung, die wir jetzt haben. Hoffen wir, dass es gut geht.
Nationale WährungenDie gab es einmal.
EU AustrittZum gegenwärtigen Zeitpunkt muss man die Entwicklungen absehen.
EU NeubeitritteUnter den finanziellen Bedingungen, wie wir sie jetzt in der EU haben: auf keinen Fall.
Neutralitätist ebenso ein wichtiges Thema, sollte für Österreich gar nicht zur Diskussion stehen.
Netzneutralitätist ein wichtiges Thema.
BildungEin absolutes Muss für jeden Bürger, für jede Bürgerin, egal welchen Alters. Lebenslanges Lernen ist wichtig.
Startups und EntrepreneurshipGanz wichtiges Thema. Hoffentlich gibt es mehr Gelder dafür, um den Wirtschaftssektor wieder anzukurbeln.
Jugenarbeitslosigkeit Sind katastrophale Entwicklungen in Österreich als auch in der EU. Ich hoffe, wir können es in den nächsten fünf Jahren in den Griff bekommen.
GrenzenHaben wir: Außengrenzen. Und innerhalb der EU gilt die Reisefreiheit.
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