Athen/DüsseldorfElina und Iakovos können nichts tun. Die jungen Griechen sind Teil des Dramas, das sich seit Jahren in ihrem Land abspielt - und doch können sie nur zusehen, schwankend zwischen Angst, Wut und Hoffnung. „Die vergangenen Wochen waren sehr anstrengend", sagt eine, die bei der griechischen Tragödie nur im Publikum sitzt.
Elina Makri, 33 Jahre alt, hat mit Familie und Freunden die Sitzungen des Europäischen Parlaments bis tief in die Nacht hinein verflogt. „Die Menschen sind am Freitag ins Bett gegangen und am Samstagmorgen wurde ihnen verkündet: Ihr müsst entscheiden." So beschreibt sie die Situation vor dem Referendum, bei dem Premier Alexis Tsipras über den Reformkurs der Gläubiger abstimmen ließ. Dann kam das mehrheitliche Nein ihrer Landsleute, jetzt wieder die Annährung mit den Geldgebern. Die griechische Journalistin und Unternehmerin bleibt nach der Einigung allerdings weiterhin mit einem Gefühl der Unsicherheit zurück. „Ich habe Angst, dass sie etwas entscheiden, und ich die Kontrolle verliere."
Die griechischen Privatisierungspläne
Allen voran stehen die griechischen Eisenbahnen (TRAINOSE) zur Privatisierung an. Die Bahngewerkschaft hat einen harten Kampf gegen diesen Verkauf angekündigt. Bereits am Montag legten die Eisenbahner für mehrere Stunden die Arbeit nieder, obwohl es noch keinen konkreten Vorschlag für den Verkauf der TRAINOSE gibt.
Als „Alptraum" für jede griechische Regierung gilt der geplante Verkauf von Teilen der Elektrizitätsgesellschaft (DEI) und ihres Stromnetzes. Die Gewerkschaften sind dort so stark, dass sie im Land mit umfangreichen und langen Streiks das Licht ausgehen lassen könnten. Die Zukunft des Gasnetzes DESFA ist noch unklar.
Makri steht für eine Generation gut ausgebildeter junger Menschen, die in Griechenland gegen Job- und Hoffnungslosigkeit kämpfen. Kämpfen muss auch Iakovos Dimitrious. Trotz des beschlossenen neuen Hilfspakets sieht der 25-Jährige die griechische Volkswirtschaft verkümmern. „Wir haben einen enormen Braindrain", klagt der Politikwissenschaftler.
Alle gut ausgebildeten Leute sind ins Ausland gegangen, um dort Karriere zu machen. Das merke er auch in seinem Freundeskreis. Viele seien schon weg. Dimitrious will trotzdem in Griechenland bleiben. Das Land brauche gut ausgebildete Menschen, um wirtschaftlich auf die Beine zu kommen, sagt er. „Alles andere führt uns in eine Sackgasse", sagt er.
Wie ein Schuldenschnitt Europas Steuerzahler belasten würde
... drückt Griechenland. Ein teilweiser Schuldenerlass und massive Hilfe durch die Euro-Partner über die vergangenen fünf Jahre haben die Probleme des Krisenlandes nicht kleiner werden lassen. Angesichts des drohenden Staatsbankrotts wird nun wieder über einen Schuldenschnitt diskutiert. Er würde aber dieses Mal direkt die europäischen Steuerzahler treffen.
Griechenlands Schulden liegen inzwischen bei über 300 Milliarden Euro. Noch im Jahr 2008 lag die Staatsverschuldung nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poor's nur bei 109,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für dieses Jahr rechnet sie mit 177,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Grund für den Anstieg sind auch die massiven Hilfskredite der Euro-Partner.
183,8 Milliarden Euro. Die Euro-Partner gewährten in einem ersten Hilfspaket 2010 bilateral Kredite von 52,9 Milliarden Euro, Deutschland übernahm davon 15,2 Milliarden Euro. Im zweiten Hilfspaket von 2012 erfolgte die Hilfe über den Euro-Rettungsfonds EFSF, für den aber auch die Euro-Staaten bürgen. Aus dem Fonds wurden bis zum Auslaufen des Hilfsprogramms am Dienstag 130,9 Milliarden Euro ausgezahlt. Deutschland muss für 29,1 Prozent der Summe gerade stehen, also für rund 38 Milliarden Euro.
Im März 2012 wurden Griechenland 53,5 Prozent der Schulden vor allem bei privaten Gläubigern wie Banken erlassen. Dies entsprach einer Verringerung um etwa 107 Milliarden Euro. Seitdem hat Athen Schulden vor allem nur noch gegenüber öffentlichen Geldgebern wie Staaten und internationalen Organisationen.
In der wähnt sich Makri bereits. An die Zukunft mag sie nicht denken. „Aber ich muss, weil ich einen Plan brauche", sagt die Journalistin. Kürzlich musste sie eines ihrer Start-ups schließen. Vor knapp zehn Jahren hatte sie die griechische Seite des europäischen Online-Magazins Cafebabel.com gegründet. „Es lohnt nicht mehr, dafür zu kämpfen", sagt sie jetzt über das Projekt, das sie nicht mehr finanzieren und für das sie keine Steuern mehr bezahlen kann. Pläne für ein anders Start-up hat sie eingefroren.
Die Plattform Oikomedia, die sie mitgeründet hat, soll Journalisten und andere Medienschaffende vernetzen - Geld verdient sie damit noch nicht. Sie lebt als Freelancer von Projekt zu Projekt. Arbeitslosengeld hat sie nie beantragt. „Ich habe den Überlebensmodus eingeschaltet", sagt sie. Die Krise mache sie entschlossen, „auch wenn ich mich manchmal niedergeschlagen und allein fühle".