David Torcasso

Journalist/Editor, Berlin/Zürich

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Innovation kommt Mobility teuer zu stehen

Scooter: Neu im Angebot von Mobility.

Mobility investiert in selbstfahrende Autos und Scooters, um auf die Konkurrenz aufzuholen. Das drückt auf das Jahresergebnis.


Die Mobility-Gruppe erzielt bei stabilen Erlösen weniger Gewinn: Das Ergebnis wird vor allem durch Investitionen in neue Geschäftsfelder wie etwa das Scooter-Sharing oder selbstfahrende Fahrzeuge gedrückt. Der Umsatz stagniert trotz einer deutlichen Erhöhung der Kundenzahl. Die Nettoerlöse beliefen sich im abgelaufenen Jahr auf 76,2 Millionen Franken - einem Plus von zwei Prozent - wie Mobility am Donnerstag mitteilte.


Die Mobility-Gruppe habe 2017 in die Zukunft investiert, begründete das Unternehmen den Gewinnrückgang. Der forcierte Ausbau neuer Geschäftsfelder habe umfangreicher Vorinvestitionen in Informatik und Personal benötigt. "Wir haben in die Weiterentwicklung der Software rund 3,8 Millionen Franken investiert. Das sind rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr", sagt Patrick Eigenmann, Mediensprecher von Mobility, gegenüber der "Handelszeitung". Wie hoch die Aufwendungen für den Bereich der selbstfahrenden Autos ist, wollte Eigenmann nicht sagen. Der Geschäftsbericht von Mobility erscheint im Mai.


Beim Fortschritt mithalten

Diese Entwicklung kommt nicht überraschend: Mobility musste in jüngster Zeit in neue Technologien und Angebot investieren, um mit Konkurrenten wie LimeBike, die auch bald Scooter in Schweizer Städten lancieren werden, mitzuziehen. "Unser Ziel ist es, ein möglichst breites Angebot zu entwickeln und als umfassender Mobilitätsdienstleister aufzutreten", sagt Eigenmann. Das Unternehmen fürchte sich nicht vor Konkurrenz, da es über eine jahrzehntelange Erfahrung im Carsharing verfüge und inbesondere in Zürich "stark aufgestellt" sei.


Es tut sich aber einiges im Carsharing-Bereich und neue Angebote enstehen rasant - Mobility hat erkannt, dass es mit neuen Innovationen mithalten muss. So spannen im benachbarten Deutschland die beiden Carsharing-Platzhirsche Car2go und Drive Now zusammen. Car2Go mit Daimler und Europcar im Hintergrund und Drive Now mit BMW und Sixt gelten als die Platzhirsche auf dem deutschen Carsharing-Markt. Über die Plattformen können Kunden flexibel ein Auto mieten, einen festen Standplatz gibt es nicht. Die Nutzer "finden" das Auto über eine App. Abgerechnet wird pro Minute.

Der amerikanische Gigant Uber tüftelt an selbstfahrenden Autos, BMW und Mercedes lancieren Auto-Abos in Europa und selbst vor der Haustür ist Konkurrenz in Sicht. Stromkonzern Alpiq hat angekündigt, ein Monatsabo für Elektroautos ins Angebot zu nehmen. In deutschen Grossstädten wie Berlin oder München buhlen bereits mehrere E-Scooter-Startups um die Gunst von Kunden. Ein Einzug in den Schweizer Markt ist nicht ausgeschlossen.


Basel und Genf machen den Anfang

Zudem gibt es gegenüber anderen Ländern beim Mobility-Angebot einen entscheidenden Unterschied: Bei Mieten eines Autos von Car2go oder Drive Now kann der Benutzer das Auto nach der Fahrt an einem beliebigen Standort, beispielsweise direkt vor seiner Haustüre, abstellen, während die meisten Mobility-Autos bei vorgesehenen Standorten deponiert werden müssen. Auch wenn diese Standorte mittlerweile dicht verteilt sind und die Schweizer Städte eine andere Grösse als Berlin oder Paris aufweisen, ist der Kunde weniger flexibel.


Mobility hat 2014 mit "Catch a Car", einer Tochtergesellschaft der Genossenschaft, in Basel und 2016 in Genf eine Testphase mit einem stationsungebundenen Carsharing-Angebot durchgeführt. Diese rund 250 Autos lassen sich per Smartphone orten und ohne Reservation benutzen. Die Fahrt kann an einem beliebigen Ort innerhalb einer Zone beendet werden. Car2go hat im deutschen Ulm vor genau zehn Jahren erstmals ein solches Angebot getestet.

 

Ambitioniert: Selbstfahrende Autos

Um jetzt aber zu beweisen, dass Mobility mit anderen Anbietern Schritt halten will, rühren die Luzerner mit grosser Kelle an und investieren in ein Feld, das zurzeit vor allem zwischen deutschen Autoherstellern und amerikanischen Tech-Giganten ausgehandelt wird: selbstfahrende Autos. "In der Schweiz wird es in nicht allzu ferner Zukunft völlig normal sein, per Knopfdruck ein selbstfahrendes Fahrzeug zu bestellen und sich zum gewünschten Ziel chauffieren zu lassen", lässt sich Mobility-Geschäftsführer Patrick Marti auf der Firmen-Website des Mobilitätsunternehmens zitieren.

Inbesondere wenn diese Fahrzeuge als Sammeltaxis im Einsatz seien, würde das Konzept des Carsharings neue Dimensionen annehmen, so Marti. Entsprechend gross sei das Interesse von Mobility an der Technologie, erklärt der Geschäftsführer. "Wir wollen in der Schweiz die Vorreiterrolle einnehmen und verschiedene Pilotprojekte vorantreiben. Denn wenn jemand weiss, wie man Fahrzeuge intelligent teilt, dann wir."


In Zug hat es (noch) nicht geklappt

Die Worte des Geschäftsführers sind zwar ambitioniert, aber die Realität hat Mobility bereits schon einen Strich durch die Rechnung gemacht: Ein Zusammenschluss von SBB, Mobility, Zugerland Verkehrsbetriebe und der Stadt Zug präsentierte vor etwa genau einem Jahr den selbstfahrenden Bus "Olli", der sich in der Stadt Zug ohne Fahrer im regulären Verkehr hätte bewegen sollen. Im September letzten Jahres wurde jedoch bekannt, dass der Bus durch eine neues Modell namens "Milo" ersetzt werden müsse, da es Verzögerungen beim Hersteller gab. Laut letzten Medienberichten soll der autonome Bus im Frühjahr zum Einsatz kommen.


Von solchen Hindernissen lässt sich Mobility-Chef Marti nicht abbringen: "Wir bauen heute die Mobility von morgen auf." Dazu gehört die kürzlich verkündete Erweiterung des Angebots um Elektroroller. Sie sollen ab dem 19. April in der Stadt Zürich zur Verfügung stehen und erstmals eine Flotte von 200 E-Scooter umfassen.


Besser jetzt als nie

Punkten kann Mobility hingegen bei den Kundenzahl: Diese erhöhte sich im vergangenen Jahr um 34,5 Prozent auf 177'100. Das liegt aber vor allem daran, dass neu alle rund 40'000 Click & Drive-Fahrer zum Kundenstamm hinzu gezählt werden. Das ist ein Angebot, das speziell für Gelegenheitsnutzer konzipiert ist und seit über zehn Jahren besteht. Die Zahl der Genossenschafter stieg um 3200 auf 66'400.


Die Investitionen seitens Mobility sind jedenfall nötig, auch wenn sie das aktuelle Ergebnis schmälern. Denn wenn Mobility jetzt nicht handelt, um bei der Mobilität der Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, lassen sich auch in Zukunft keine Gewinne mehr erwarten.

Die hypermobilen Kunden von heute wählen das beste und unkomplizierteste Angebot, um von A nach B zu gelangen. Warum sollte das nicht von einem deutschen oder chinesischen Unternehmen kommen? Mobility-Pressesprecher Eigenmann gibt sich zuversichtlich: "Wir arbeiten an weiteren Geschäftsfeldern und Angeboten, die wir in Eigenregie entwickeln. Davon wird dieses Jahr bestimmt noch einiges ins Leben gerufen".

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