David Torcasso

Journalist/Editor, Berlin/Zürich

1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

"Ich wünsche mir, dass das Adjektiv ‹weiblich› in Zukunft unnötig wird."

Zahlen bestätigen dies: Laut einer Studie des Swiss Startup Monitors sind in der Schweiz nicht einmal 6 Prozent der Start-up-Gründerinnen weiblich. Deshalb hat eine Studie des Seco vor einigen Jahren einen Massnahmeplan zur verbesserten Förderung von Gründerinnen und Unternehmerinnen in der Schweiz erarbeitet - aus der Erkenntnis heraus, dass Männer bei der Firmengründung eher Unterstützung in Form von Fördergeldern erhalten als Frauen.

Um mehr Frauen dazu zu bewegen skalierbare Unternehmen zu gründen - speziell im Technologie-Bereich - entstehen zurzeit weltweit zahlreiche Initiativen. In Berlin gibt es bereits mehrere Initiativen, die Frauen für das Unternehmertum begeistern soll und sie auffordert, die Gestaltung der Zukunft nicht nur den Männern zu überlassen.

"Frauen sind risikoscheuer"

Nun scheint das Engagement für Frauen als Unternehmerinnen auch in der Schweiz angekommen zu sein: Gestern Abend präsentierte sich der neu gegründete Verein Aspire erstmals in Zürich der Öffentlichkeit. Aspire will Frauen hierzulande ermutigen, sich als Unternehmerinnen im Bereich ICT und Technologie zu betätigen. Eine der Co-Gründerinnen ist Melanie Kovacs, die sich bereits seit einiger Zeit stark im Bereich Startups und Entrepreneurship engagiert. Kovacs ist auch Mitorganisatorin des Zürcher Start-up-Weekends, einem Programm zur Gründung von Unternehmen. Bei ihren Besuchen in Schweizer Unternehmen und Startups habe ihr immer die Frauenstimme gefehlt, sagt sie. Um Frauen zu ermutigen und weibliches Unternehmertum zu fördern, mitbegründete sie Aspire. "Ich wünsche mir, dass das Adjektiv ‹weiblich› in Zukunft unnötig wird", sagt Kovacs.

Der Verein Aspire wurde gegründet, um angehende und bereits erfolgreiche Unternehmerinnen mit einem Netzwerk zu unterstützen. Ziel der Organisation ist es, Ausbildungen in den Bereichen Technik, Informatik, Kreativität und Führung anzubieten. Frauen seien heutzutage immer noch untervertreten, weil sie das Unternehmertum nicht als Option betrachten, sagt Kovacs. "Frauen sind etwas risikoscheuer und haben Angst vor dem Scheitern." Sie glaubt jedoch daran, dass Aspire Mädchen und Frauen zeigen kann, wie Technologien ihnen Möglichkeiten für die Zukunft bieten können.

"Es braucht mehr Vorbilder"

Neben Kovacs sind bei Aspire noch Sofia Sharkova und auch ein Mann, Simon Kaiser, an Bord. Dabei möchte Aspire das Thema positiv angehen und vor allem mit Vorbildern, also Geschichten, arbeiten. Kovacs ist überzeugt: "Es braucht mehr ermutigende Vorbilder. Dieser Rolle müssen sich auch Unternehmerinnen bewusst sein." Um den ersten Schritt zu machen, haben Kovacs und ihr Team 27 Unternehmerinnen interviewt und Fotos von ihnen gemacht. Gestern Abend präsentierten sie die Arbeiten und eine Fotoausstellung an der offiziellen Lancierung des Vereins im Zürcher Lagerhaus. Die Ausstellung läuft nun einen Monat lang.

Neben der US-amerikanischen Botschaft unterstützt auch die kantonale Stelle für Gleichstellung von Mann und Frau den Verein. Leiterin Helena Trachsel ist angetan von der Initiative: "Das Projekt von den jungen Machern von Aspire packt das Thema auf eine lustvolle Art und Weise an und fördert das Miteinander." Laut Trachsel soll der Spirit, ein eigenes Unternehmen zu gründen bei Frau und Mann gleich sein: "Entrepreneurship kennt kein Geschlecht." Trachsel lobt auch den Ansatz von Aspire, mit Vorbildern und Erfolgsstorys zu arbeiten und nicht vorwiegend über Frustration von Frauen zu sprechen: "Mit Geschichten von Vorreiterinnen schaffen sie eine Grundlage, damit junge Frauen sich selbst Gedanken machen, ohne dass ein solches Vorhaben in etwas Gezwungenes kippt." Der Kanton habe dafür Verbindungen zu Unternehmerinnen geschaffen und Kontakte vermittelt.

Bei den Schulen anfangen

Die Fotoausstellung mit den Erfolgstories ist aber nur der Anfang: "Danach geht es mit konkreten Workshops und Mentoring-Programmen weiter", sagt Kovacs. Mitte Juni startet Aspire ein Bewerbungsverfahren, um Teilnehmerinnen mit Mentoren zusammenzubringen. Der Verein hat sich noch weitere ehrgeizige Pläne gesetzt - etwa Workshops in Schulen. Das gleiche Ziel verfolgt laut Trachsel auch die Gleichstellungsstelle: "Wir konzentrieren uns auf die Berufswahl in Schulen. Sie soll geschlechtsunabhängig geschehen. Dazu braucht es Aufklärung und passende Lehrmittel."

Zum Original