David Torcasso

Journalist/Editor, Berlin/Zürich

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Yves Spink: Projekt Dauerabsturz

Seine Auftritte im Nachtleben sind legendär - er sitzt im Skianzug da. Hinter ihm erstrahlen die Bündner Berge in ganzer Pracht. Hier im Scuoler Bergrestaurant kann man sich kaum vorstellen, wie dieser Mann literweise Wodka getrunken hat, ins Bett kam, wenn die Sonne schien und einmal mit einer Matratze auf dem Rücken durch die Langstrasse spazierte. So besagt es die Legende. Er bestellt sich den dritten VerveineTee, dazu eine Nussstange. "Eine Nussstange - das ist doch wahnsinnig gut!"

Er mag neuerdings Backwaren, aber dazu später. Yves Spink ist ein Partyheld. Wenn er rief, kamen sie in Scharen. Auf seinen Partys, in seinen Bars wollten sie Teil seiner Exzesse sein, weil er ihre eigene Sehnsucht nach dem Rausch lebte. Seine Auftritte inszenierte er in ausufernden Nächten, champagnergetränkten Jacketts und brüllenden "Zürrri"‐Salven aus dem Mikrofon. Jeder konnte eine Geschichte von Yves Spink erzählen. Von dem Mann, der sagt: "Ich habe mich nie gerne mit Leuten unterhalten."

Er hat die Leute mit einer Mischung aus Faszination und Ekel in den Bann gezogen und bei Laune gehalten. Im Talacker, im Longstreet, im Volkshaus - insgesamt ist Spink an sechs Betrieben in Zürich beteiligt. "Mein Beruf war, mein Leben zu führen. Und ja, mein Leben war Feiern. Vielleicht mache ich auch nur das Einzige, was ich kann. Mein Rezept: Mach es mit Herz, mach es intensiv - vor allem, wenn du es in den Genen hast."

Warum aber sitzt er jetzt trotz eines Vierteljahrhunderts Dauerabsturz mit einem Aussehen, das kaum 48 intensive Lebensjahre vermuten lässt, in einer Pistenbeiz und sagt mit einem schelmischen Lächeln: "Wenn ich morgen nach Mikronesien will, dann fliege ich hin."

Als Spink 17 Jahre alt war, zog ihn ein Reporter aus einem In‐Club in Hamburg (wo er nach seiner Kindheit in England lebte) und fotografierte seine Frisur. Mit 21 Jahren kam Spink wegen seines Schweizer Passes nach Zürich. Und fuhr mit seinem Rollbrett direkt in den damaligen Club Roxy hinein. Seinen ersten Job als Fotograf bekam er dort auf der Toilette. Weil er die Nacht zum Tag machte, zahlte er aber keine Rechnungen mehr. Dann wurde Yves Spink Werber - um Schulden abzubezahlen. Einige der Branche kannte er vom Feiern. Er führte dann beispielsweise bei dem Werbeclip "The future's bright, the future's orange" Regie. Ein schönes Leben sei das gewesen, sagt Spink. "Ich bin direkt vom Club ans Set gegangen. Und dort im Stuhl eingeschlafen. Es hat mir Spass gemacht. Du leerst dir ja nicht literweise Wodka in die Birne, wenn es keinen Spass macht."

Die Augenringe hat ihm damals niemand übel genommen. Vielleicht aus Neid, weil sie selber nicht so ein Leben führten. Ausserdem kam seine Arbeit gut an. Als er nach sechs Jahren seine Schulden abbezahlt hatte, hielt ihn nicht mehr viel in der Werbebranche. Im Jahr 2003 eröffnete er mit Partnern das Talacker. Hunderte standen vor der Tür. Spink hatte den Zeitgeist getroffen. Und die richtigen Leute eingeladen. Die Opinion Leader. Die wiederum die Follower anzogen. Spink kann das wie kein anderer. Das Partyleben war sein Businessplan. Sein Kapital sind seine Menschen. Yves Spink kennt mehr Menschen als wir alle zusammen.

"Früher haben mich meine Partner benutzt, weil ich viele Leute angezogen habe und sie dadurch den Laden vollhatten. Jetzt kommen die Leute auf mich zu, weil sie sehen, dass meine Projekte erfolgreich sind und die Betriebe laufen." So war das auch bei der neu eröffneten Bio‐Bäckerei John Baker. Der Spross der Bäckerdynastie Jung, Jens Jung, kam auf der Art Basel auf Spink zu. Gerade von einer Weltreise zurück, begann dieser zu konzipieren, nahm Kurse im Brotbacken. Mit einer grossen Detailversessenheit, wie er sagt. "Einen Szeneladen zu eröffnen, liegt mir im Blut. Die Bäckerei war Neuland. Es ist etwas anderes, als ein paar Whiskeyflaschen in ein Regal zu stellen und deine Freunde einzuladen. Brotbacken ist authentisches Handwerk. Das passt gut zu meinem jetzigen Leben."

Vor fünf Jahren sass er im Garten einer Entzugsklinik im Berner Oberland und hörte sich von einer Patientin an, dass sich in ihrem Magen eine Atombombe befinde. Spink hatte sich mit den vier Monaten in der Klinik abrupt vom Partyleben verabschiedet. Das wollte er schon ein paar Mal. Mit Anfang vierzig klappte es. Danach ist er viel gereist, gesurft, fuhr mit seiner Freundin in die Berge. Bald wird Yves Spink 50 Jahre alt. Was macht er dann? "Jetzt ist die beste Zeit meines Lebens. Ich kann bewusst entscheiden, was ich will. Das habe ich früher nicht gemacht. Bis zu meinem Ausstieg ist alles irgendwie auseinandergebröckelt. Ich war jetzt fast zwei Jahre auf Weltreise. Ich mag es, alleine vor mich hin zu wursteln. Am liebsten würde ich gar nichts mehr machen. Nur noch reisen. Oder eine Familie gründen."

Text: David Torcasso (freier Journalist)Der Text erschien erstmals im "Cicero - ADC Magazin für Kreativkultur", der ADC Galazeitschrift 2014, und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Ringier Verlags in unveränderter Form verwendet. //Bild: Lukas Mäder (lukasmaeder.ch)
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