David Huth

Freier Journalist, Duisburg

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Unter „Mutti" will Peer Steinbrück in Berlin nicht mitregieren

Podiumsdiskussion mit Peer Steinbrück im Goldsaal der Schauburg in IserlohnFoto: Michael May

Attendorn/Iserlohn/Werdohl. Der SPD-Abgeordnete Peer Steinbrück tourt durch NRW. Die Kanzlerkandidaten-Frage ist auf dieser Rundreise allgenwärtig. Ob er selbst, Sigmar Gabriel oder Frank-Walter Steinmeier antreten, darüber verlor er kein Wort. Aber mit Angela Merkel als Kanzlerin will er nicht mehr auf der Regierungsbank sitzen.

Peer Steinbrück hat auf seiner Tour durch Nordrhein-Westfalen eine Botschaft. Er wirbt für Europa und warnt vor den Folgen der Euro-Krise. Zwischen den Zeilen ist aber noch eine andere Botschaft herauszulesen: Er kann Kanzler. So begleitet ihn auch die Frage nach seiner Kandidatur.

Im St.-Ursula-Gymnasium in Attendorn dauerte es zwei Stunden, dann kam sie: Die Frage nach der Kanzlerkandidatur. „Wie schätzen Sie ihre Chance ein, Kanzlerkandidat der SPD zu werden?", fragt jemand aus der letzten Reihe. Peer Steinbrück nimmt es gelassen. So gerne er über Inhalte spricht, weiß er auch, dass Fragen nach Personalien zum politischen Geschäft gehören. Eine Antwort bleibt er den Schülern schuldig. Zwischen ihn, Frank Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel - der Troika - passt in dieser Sache kein Blatt. Die K-Frage wollen sie nicht beantworten - zumindest nicht vor der Wahl in Niedersachsen am 20. Januar 2013.

Es ist überall das gleiche. In Iserlohn sagte Peer Steinbrück dazu: „Wir drei, die wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis haben, auch wenn das andere nicht glauben wollen, werden uns einigen. Aber dieser Tag ist noch nicht gekommen." Dort sprach er am Donnerstagabend vor 350 Zuhörern im Goldsaal der Schauburg. Sollte Sigmar Gabriel als Parteivorsitzender selber antreten wollen, dann will Peer Steinbrück ihm den Vortritt lassen. Und mit Frank-Walter Steinmeier will er sich einigen, sofern Gabriel verzichtet. „Wir werden auf gar keinen Fall gegeneinander antreten", sagte er.

Aber eine andere Personalie stellt er in Attendorn klar. Im Falle einer großen Koalition stünde er nicht erneut als Finanzminister zur Verfügung. „Nicht zum Preis von Merkel", sagt er. Mit „Mutti", sagt er, (gemeint ist: Merkel) will er nicht auf der Regierungsbank sitzen. Es mag politisches Kalkül sein. Erneut mit der CDU zu regieren ist nicht das Ziel der SPD, da will Steinbrück diese Zweckehe nicht heraufbeschwören. Derzeit gibt es keine Mehrheit für Rot-Grün. Und die FDP schlägt alle Offerten aus.

Aber zunächst nimmt er für die Attendorner Gymnasiasten auf der Schulbank Platz. Später schreitet er ans Rednerpult. Die Schüler bitten ihn, ob er nicht eine Rede wie im Bundestag halten könne. Lange bitten lässt er sich nicht. Ganz der Polit-Profi, fällt ihm eine spontane Rede nicht schwer.

Er spricht über die Zukunft Europas und warnt vor „nationaler Eigenbrötlerei". Dabei sähe er es gerne, wenn „wir nationale, souveräne Rechte an die europäischen Institutionen abgeben". Europa müsse eben näher zusammenrücken - vor allem in Haushaltsfragen -, wenn es um die Eurokrise geht. Damit ist der gebürtige Hamburger ganz auf Linie mit seinen Troika-Kollegen. Auch diese Botschaften sind überall die gleichen. In Hilden, wo Peer Steinbrück seinen Wahlkreis hat, in Bielefeld und in Marl.

Die Pausenglocke klingelt. „Herr Präsident, ich komme zum Ende", scherzt er. Die Schüler lachen. Der Pragmatiker Steinbrück kann lustig sein. Das ist die zweite Botschaft, die er unter das Volk bringen will. Er schafft es, die Menschen vor Ort und die Parteibasis für sich zu begeistern. Das, so sagten ihm viele lange Zeit nach, sei nicht seine Stärke. Im Rennen um die Kanzlerkandidatur scheint er mit dieser Strategie Boden gut zu machen. Die Umfragewerte sprechen für ihn.

Während der Sommermonate war es ruhig um den ehemaligen Bundesfinanzminister und NRW-Ministerpräsidenten geworden, während sich Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier als Stichwortgeber in den Medien hervortaten. Peer Steinbrück war im Urlaub in Afrika. Auf Safari. Die Politik ließ er ruhen.

Mit der Tour durch Nordrhein-Westfalen und einigen Interviews in überregionalen Zeitungen meldete er sich aus der Sommerpause zurück. Das hätte aber nichts mit seiner möglichen Kandidatur zu tun. „Es ist keine besondere Tour, sondern mein ganz normales Geschäft", so Peer Steinbrück. Das mag so sein. Fest steht aber, dass er sich so wieder ins Gespräch gebracht hat.

Zum Abschluss seiner Tour geht es nach Werdohl: Gespräch mit dem Mittelstand. Und am Abend besucht Steinbrück das Spiel Dortmund gegen Bremen. Mit Fußball kann man auch Sympathien gewinnen.

David Huth und Thomas Pütter

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