Im professionellen Fußball bekommen Frauen in Deutschland nach ihrer aktiven Karriere kaum eine Chance. Ex-Nationalspielerin Julia Simic sieht dabei auch den DFB in der Verantwortung und übt zum Ende ihrer Karriere harsche Kritik am Verband.
Julia Simic hat sich nie zurückgehalten. Wenn es um das Ansprechen von Missständen im deutschen Frauenfußball ging, war sie zur Stelle. Sie forderte Schalke und den BVB öffentlich auf, sich stärker im Frauenfußball zu engagieren, rief regelmäßig nach besserer Bezahlung der Spielerinnen und kämpfte immer wieder für eine professionellere Infrastruktur für alle Frauenteams. Nun hat Julia Simic ihre aktive Laufbahn beendet. Nach Stationen beim FC Bayern München, 1. FCC Turbine Potsdam, VfL Wolfsburg, SC Freiburg und West Ham United stand die 32-jährige zuletzt beim AC Mailand unter Vertrag. Was Simic als nächstes machen möchte, kann sie sich bereits gut vorstellen: Sie will eines Tages als Trainerin arbeiten.
Ein logischer nächster Karriereschritt, zumindest im Männerfußball. Im professionellen Frauenfußball sieht die Realität hingegen anders aus. Kaum eine Fußballerin wird derzeit nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn Trainerin im deutschen Profifußball, auch auf Funktionärsebene sind Frauen unterrepräsentiert. In den drei höchsten Spielklassen der Herren ist aktuell kein Trainerposten von einer Frau besetzt, auch in der Bundesliga der Frauen waren am Ende der vergangenen Saison ausschließlich Männer als Cheftrainer tätig. Der SC Sand war bis April der einzige Verein der Bundesliga mit einer Trainerin, bis Nora Häuptle durch Alexander Fischinger ersetzt wurde. Mit Inka Grings und Imke Wübbenhorst haben es in der Vergangenheit zwar Frauen auf die Trainerbänke von zwei Regionalligisten geschafft, doch diese beiden Beispiele bleiben Ausnahmen. Unter den 25 Absolvent*innen des aktuellen Fußball-Lehrer-Lehrgangs des DFB im Mai waren nur zwei Frauen.
„Gerade der Verband könnte in dieser Hinsicht ein Zeichen setzen"
Was muss in Zukunft passieren, um Frauen auch nach ihrer aktiven Karriere mit in den professionellen Fußball einzubinden? Wo liegen derzeit die Probleme? Im Gespräch mit watson.de ist sich Julia Simic sicher, dass sich vor allem der grundsätzliche Umgang mit Frauen im deutschen Profifußball zukünftig weiter wandeln müsse.
„Wenn ich darüber nachdenke, wen ich im Profibereich mal trainieren kann, komme ich innerhalb Deutschlands auf die zwölf Frauen-Bundesliga-Vereine. Man denkt, dass es als Frau total unrealistisch ist, zeitnah Männer höher als Bayern-Liga zu coachen. Das ist eigentlich eine vollkommen falsche Herangehensweise."
Die Quote muss erhöht werden
Doch wie können zukünftig auch Frauen eine entscheidende Rolle in der Besetzung von wichtigen Positionen im Fußballgeschäft spielen? Für die ehemalige Nationalspielerin ist die Lösung naheliegend: Die Frauenquote bei Trainerlehrgängen müsse weiterhin erhöht und Frauen insgesamt aktiver in die Verbandsarbeit mit eingebunden werden. Dabei nimmt Julia Simic besonders auch den DFB als größten nationalen Sportverband der Welt in die Verantwortung und übt Kritik an der geringen Beteiligung von Frauen in der Verbandsarbeit:
„Gerade der Verband als Aushängeschild könnte in dieser Hinsicht ein Zeichen setzten. Man sagt, man will den Frauenfußball genauso fördern wie den Männerfußball, aber gibt Frauen eigentlich keinen Einlass in andere Positionen. Eine Frau kann im Fußball genauso gut im operativen oder repräsentativen Geschäft tätig sein."
Die Vorwürfe von Julia Simic in Richtung DFB sind schwer von der Hand zu weisen: Zwar sollte beim letzten ordentlichen DFB-Bundestag im Jahr 2019 mit dem „Projekt Zukunft weiblich“ eine Weiterentwicklung des Frauenfußballs in Deutschland eingeleitet werden und auch der ehemalige DFB-Präsident Fritz Keller war mit dem Anspruch angetreten, besonders Frauen im Fußball fördern zu wollen. Das 18-köpfige Präsidium wurde auf dem gleichen DFB-Bundestag dennoch mit nur einer Frau besetzt: Hannelore Ratzeburg ist derzeit Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball.
Die geringe Frauenquote beim DFB kritisierten zuletzt auch neun bekannte Frauen aus der Fußballwelt mit ihrem Positionspapier „Fußball kann mehr“. Die Initiative fordert unter anderem, dass bis 2024 eine Quote von 30 Prozent Frauen in Präsidium, Vorstand und Geschäftsführung bei Verbänden, aber auch in den Aufsichtsräten der Profivereine installiert werden.
Simics Pläne
Julia Simic unterstützt die Initiative mit ihren Aussagen und führt ihr ewiges Engagement für mehr Mitspracherecht von Frauen im Fußball fort. Die 32-jährige unterstreicht mit ihrer Kritik am DFB zum Abschluss ihrer Karriere erneut, wofür sie in ihrer gesamten Zeit als Spielerin stand. In ihrer Laufbahn ist Julia Simic nie müde geworden, Missstände anzusprechen und Investitionen in den Frauenfußball zu fordern. Während ihrer aktiven Zeit hat sie viele Fortschritte im Frauenfußball erlebt. Gleichwohl weiß sie, dass noch viel zu tun ist, um den Frauenfußball in Deutschland weiter voranzubringen. Bereits während ihrer Karriere hat Julia Simic damit begonnen, sich weiter für den Mädchen- und Frauenfußball zu engagieren und die „Julia Simic Football Academy“ gegründet. Hier möchte die 32-jährige Mädchen fördern und für den Fußball begeistern, auch mit Hilfe einer Trainingsapp. Und wer weiß? Vielleicht wird sie ja eines Tages auch Trainerin eines Profiteams.