Ein Soul-Album voller Durchsetzungsmacht, ein Roman von Daniela Krien über eine ziemlich festgefahrene Beziehung und Musik von der "Dirigentin des Jahres" - das sind die SPIEGEL-Kulturtipps der Woche.
Ihre Stimme hat die Wucht und die Eleganz, die man von großen Vorbildern wie Aretha Franklin kennt; ihre Songs erzählen von trüben Erfahrungen in der eigenen kaputten Familie und kleinen Triumphen über die rassistische Welt, in der sie aufwuchs. Die im britischen Portishead unweit von Bristol aufgewachsene Sängerin und Songwriterin Yola, die nun ihr zweites Album "Stand For Myself" herausbringt, erneuert auf großartige Weise die Genres von Soul und R&B. Schon das vor zweieinhalb Jahren erschienene Debütalbum der 37-Jährigen, die als Studio- und Backgroundsängerin für die britische Band Massive Attack, das Elektro-Duo The Chemical Brothers und Rapperin Iggy Azalea anfing und mittlerweile in den USA lebt, wurde mit viel Kritikerlob und einigen Grammy-Nominierungen bedacht. Ihr neues Werk, produziert vom amerikanischen, mit den Black Keys bekannt gewordenen Musikerkollegen Dan Auerbach, dürfte ihr nun ein großes Publikum bescheren. Das Album enthält ein paar große, ebenso schlicht arrangierte wie eingängige Songs, von denen der mit dem Titel "Starlight" der tollste ist. Zugleich ist "Stand For Myself" eine geschichtsbewusste Huldigung an die Kunst der großen schwarzen Sängerinnen der Sechziger- und Siebzigerjahre und ein zeitgemäßes, kämpferisches Zeugnis weiblicher Durchsetzungsmacht. Sie sei ein Fan von Science-Fiction-Filmreihen wie "Star Trek" oder "Star Wars", erzählt Yola, im Grunde habe sie ihre Songs wie eine Besucherin von einem fremden Planeten geschrieben - aus der Sicht einer schwarzen Frau, "die von einem Teil ihrer Mitmenschen nicht als eine der ihren anerkannt wird". Wolfgang Höbel
Literatur: "Der Brand" von Daniela Krien
Es beginnt mit einer Enttäuschung: Rahel und Peter wollten von Dresden aus in die Berge fahren. Die Hütte hatten sie schon Monate vorher im Internet ausgesucht, sie entsprach genau ihren Vorstellungen. Es ist der Tag vor dem Urlaub, letzte Vorbereitungen. Um auch bei der Weinauswahl nichts dem Zufall zu überlassen, ist Peter zu einem Weingut gefahren, hat Fotos von verschiedenen Flaschen geschickt, gefragt, welche Sorten er kaufen soll. Da kommt ein Anruf: Die Hütte ist abgebrannt. Die Schriftstellerin Daniela Krien ist einfach gut darin, in Details und mit leichter Hand ihre Figuren zu umreißen, deren Stimmungen zu beschreiben und eine Welt zu skizzieren, die sich der Leser sofort vorstellen kann. Statt in die Berge fahren Rahel und Peter dann aufs flache Land, in die Uckermark, eine Freundin, der Rahel schon ihr Leben lang verbunden ist, bittet sie, ihr Haus zu hüten mitsamt einiger Tiere. Sie werden hier drei Wochen verbringen, in denen Rahel, die Psychotherapeutin ist und geübt darin, die Leben anderer Menschen abzuklopfen, ihr eigenes Leben in den Blick nimmt. Es beginnt damit, dass sie sich nicht damit abfinden will, dass Peter, der Universitätsprofessor, der griesgrämig geworden ist in den letzten Jahren, nicht mehr mit ihr schläft. Doch darunter liegen andere Themen: Welche Beziehung hat sie zu ihren erwachsenen Kindern? Wie war das eigentlich in ihrer eigenen Kindheit? Weil "Der Brand" aber ein Roman von Daniela Krien ist, entwickelt sich die Handlung in sommerlicher Leichtigkeit, die gedankliche Tiefe dieses Buchs erschließt sich wie nebenbei. Claudia Voigt
Klassik: "The British Project" von Mirga Gražinytė-Tyla
Die "Times" nannte sie einmal die "beste Musiklehrerin, die du und ich niemals hatten". Es geht um die Litauerin Mirga Gražinytė-Tyla, die mit nur 29 Jahren zur ersten Dirigentin und Musikdirektorin des City of Birmingham Symphony Orchestras wurde. Ihr neues Album "The British Project", das unter anderem in der Hamburger Elbphilharmonie aufgenommen wurde, ist eine Zusammenstellung aus Werken britischer Komponisten: Benjamin Britten, William Walton, Ralph Vaughan Williams und Edward Elgar. Die Werke sind nicht jedem sofort bekannt, haben aber das City of Birmingham Symphony Orchestra in irgendeiner Art und Weise geprägt. Elgar hatte beispielsweise im November 1920 das erste symphonische Konzert des Ensembles dirigiert. Gražinytė-Tyla widmet sich diesen Werken mit viel Präzision und Verständnis für den geschichtlichen Hintergrund, vor dem sie entstanden sind. Elgars nachdenkliches "Sospiri" wurde kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs uraufgeführt, der Titel, italienisch für "Seufzer", beschreibt vielleicht seine Resignation - der Krieg war in Europa unausweichlich geworden. Brittens "Sinfonia da Requiem" ist eine Art musikalischer Protest gegen den Zweiten Weltkrieg, er komponierte das Stück 1940, im Alter von 26 Jahren. Gražinytė-Tyla gelingt es, selbst zu vertrauten Werken wie Vaughan Williams' "Fantasia on a Theme by Thomas Tallis" - eines der Meisterwerke der britischen Orchestermusik, gebaut aus dem Material eines Kirchenliedes - einen neuen Zugang zu finden und sie überraschend zu interpretieren. Ein weiterer Gewinn für Gražinytė-Tyla, die 2020 mit dem Opus Klassik in der Kategorie "Dirigentin des Jahres" ausgezeichnet wurde. Danina Esau