Der Titel Ihres Buches ist „Kein Fleisch macht glücklich“. Was ist damit gemeint?Ich habe mich für das Buch auf die Suche nach einer Ernährung gemacht, die für mich Genuss, Gesundheit und Gewissen vereint. Nach und nach fielen bei der Recherche alle Arten von Fleisch und Fisch weg. Und schließlich auch alle anderen Tierprodukte. Es gibt in der Praxis einfach keine für mich akzeptable Art, Tierprodukte zu erzeugen. Hinter allem steckt Leid oder ein frühzeitiger, unnötiger und gewaltsamer Tod. In der industriellen Tiernutzung kommen viele andere Probleme hinzu. Und schließlich habe ich festgestellt, dass es mich am meisten zufriedenstellt – man kann sagen, dass es mich glücklich macht – mich vegan zu ernähren. Die Doppeldeutigkeit im Titel ist also passend.
Dabei haben Sie doch früher gern Fleisch gegessen. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich heute bei der Ernährung entbehren muss. Sehr viele Lebensmittel, die ich gern gegessen habe, fehlen mir erstaunlicherweise nicht oder ich kann sie gut mit anderen ersetzen. Manche zwar auch nicht. Aber dafür habe ich sehr viele leckere Sachen in mein Repertoire aufgenommen, die ich vorher kaum oder gar nicht gegessen habe. Und bei den Sachen, die ich tatsächlich noch vermisse, weiß ich genau, warum ich sie nicht mehr essen will. Mit dieser Motivation fällt auch ein echter Verzicht leicht und fühlt sich gut an. Verzicht hat ja nicht nur einen negativen Aspekt.
Zur Recherche des Buches haben Sie sich vielen Erfahrungen ausgesetzt: Sie haben Mastanlagen besucht, genauso wie ein Altersheim für Kühe und haben Jägern und Biobauern bei der Arbeit zugesehen. Gab es dabei eine Begegnung, die besonders in Erinnerung geblieben ist? Mich hat fasziniert, welch unterschiedliche Gedanken sich die Menschen zum gleichen Thema machen, nämlich, wie wir mit Tieren umgehen dürfen. Und vor allem, welche unterschiedlichen Schlüsse für ihr Handeln sie daraus ziehen. Beeindruckend, aber irgendwie auch bizarr ist für mich das Verhältnis, dass der Bauer Ernst Hermann Maier zu seinen nahezu frei lebenden Rindern hat. Mit vielen ist er befreundet, er sorgt sich ernsthaft um sie und auch um andere Nutztiere. Dennoch schafft er es, seine Rinder selbst zu töten und zu essen.
Und was hat besonders überrascht?Es gab da einiges: Die Tiere, die gegessen werden, sind erschreckend jung, fast immer Tierkinder. Bei Schweinen kommt hinzu, dass die weit verbreitete Betäubung vor der Schlachtung sehr quälend für sie ist. Das finde ich schon sehr schlimm. Gesundheitspolitisch geradezu skandalös sind die ebenso wenig bekannten, aber teils hohen Erkrankungsrisiken für den Menschen durch den Fleischkonsum und die Risiken der Antibiotika-Resistenzen durch die industrielle Tierhaltung.
Klimaschützer behaupten, dass vegane Ernährung das Klima schützt. Zu welchem Ergebnis kommen Sie?Man kann sich natürlich auch mit Flugobst und eingeflogenen Tiefkühlpizzas vegan ernähren. Aber normalerweise ist eine rein pflanzliche Ernährung mit viel weniger Ressourcenverbrauch und Klimabelastung verbunden. Allerdings gibt es auch Fleisch und Milch von Weidetieren, die zur Humusbildung beitragen können und damit das Klima entlasten. In den allermeisten Fällen haben aber tierische Lebensmittel einen erheblichen Anteil an der schlechten Klimabilanz unserer Ernährung.
Was ist an veganer Ernährung dann besser als an vegetarischer Ernährung?Gerade Milchprodukte sind durch die verbreitete Zufütterung mit intensiv angebautem Getreide und Soja sowie durch den Methanausstoß der Wiederkäuer ungünstig fürs Klima. Aber vor allem aus Tierschutzaspekten ist eine vegetarische Ernährung sehr unbefriedigend: Kühe und Kälber erleben eine verstörende oder schmerzhafte Trennung, die männlichen Kälber landen meist in der Kälbermast und die Kühe gehen nach vier bis fünf Jahren ausgemergelt zum Schlachter. Legehennen übrigens schon nach einem Jahr und die männlichen Legehühner landen gleich nach dem Schlupf im Schredder. Männliche Ziegenkitze werden auch üblicherweise gleich getötet.
Viele Menschen haben Angst, eine vegane Ernährung könnte Mangelerscheinungen befördern. Ist gesunde vegane Ernährung besonders schwierig?Einige Ernährungswissenschaftler tun sich noch schwer damit, eine vegane Ernährung zu empfehlen und es gibt natürlich auch sehr einflussreiche Interessengruppen, die an dieser Unsicherheit Interesse haben. Früher erschien vielen eine gesunde vegetarische Ernährung als sehr kompliziert. Das wird glücklicherweise von den meisten Fachleuten inzwischen schon ganz anders gesehen. Aber auch für eine gesunde vegane Ernährung muss man nicht Ernährungswissenschaften studieren, wie es manchmal dargestellt wird. Wenn man sich abwechslungsreich ernährt und bei den wenigen kritischen Nährstoffen wie etwa Vitamin B12 und Vitamin D gegebenenfalls die Werte jährlich kontrolliert oder sie ergänzt – ich mache das mit einer speziellen Zahnpasta – dann hat diese Ernährung weitaus mehr gesundheitliche Vorteile. Mangelerscheinungen sind übrigens viel seltener als ernsthafte Erkrankungen, die in Zusammenhang mit der üblichen fleischlastigen Mischkost stehen.
Die Fragen stellte Daniela Becker.
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