Die Meldung, dass ein hochrangiger Manager des Fahrdienst-Vermittlers Uber gezielt kritische Journalisten diskreditieren wolle, rundete das gewissermaßen Bild ab: ein aggressives, rücksichtsloses Unternehmen, dem es um Expansion, nicht aber um Menschen geht. Die Kritik richtet sich seit der Diskussion um Uber nicht nur gegen den Taxi-Ersatzdienst, sondern gegen die Sharing Economy an sich: vom Terror des Teilens spricht man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, für Spiegel Online sind „ Uber Menschen" stolz darauf, dass sie bestehende Marktstrukturen zerstören, egal ob sie sich dabei über geltende Rechte hinwegsetzen. Damit wird eine immer größer werdende Gruppe von Menschen in Verruf gebracht, die Tauschen und Teilen nicht - oder zumindest nicht nur - als Vermehren ihres eigenen Luxus und Wohlbefindens begreifen, sondern der es um weniger Ellenbogengesellschaft und mehr Kooperation geht, Wirtschaften auf Augenhöhe, ohne das Dogma der Profitmaximierung, stattdessen mehr das Gemeinwohl im Blick. Diese neue Herangehensweise hat längst begonnen, die unterschiedlichste Wirtschaftszeige zu durchdringen. Wir stellen drei Vertreter der nächsten Generation von Sharing Economy Modellen vor:
People Power: Strom vom NachbarnBeispiel buzzn: Beim dem Münchner Start-up können Menschen über die Plattform buzzn.net ihren selbst produzierten Strom weitergeben. Die Stromgeber speisen ihren überschüssigen Strom aus kleinen, dezentralen Stromerzeugungsanlagen wie zum Beispiel aus Blockheizkraftwerken, Photovoltaikanlagen oder Wasserkraftwerken in das Niederspannungsnetz ein. Wie bei allen Stromanbietern stammt der Strom zwar aus dem allgemeinen Stromnetz. Der Unterschied: Als Stromnehmer kann man über buzzn.net bestimmen, wohin sein Geld fliegt. Nämlich nicht an Energiekonzerne oder Zwischenhändler, sondern auf kurzem Weg zum Nachbarn. Diese Form der Direktvermarktung von Kleinstmengen dezentraler, erneuerbarer Energie ist in Deutschland neu. Fühlt sich buzzn als Teil der Sharing Economy? „Ja", sagt Gründer Justus Schütze. „Die Sharing Economy wird angetrieben durch die Freude am Teilen und die Erkenntnis, dass wir nur einen Planeten haben. Buzzn trägt mit dem Thema Strom zu dieser Bewegung bei. Als Betreiber einer kleinen Stromerzeugungsanlage gebe ich meinen Strom nicht mehr anonym beim örtlichen Netzbetreiber ab, sondern teile ihn mit Menschen, die meinen Strom wertschätzen und bewusst damit umgehen." Die Ziele der Gründer: den Gedanken zu stärken, dass die Energiewende eine Gemeinschaftsaufgabe ist, und das hierarchische System der herkömmlichen Energiewirtschaft aufzulösen. „Das alte Energiesystem lebt von der Trennung des Verbrauchers nicht nur von den Umständen seiner Energieproduktion, sondern auch von den anderen Verbrauchern. „Diese Trennung wird natürlich mit Komfort-Versprechen und Discount-Offerten versüßt", sagt Schütze. Jeder, der mit individuellen Lösungen versuche, diese Trennung zu überwinden, stoße sofort an die Mauern des alten Energiesystems. „Der Community-Gedanke ist deshalb wichtig, weil er den individuellen Pionieren der echten Energiewende die Sicherheit gibt, dass sie nicht alleine sind", sagt Schütze. Rund 1.500 „Mitmacher", wie Schütze die Stromnehmer und -geber nennt, habe das Netzwerk bereits, das Menschen über Strom miteinander verbindet. Nächster Schritt ist eine App: Jeder kann dann live zusehen, wer wie viel Strom von wem nimmt. Über die App können sich die Mitglieder auch informieren, wann besonders viel Strom zur Verfügung steht und es sinnvoll ist, ihn zu verbrauchen.
Lebensmittelabfälle vermeidenBeispiel Foodsharing: Auch bei dieser Idee kommt die Kraft aus der Gemeinschaft. „Allein in diesem Jahr haben die rund 7.500 Foodsaver schätzungsweise rund eine Million Kilogramm Nahrungsmittel vor der Tonne bewahrt", sagt Valentin Thurn. Der Filmemacher führte im Jahr 2011 in seinem Film „ Taste the Waste " einem großen Publikum vor Augen, wie viele brauchbare Lebensmittel in den Abfalltonnen landen. Nach dem Film kamen viele Menschen Menschen mit Vorschlägen auf Thurn zu, wie man an der Situation etwas ändern könne. „Schon während der Dreharbeiten haben wir so viel zusammen aus diesen Resten gekocht, dass wir überlegt haben, wie wir das beibehalten können", sagt Thurn. „Da war schnell klar: eine Website alleine langt nicht, sondern man muss eine Community aufbauen." Finanziert durch Crowdfunding entstand die Online-Plattform foodsharing.de. Dort können Privatpersonen online „Essenskörbe" mit überschüssigen Lebensmitteln anbieten, die von anderen abgebholt und verbraucht werden. Jeder darf mitmachen, Kosten entstehen keine. „Im privaten Bereich passiert sehr viel, aber das Gros der Lebensmittel wird in Supermärkten vor der Tonne gerettet", sagt Thurn. Nach Ladenschluss treffen sich dort in Absprache mit dem Ladenbetreiber Foodsharer, nehmen die Produkte mit und verbrauchen sie entweder selbst oder geben sie an diverse „Fairteiler" und öffentliche Kühlschränke ab. Dennoch wären diese Aktionen bei all den weggeworfenen Lebensmitteln nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Das eigentliche Ziel ist im Grunde, Foodsharing überflüssig zu machen, also die Überproduktion und das Überangebot in den Supermärkten zu beenden", sagt Thurn. Ein großer Teil der Foodsaver engagiert sich deshalb neben dem eigentlichen Lebensmittelretten und informiert auf „Schnibbelpartys", Messen und anderen Veranstaltungen über die riesigen Mengen Lebensmittel, die unnötigerweise auf dem Müll landen.
Arbeitsteilung, neu erfundenBeispiel Tandemploy: Arbeitsteilung ist die Grundlage des modernen Wirtschaftens. Der Effizienzdruck des Systems führt aber auch zu Auswüchsen, von denen immer mehr Menschen genug haben. Gnadenlose Selbstoptimierung, Arbeiten bis der Arzt kommt, 50-Stunden-Woche plus x, Kinder nur nachts beim Schlafen sehen? So muss das nicht sein, dachten sich Anna Kaiser und Jana Tepe, Gründerinnen von Tandemploy. Der Unternehmensname ist ein Mix aus „Tandem" und „employ", dem englischen Begriff für Beschäftigung. Und dieser Name ist Programm. Mit der Plattform wollen Kaiser und Tepe Menschen und Arbeitgeber zusammenbringen, die Lust haben und Willens sind, neue und flexible Arbeitsmodelle zu leben. „Die Nachfrage ist sehr hoch, wir haben mit dem Angebot augenscheinlich eine riesige Lücke geschlossen", sagt Gründerin Jana Tepe. Denn Tandemploy bietet insbesondere eine Lösung an für Bereiche in denen klassische Teilzeit-Arbeit an ihre Grenzen stößt. Bei dieser Art von Jobsharing geht es gerade nicht darum, Arbeitsaufgaben haarscharf auseinander zu dividieren und abzugrenzen, sondern als Tandem-Partner eng zusammenzuwachsen. Damit werden auch Stellen mit komplexen Aufgabengebieten auf Leitungsebene teilzeitfähig. Ganz einfach ist das freilich nicht. „Dabei sind sehr viele so genannte weiche Qualifikationen gefragt", sagt Gründerin Jana Tepe. Denn mit seinem Tandem-Arbeitspartner geht man im Grunde eine Art Beziehung ein. Die beiden Jobsharer müssen bereit sein, ihr Wissen zu teilen, sich gut zu organisieren und miteinander zukommunizieren. Funktioniert das gut, gewinnt der Jobsharer neben Zeit und Flexibilität einen beruflichen Sparringspartner, an dem er wachsen und seine Fähigkeiten ausbauen kann. Auch der Arbeitgeber zieht aus solch einem gut eingespielten Team Vorteile: eine höhere Produktivität der Mitarbeiter in Teilzeit, geringere Kosten durch Krankheitsausfälle, eine stets bestens informierte Urlaubsvertretung und nicht zuletzt das positive Image eines modernen, familienfreundlichen Unternehmens. „Ich denke Jobsharing ist, wenn man es denn als Teil der Shareconomy bezeichnen möchte, sicher eines der nachhaltigsten Modelle in diesem Bereich. Es ist ein modernes Arbeitskonzept mit dem Potenzial, Nachhaltigkeit bezogen auf unser wertvollstes Gut zu fördern: unsere Lebenszeit", sagt Tepe. Foodharing, buzzn, Tandemploy - bei keiner dieser Ideen steht das Geld im Mittelpunkt des Interesses. Vielmehr docken diese Vertreter der Sharing Economy an das bestehende Wirtschaftssystem an, infiltrieren es mit neuen Ideen und versuchen gemeinschaftlich bestehende Probleme zu lösen.