Die Vermischung von Politik und Dienstleistung ist nicht geradewegs etwas Neues - so inszenierte beispielsweise bereits 1929 ein Tabakkonzern einen werbewirksamen Protestmarsch, um das Tabu rund um die rauchende Frau zu attackieren - die Quantität, in der diese in den letzten Jahren zusammengenommen hat, stellt dennoch fraglos eine neue Qualität dar. So zogen die in jüngerer Zeit größten russischen Protestkundgebungen als Reaktion auf die mutmaßlichen Wahlfälschungen im Jahr 2011 kurze Zeit später diverse Pro-Putin Demonstrationen nach sich, deren spontane wie freiwillige Zusammenkunft von verschiedenen Seiten angezweifelt wurde und die Präsident Putin selbst lakonisch mit den Worten: „So viele Menschen können unmöglich alle gezwungen worden sein" kommentierte. Doch was vermag dies über das Subjekt auszusagen, das seine politische Autonomie verkauft und sich so quasi-prostituiert? Um im Bild zu bleiben: Sind jene in einer derartigen Not- oder Unterdrückungslage, dass sie nicht anders können, oder machen sie es bereit- und freiwillig?
In „Political Extras" (2015) zeigt uns die russischstämmige Künstlerin Anna Jermolaewa jene Demonstranten. Zur Moskau Biennale 2015 rekrutierte sie via der Website www.massovki.ru gut 120 Demonstranten, die in zwei verschiedenen Gruppen jeweils für und gegen die Kunstveranstaltung demonstrieren sollten - die gleiche Internetseite wurde bereits 2012 als Anzeigenplattform für Pro-Putin Demos genutzt. Jeder Teilnehmer durfte frei entscheiden, ob er sich dem Pro- oder Anti-Demozug anschließen wollte, ob er Slogans gegen oder für Zeitgenössische Kunst skandieren möchte. Im Anschluss wurden 500 Rubel ausbezahlt - eine simple Transaktion für eine simple Dienstleistung, könnte man meinen. Die Demonstrierenden sind so in „Political Extras", der sich wie eine Dokumentation der Aktion darstellt und etwa im Rahmen der Installation „Politischer Populismus" in der Kunsthalle Wien zu sehen war, beim Laufen und Protestieren auf dem Festivalgelände der Biennale, beim Essen in der Mensa und schließlich beim öffentlich stattfindenden Lohnerhalt zu sehen.
[Mehr auf dem Schirn Magazin.]