Porträt von Daniel Hinz (NZZ am Sonntag Magazin – Ausgabe 14/24)
Smart, Porsche Cayenne oder Twingo - wer denkt sich eigentlich alle diese gängigen Produktenamen aus? Zum Beispiel der deutsche Werbetexter Manfred Gotta, der sich mit Namen einen Namen machte.
Mit den Namen, die er erschafft, bewegt er Aktienkurse und beeinflusst Verkaufszahlen. Fachmagazine betiteln ihn als «King of Names» oder «Namenspapst». So richtig habe er das nie gemocht, sagt Manfred Gotta, 77, er lehnt am Geländer des Treppenaufgangs und zündet sich eine Zigarette an.
Zu seinen Kunden gehören die halbe Autowelt, Mittelständler, Startups. Und am Ende deren Kunden. Wir alle. Porsche Cayenne. Panamera. Renault Mégane. Smart. Mercedes Actros. Er taufte das Unternehmen Evonik, die Targobank, die Handelsbörse Xetra. Erschafft Namen für Aldi, Adidas, Henkel. Die Liste ist endlos. Es muss einen Grund geben, wieso Unternehmen bis zu 150 000 Franken für die Dienste Gottas bezahlen.
Nicht in Monaco oder Paris, sondern in 76596 Hundsbach, Baden-Württemberg, Deutschland, einem abgelegenen Dorf mit knapp 300 Einwohnern im Schwarzwald, fernab von Metropolen und Hektik: Hier entstehen die Namen, die man in der ganzen Welt kennt.
Eigentlich sei er introvertiert – er liebt es, abends 3sat einzuschalten, Spaziergänge, Kochen. Sein zurückgegeltes graues Haar, der schneeweisse Henriquatre-Bart, die blaue Jeans und die gelbliche Weste lassen ihn wirken, als würde er Autos oder Versicherungen verkaufen. Er schnippt den Rest der Lucky Strike routiniert auf den Asphalt. An der schmalen Strasse steht ein Twingo. Baujahr 1993, Silber. Das Auto mit dem Lächeln.
«Ich sagte ihnen: Sperrt mich allein in einen Raum mit dem Auto, dass mich keiner sieht», erzählt Gotta von seiner ersten Begegnung. Über dreissig Jahre ist das her. In Frankreich, im Renault-Headquarter, in einer geheimen Halle steht das neue Auto, konzipiert vom Stardesigner Patrick le Quément. Kleinwagen. 3,43 Meter kurz. 54 PS. 890 Kilogramm Leergewicht. Gotta geht rein, legt sich vor die Motorhaube. Fährt mit der Hand über das Heck. Setzt sich hinein, riecht. Fühlt das Lenkrad. Zwanzig Minuten geht das so. Er erfasst die Seele des Autos, wie er sagt. Als er herauskommt, fragt ihn der Designer: «Und, was denken Sie?»
Gotta: «Das Auto lächelt.»
Ein breites Grinsen entfaltet sich auf dem Gesicht des Designers. «Sie haben den Job.» Ein paar Wochen später wird Gotta den Namen präsentieren, der sich einbrennt und zu einem Welterfolg wird, über den Songs geschrieben werden: Twingo. 172 000 Kaufverträge folgen nach Marktstart.
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