Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 05/2024.
Eine Reportage von Daniel Hinz
Lothar Sells Hände zittern. In den nächsten 30 Minuten hat er etwas zu verlieren. Sein Lebensgefühl, wie er sagt, seine Freiheit. Neben ihm steigt Michael Borucu in den roten Honda Jazz ein. Sie begrüßen sich, dann soll Sell losfahren. "Nehmen Sie sich Zeit und nicht das Leben", sagt Borucu mahnend.
Ein Samstagmorgen im Januar, Null Grad, Glatteisgefahr. Sell legt seine rechte Hand auf den Automatikknüppel, stellt D für Drive ein, erstes Ruckeln, starkes Bremsen, aus der Lücke rechts raus, zügiges Anfahren. Jedes Zucken, jede Bewegung beobachtet Borucu. Lothar Sell will es beweisen. Seinen Töchtern, die finden, er solle nicht mehr Auto fahren, er solle sich testen lassen. Zwei Wochen lang hätten sie ihm die Batterie aus dem Auto ausgebaut wegen Schnee und Eis, sagt Sell. Denen, die behaupten, Senioren seien eine Gefahr für den Straßenverkehr, will er es auch beweisen. Und sich selbst, dass er mit 85 Jahren noch Auto fahren kann.