Noga lebt mitten in Tel Aviv und wird bei ihrem musikalischen Werdegang auch von sozialen und politischen Umständen beeinflusst. 2016 erlangte sie mit dem sozialkritischen Video zu "Dance While You Shoot" erste Aufmerksamkeit außerhalb ihrer Heimat. Mit ihrem Freund und Kollegen Ouri Rosso hat sie nun ein politisches Elektropop-Album produziert, was sie zu eine der "Artists to Watch 2017" werden lässt. Dass sie zumindest mehr Beachtung genießt, zeigen Einladungen zum Melt, Primavera oder zum Roskilde Festival.
Erstmal herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Album Off The Radar. Ein cooles Elektropopalbum, in das aber noch ganz viele andere Genres mit verpackt sind. Wie war für dich das ganze Prozedere, dein Album zu erschaffen?Ja, das Album bestand zunächst nur aus einzelnen Songs, die zu verschiedener Zeit entstanden sind. Dann habe ich gesammelt, was reinkommen soll und gemerkt, ich brauche ein Hilfsmittel, sie zu kombinieren. Um dieses Albumgefühl zu entwickeln, schufen wir noch instrumentale Interludes, die diese Lücke schließen sollten. Das Album ist letztendlich ein ganz langer Song geworden. Es geht alles ineinander über.
Außerdem machst du Popmusik, die ja nicht nur unterhalten soll. Es gibt ja die vorherrschende Meinung, dass sie nur Unterhaltung darstellt. Dabei gibt es Künstler wie Solange oder eben Musiker wie dich, die Popmusik zu etwas Speziellen machen. Viele junge Leute, die Popmusik hören, lesen ja gar keine Zeitung mehr, sondern werden dann zum Beispiel von deiner Musik indirekt beeinflusst. Wie findest du das?Das hast du richtig erkannt. Ich denke, es ist wichtig Infos über soziale oder politische Probleme für alle erreichbar zu machen. Es ist nun mal so, dass nicht jeder morgens die Zeitung aufschlagen will und liest was alles Schlimmes auf der Welt passiert. Kunst und Musik haben einen eigenen Weg diese Themen anzusprechen und so den Leuten klar zu machen. Es war natürlich nicht mein Ziel, ein politisches Album zu machen. Die politischen Themen sind vielmehr ein Beiprodukt des Schaffens meiner Musik.
Ein gutes Nebenprodukt auf jeden Fall. So sprichst du in deinem Song "Toy" über politische Machtstrukturen, die selbst in Demokratien problematisch sind.Ich finde, dass das Konzept vererbter Macht nicht mehr tragbar ist heutzutage. Manche Politiker sind wirklich talentiert, aber es gibt viele, die einfach die Macht bekommen, weil sie gute Beziehungen haben. Das ist wirklich ein sehr altes Konzept, Macht zu verteilen. Wie früher Könige, die ihre Macht an ihre Sprösslinge vererben. Doch heute leben wir in liberalen Gesellschaften und in Demokratien. Doch so wirklich demokratisch sind die dann doch nicht aufgrund der vererbten Machtverhältnisse. In diesem Song versuche ich zu erklären, dass dieses Konzept leider immer noch in unserer Welt existiert.
Ebenfalls ein wichtiges gesellschaftliches Thema sprichst du im Song "Pity" an. Es geht hier um die Vergewaltigung einer Frau in Israel und die Tat wurde dabei auch noch von Schaulustigen gefilmt und ins Internet hochgeladen. Wie verarbeitest du das in dem Song und wie denkst du über die Gesellschaft diesbezüglich?Das ist ein extremes Beispiel, wie unsere Generation,die massiv soziale Medien nutzt, sich verhält. Denn der Umgang mit sozialen Medien kann manchmal ziemlich schief gehen. Das passiert nicht nur bei Vergewaltigungen, sondern fängt schon bei kleinen alltäglichen Fällen an. Die generelle Botschaft des Songs ist, dass wir mehr Verantwortung zeigen müssen. Wir haben wegen dieser Macht der sozialen Medien viel mehr Verantwortung und müssen deswegen mehr über unser Handeln nachdenken.
Um bei sozialen Medien zu bleiben, nervt es dich, dass du so viel auf sozialen Medien präsent sein musst, um nicht vom Radar zu verschwinden? Hast du die Angst, überhaupt zu verschwinden? Frank Ocean schafft es zum Beispiel auch ohne.Es ist eine komplett neue Situation für Musiker und Künstler. Wir müssen konstant Inhalte auf all unseren Kanälen bringen. In einigen Fällen klappt es auch ohne diese Dinge. Frank Ocean hat eine Weltkarriere hingelegt, dennoch ist das nur ein Einzelfall. Die meisten Künstler müssen präsent sein und stecken dabei wirklich viel Arbeit rein. Doch soziale Medien sind durchaus positiv. Sie sind gute Plätze, um sich selbst zu entfalten. Generell würde ich sagen, gesamtgesellschaftlich kann es für mehr Pluralität sorgen.
Foto: Christian Gschwilm