Vor ungefähr einem Jahr landete Armand Jakobsson seinen ersten, richtigen Hit. "U" wurde innerhalb kurzer Zeit auf YouTube so oft geklickt, wie es in der elektronischen Musikszene nur selten der Fall ist. Inzwischen hat der Track die halbe Millionenmarke erreicht und das, ohne überhaupt ein Clubhit gewesen zu sein. Aber er stand nicht allein. Der Track und DJ Seinfeld als musikalisches Phänomen mit lustigem DJ-Namen waren Teil einer Welle, eines Trends oder gar eines neuen Genres: Lo-Fi-House. Die Musik wurde nicht selten kritisiert, auch von der Autorin selber, aber ebenso viele Leute liebten sie. Mit rauschend-verzerrten Drums und vielen Vocal-Samples hat LoFi-Sound oft eine sehr direkte Emotionalität.
Die Diskussionen sind mittlerweile verebbt, da tritt DJ Seinfeld in Phase zwei seiner Künstlerkarriere ein: Er veröffentlicht sein Debütalbum Time Spent Away From U. Ein Bündel rauher Tracks voll klagender Soul-Divas, die die Geschichte eines Liebeskummers erzählen. Wir sprachen mit dem 25-Jährigen über den LoFi-Hype, seine plötzliche Bekanntheit und das Auflegen und Produzieren. Er zeigte sich ebenso direkt wie überraschend ehrlich.
Wie kam es zu deiner Zusammenarbeit mit Lobster Theremin? Vor ein paar Jahren veröffentlichte ich eine Platte auf dem Label eines Freundes, Meda Fury Rimbaudian-Alias. Mein Freund ist gut mit dem Betreiber von Lobster Theremin befreundet, Jimmy Asquith. Die beiden hatte immer schon den Plan, eine Art Kollaborationslabel zu starten. Und damit begann alles. Er wusste nicht mal, dass ich auch DJ Seinfeld bin. Irgendwann musste ich es ihm aber erzählen, weil er mir schon Nachrichten an eine Seinfeld-Seite schickte.
Er hat dich bei Soundcloud gefunden? Ja, so fing das an. Ich habe mich gut mit Jimmy angefreundet, der Rest entwickelte sich danach.
Stream: DJ Seinfeld - U
Wie hat es sich für dich angefühlt, so schnell bekannt zu werden? Es ist großartig. Es war schon furchteinflössend am Anfang - oder nicht furchteinflössend, es war etwas Neues. Aber weil ich schon so lange Musik gemacht hatte, habe ich wirklich nicht erwartet, damit irgendwie bekannt zu werden, weshalb es total unerwartet kam, was toll war. Die meisten Leute, die mit mir Kontakt aufnehmen, waren ziemlich nett und das bedeutet mir viel.
Leute, die du auf deinem musikalischen Weg kennengelernt hast? Ja, aber auch Menschen, die meine Tracks bei Soundcloud oder YouTube kommentiert haben. Gemeinhin waren die immer super nett. Das ist ein schönes Gefühl natürlich, irgendwie komisch, aber gut. Ich bin sehr glücklich, dass es so gekommen ist.
Also hast du viel positives Feedback bekommen, aber weil du Teil der Lo-Fi House-Geschichte bist, blieb die Kritik nicht aus... Yeah(lacht).
...was würdest du denen sagen? Gar nichts. Ich nehme es nicht allzu ernst, was die Leute von mir denken. Lo-Fi ist nur etwas, auf das ein Label geklatscht wurde, wie auf meine Musik. Aber ich mache viel verschiedene Musik. Ich verstehe, warum die Leute Lo-Fi nicht mögen, oder zumindest den Namen Lo-Fi. Für mich bedeutet Lo-Fi nicht mehr, als dass es roh war. Es war nichts Neues. Das war, was die Leute schon lange vor meiner Zeit im frühen House und Techno mit billigem Equipment gemacht haben. Für mich bedeutete der Name nur eine Beschreibung des Sounds, aber mittlerweile ist es wohl mit ironischen DJ-Namen und dem ganzen Kram verknüpft. Ich persönlich kann mit keiner Kategorie sonderlich viel anfangen, weshalb ich die Kritik nachvollziehen kann, aber tief drinnen ist diese Musik nur für mich, Musik wie jede andere. Entweder du magst es - oder aber nicht.
Hast du dich als Teil von etwas verstanden, einer Gruppe, als du mit dem Produzieren anfingst? Nein.
Wo kommt dann der Name DJ Seinfeld her? Das ist schon ein großer Zufall. Weil es ein Zufall ist. Vor einem Jahr gab es diese riesige Kontroverse und viele Anti-Lo-Fi-Artikel. Ich erinnere mich daran, dass sie auf mich und DJ Boring und Ross From Friends zukamen. In meinen Ohren machen wir alle sehr verschiedene Musik und wurden nur als Lo-Fi-Producer abgetan. Der Name DJ Seinfeld kam nach einer Trennung zustande, die ich nicht gut verkraftet habe, weshalb ich mich in mein Zimmer zurückzog und jede Menge Seinfeld guckte. Ich nahm eine Pause vom Musikmachen und als ich wieder anfing, dachte ich mir: „Ok, ich will nur ein bisschen Spaß haben, mich selbst nicht zu ernst nehmen, gar nichts ernst nehmen außer der Musik", warum es also nicht DJ Seinfeld nennen? Dann kam es nur zufällig, dass andere in diesem Genre oder wie auch immer du es nennen willst, mehr Aufmerksamkeit in den Medien bekamen und das alles. Bis dieser Artikel heraus kam, hatten wir kaum miteinander Kontakt.
Das steht im Gegensatz zu dem, was du vorhin sagtest, dass du die Dinge nicht allzu ernst nehmen wolltest, aber die Musik, die Tracktitel auf dem Album, die Trennung – das ist alles sehr ernst.
Super intensiv, ich weiß. Aber in meinem Kopf wollte ich einfach damit Spaß haben, ehrlicher zu sein. Ich weiß, dass das einen komischen Kontrast aufmacht, einen witzigen DJ-Namen zu haben und dann tiefschürfende und emotionale Titel zu verwenden, aber für mich fühlte sich das einfach richtig an und ich wollte nicht allzu sehr darüber nachdenken. Sondern nur nach meinem Bauchgefühl gehen.
Hat das auch zu diesem rohen Lo-Fi-Sound geführt?
Ja. Ich mochte es immer schon, wenn es etwas staubig und roh klang. Aber ich hatte den starken Drang, etwas Härteres und Roheres zu machen, das nicht so poliert war, weil mein emotionaler Zustand alles andere als geleckt war. Ich bin im Allgemeinen kein großer Rock-Fan, und vielleicht ist das ein schlechtes Beispiel, aber kennst du das, wenn Rock-Sänger ins Mikro schreien und es ergibt sich so eine Art merkwürdige Verzerrung? Das liegt daran, dass das Equipment die Stimme oder das Gefühl nicht bewältigen kann, das ins Mikro geht. So fühle ich auch manchmal, vor allem damals, über meine Musik.
Wie ist dein Hit-Track „U“ auf YouTue gelandet?
Ich wollte keine Demos rumschicken oder so, weshalb ich ihn bei Soundcloud postete und am Tag drauf entdeckte, dass er auf diesem YouTube-Kanal [Slav] hochgeladen wurde. Er schrieb mir kurz darauf eine Nachricht und fragte, ob das okay sei, aber zu dem Zeitpunkt hatte er schon ziemlich viele Views und ich dachte mir „Passt schon. Du hättest fragen können, aber ich beschwere mich absolut nicht.“ Ich weiß, dass viele denken, dass einige von uns sich Views kaufen, aber es war nur ein Typ, der meinen Track von Soundcloud gerippt hatte und ihn hochlud.
Über die Trennung scheinst du ja hinweg.
Ja…
Wo findest du dann deine Inspiration?
Gar nicht! (lacht) Vorher war ich sehr impulsiv und bin nach meinem Gefühl zu der Zeit gegangen. Aber ich denke, dass das aber bedeutet, dass meine Kreativität abhanden gekommen ist. Das erlaubt mir, mehr über Ideen von meiner Musik nachzudenken, ein bisschen mehr mit den Sounds zu experimentieren vielleicht, die ich gerne benutzen würde. Es hat mich dazu gebracht, die Dinge überlegter anzugehen. Das ist klasse. Lieber so als mit gebrochenem Herzen. Ich hoffe, da kommt etwas Gutes bei rum. Mal sehen.
Bleibt dir zum Produzieren überhaupt noch Zeit? Du bist ziemlich viel auf Tour.
Nicht so viel, wie ich gerne hätte. In den letzten zwei Monaten habe ich so gut wie gar keine Musik gemacht. Das ist schon frustrierend. Aber irgendwie ist das eine Art Tauschgeschäft: je mehr du auflegst, desto weniger Musik machst du selbst. Es ist ein gutes Leben, ich beschwere mich überhaupt nicht, ich muss die Dinge wohl nur besser planen.
Du hast sehr viel veröffentlicht – meinst du, dass du das unter einem Druck heraus tust?
Ehrlich gesagt ja. Die meisten der Platten, die in diesem Jahr erschienen sind, waren schon vor geraumer Zeit fertig. Ich habe viel Musik gemacht, zwei oder drei Songs an einem Tag waren kein Problem. Und jetzt mache ich zwei, drei Songs in drei Monaten. Das ist schon eine seltsame Veränderung, aber das gehört wohl zum Leben dazu.
Wann hast du mit dem Produzieren angefangen?
Ich glaube, das war 2011 oder 2012.
Hast du damals schon genauso produziert wie heute? In einem ähnlichen Stil?
Das ist eine ziemlich gute Frage. Ich hätte meinen Stil etwas mehr verändern sollen. Aber vielleicht bin ich nicht abwechslungsreich genug. Ich habe diese Art Old-School House immer geliebt und denke, dass was auch immer ich gemacht habe, meine Interpretation davon war, in einer Art.
Du produzierst ausschließlich mit Ableton. Willst du mal etwas anderes ausprobieren?
Ich will mir eines Tages ein paar Synths kaufen, aber ich denke, dass viele Leute viel Geld für Equipment ausgeben und vielleicht nicht darüber nachdenken, was für eine Art von Musik sie machen wollen. Ich meine, natürlich kannst du das machen. Es schadet ja nicht, sich was zuzulegen und damit herumzuexperimentieren, etwas Neues zu lernen. Aber ich muss es schon wissen, ich will meine Ideen beisammen haben bevor ich damit anfange, zu planen, was ich brauche.
Das heißt, du hast oft schon die Idee und setzt es dann nur um?
Oftmals habe ich nicht unbedingt einen ganzen Track im Kopf, aber wenn’s um Melodien geht, habe ich meistens mehr oder weniger eine Ahnung davon, welche ich haben möchte. Ich denke, dass ich ziemlich mies darin bin, Drums zu programmieren, den Beat als solchen. Ich hasse die Art, in der ich Beats mache, ich denke Melodien waren immer meine Stärke.
Ich habe gelesen, dass du nach deiner ersten Platte mit dem Auflegen angefangen hast, oder hast du damit vorher begonnen?
Nein, ich habe es versucht, aber – ich denke, mein erster Gig überhaupt liegt jetzt gerade ein Jahr her. Ich hatte vorher schon einige gespielt, aber es lief dann eher so, dass ich Ableton mit in den Club genommen habe und damit versuchte, zu mixen. Mein erstes richtiges DJ-Set war glaube ich im Arena Club in Berlin. Vielleicht war es nicht das erste, aber es ist definitiv das erste, an das ich mich erinnere. Ich erinnere mich daran, wie ich im Flughafen saß und YouTube-Tutorials übers Beatmatchen und so anschaute, und ich war sowas von nervös. Aber es lief gut. Ich möchte wirklich gerne ein richtig guter DJ werden, aber danach habe im Laufe der Zeit immer mehr Dinge aufgeschnappt. Es macht irre viel Spaß, aufzulegen, aber es ist auch etwas, das ich meistern möchte und mit dem ich mich wohl fühle. Ich fühle mich zwar wohl damit im Moment, aber ich denke dass du dich umso freier fühlst, je besser du bist.
Warum hast du nicht daran gedacht, ein Live-Set zu spielen? Das wäre doch einfacher gewesen?
Das liegt daran, dass ich einen richtig beschissenen Computer hatte, der ständig den Geist aufgab. Ich wäre total eingeschüchtert, wenn ich den mit in einen Club nehmen würde. Aber ich hoffe, das mal später in Angriff nehmen zu können. Momentan konzentriere ich mich aufs Auflegen und Produzieren.
Zurück zur Lo-Fi-Szene – wohin denkst, wird das Ganze in Zukunft gehen? Jetzt kennst du die Leute, jetzt gibt es eine Art von „Crew“.
Ich weiß nicht genau, was mit Lo-Fi passieren wird. Ich denke, dass Lo-Fi wie viele anderen verschiedene Genres bekannt wurde. Es ist kein neues Genre, es ist nur ein Name, das Label oder ein Begriff, der dem verliehen wurde. Es ist nichts Neues. Diese Art von Musik gibt es schon seit einer ganzen Weil, weshalb ich denke, dass die Leute schon verstehen werden, dass es sich dabei nur um eine andere Form von Dance Music handelt. Es ist roher, aber das war’s auch schon. Was die Leute innerhalb der Szene angeht, und damit auch mich: Ich denke, wir werden alle versuchen, anderes auszuprobieren. Ich habe niemals jemanden getroffen, der sich einem bestimmten Sound anpassen möchte oder explizit versucht, Lo-Fi zu produzieren. Die Menschen, die ich in dieser Szene kennengelernt habe, sind sehr talentiert und haben große Ambitionen für sich selbst und ihre Musik. Ich denke, sie werden sich ausdifferenzieren und ihren Sound in eine andere Richtung pushen. Ich denke, Lo-Fi wird irgendwann verrauschen. Aber momentan denke ich, dass es viele Leute an Musik herangebracht hat, und dass es also gute und schlechte Dinge daran gibt, aber im Grunde ist es wie jeder andere Internettrend.
Es gibt viele Neunziger-Melodien auf deinem Album. Eine bestimmter Synth klingt wie der von „Show Me Love“ von Robin S. Zusammen mit dem staubigen Sound – ist da eine gewisse Nostalgie in deiner Musik?
Ja, es gibt viel Nostalgie in meiner Musik. Als ich anfing, elektronische Musik, Dance Music, zu hören, war das genau das: Robin S – „Show Me Love“ und alle diese Klassiker. Als ich klein war, konnte ich auf MTV jede Menge coole House- und Dance Music-Songs hören, das war großartig. Aber diese Musik kam aus einer Zeit, in der ich noch ein Kind und dementsprechend kein Teil davon war, weshalb es eine künstliche Form von Nostalgie ist. Es war überall um mich herum, aber ich war kein Teil davon. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, verschmilzt es wohl mit dem, was ich erlebt habe oder was ich mir wünschte, erlebt zu haben. Weil ich denke, dass sich die Clubkultur seitdem stark verändert hat. Es fällt es nicht schwer zu sehen, wie viele schlechte Dinge aktuell in der Dancekultur passieren und natürlich mag es damals ähnlich gewesen sein. Aber allein wie die Menschen sich damals bewegt haben – ich habe eine stark romantisierte Idee von einem Club in den Neunzigern. Ich weiß nicht, vielleicht ist das gar nicht mal Nostalgie, sondern nur meine Vorstellung davon, wie es damals gewesen sein muss.