Nur ein Jahr vor seinem frühen Tod mit 47 Jahren trat der Schriftsteller Jack Kerouac 1968 in der Sendung "Firing Line" von William F. Bckley Jr. auf - für Kerouac war der ultrakonservative Moderator ein Held. Und vom Nimbus des Schriftstellers, der mit seinem Kultbuch "On The Road" Generationen von Nonkonformisten beeinflusste, war hier nichts zu spüren. Der betrunkene Kerouac beschimpfte die Hippies dafür, dass sie seine Literatur in Beschlag genommen hatten und nie etwas zustande brachten. Er selbst bezeichnete sich in der Sendung als Mann, der vor allem an gesellschaftliche Ordnung, Zärtlichkeit und Frömmigkeit glaube. Doch noch immer halten viele Kerouac für einen progressiven Geist, für eine Art Pate des Hippietums, aus dessen Literatur quasi Woodstock erwachte.
Doch folgt man einigen Biografen und liest Interviews mit Kerouac, so entsteht das Bild eines Mannes, der in der Tiefe seines Herzens eher ein konservativer Christ und überzeugter US-Amerikanerwar, der seiner eigenen Sozialisation Zeit seines Lebens nicht entkam. Kerouac selbst schrieb, dass es bei "On The Road" vor allem um zwei Katholiken auf der Suche nach Gott gehe. War Kerouac ein Patriot, der den US-amerikanischen Traum eher bestätigte, als dass er diesen in Frage stellte? Belegen lässt sich, dass er Kommunisten aller Art hasste, den konservativen Senator Mc Carthy unterstützte und den Vietnam-Krieg guthieß. In "On The Road" beschwor er die revolutionäre Kraft US-amerikanischer Vorstädte, die Schönheit und den Alltag einfacher Arbeiter - doch liegt er damit nicht näher an Trumps Visionen Amerikas als an dem Aufbruchsgeist der Hippies?
Die Hippies waren für Kerouac unpatriotische Waschlappen, die ihr Land an die Kommunisten verrieten. Alan Ginsberg, selbst Teil der Beat-Bewegung, bezeichnete er als "Anti-Amerikaner", als "Juden", der die Beat Bewegung an die Kommunisten verraten habe, um Amerikas Jugend in den Untergang zu führen. Carolyn Cassady, Neal Cassadys Witwe, schrieb, dass die junge Sixties-Generation ihr Vorbild Kerouac nie wirklich begriffen habe und dass ihn genau das zugrunde gerichtet habe. Kerouac sei so deprimiert darüber gewesen, wie wenig er verstanden und wie sehr sein großartiges und schönes Buch für all die Exzesse der 1960er Jahre verantwortlich gemacht wurde - so Cassady. Am Ende seines Lebens zog er wieder bei seiner Mutter ein und trank sich zu Tode. Anlässlich des 100. Geburtstages von Jack Kerouac am 12. März 2022 beleuchten wir die Person hinter "On The Road" und zeigen wie sehr der Mythos seines Kultromans die zerrissene Persönlichkeit Kerouacs und dessen reaktionäre Tendenzen noch immer überstrahlt.